Luxembourg Art Week

Wenn du glänzt, glänze ich auch

Foto: Mary Audrey Ramirez
Foto: Mary Audrey Ramirez
Der Künstler Andrew Black in der Ausstellung "Class Trip", neben einer Arbeit von Mary Audrey Ramirez

Ein Besuch der Luxembourg Art Week zeigt, womit sich junge Künstler beschäftigen. Philipp Hindahl war vor Ort

Fliegt man nach Luxemburg, sieht man erst die Mosel, den mäandernden Grenzfluss, dann bewaldete Hügel, deren Kuppen freibleiben. Darauf kleine Schlösser, wie mitten auf Golfplätzen. Dann die Landung, grauer Flughafen. Die Luxembourg Art Week findet nunmehr zum dritten Mal statt, mitten in der Stadt, in der Halle Victor Hugo. Das ist normalerweise eine Sporthalle. Niemand fragt mich nach einer Akkreditierung, einer Eintrittskarte oder sonst etwas, und das, obwohl die Messe noch gar nicht eröffnet ist. Hier ist jeder ein VIP. 

Schnell in die Halle, aber hier gibt es eigentlich noch nicht so viel zu sehen. Ein paar Galerien haben schon verschämte Skulpturen aus gebürstetem Aluminium an ihren Ständen stehen. Sonst ist auch kaum noch jemand da, aber alle, die da sind, scheinen sich zu kennen. Ein Blick auf den Plan zeigt, dass hier ziemlich viele Galerien aus Benelux ausstellen, aber auch ein paar aus Deutschland, zum Beispiel die Gebrüder Lehmann aus Dresden (zeigen Malerei, unter anderem Eberhard Havekost), oder Jarmuschek + Partner (zeigen Zeichnungen und Skulptur). 

Hier und da liegen Zeitungen aus mit dem Titel "Celebration News", auf dem Titel eine Bleistiftzeichnung von Bela Lugosi als Graf Dracula. Über dem Kopf des Grafen steht "Euro Dance". Die akribischen Bleistiftbilder begegnen mir noch an einigen anderen Stellen, zum Beispiel am Stand der Galerie Espace A Vendre. Hier hängt eine großformatige Zeichnung von Prince, aber mit David Bowie/Ziggy-Stardust-Schminkblitz. Die Bilder sind von Filip Markiewicz. Gut, eine leicht verständliche Popreferenz, denkt man sich. Besucht man das Casino Luxembourg — neben dem MUDAM mit seiner ausgezeichneten Sammlung eines der wichtigsten Häuser für zeitgenössische Kunst hier — erklärt sich der Kosmos von Markiewicz ein bisschen besser. (Inmitten dessen Ausstellung findet übrigens auch die Party der Art Week statt: "Celebration Factory". Auch auf dieser Party fragt niemand nach einem VIP-Ausweis.) Dort sind mehr Bleistiftzeichnungen zu sehen, zum Beispiel Euronoten mit Angela Merkel und dem unsterblichen David-Hasselhof-Zitat "I’ve been looking for freedom". Pop und Politik als Palimpsest, alles existiert hier gleichzeitig und gleichberechtigt und wird verwoben zu einem zentraleuropäischen Referenzteppich. Im Obergeschoss dann eine große Bühne mit Gitarre und Mikrofon, alles zur freien Benutzung. Ein safe space for straight guys, erklärt mir ein Begleiter und lacht.

Filip Markiewicz am Stand der Galerie Space A Vendre

Am Anfang des Messeprogramms steht ein Panel über Luxemburger Künstler in Berlin. Auf dem Panel: Luxemburger Künstler, die in Berlin arbeiten oder studiert haben, außerdem eine Kuratorin. Ich bin überrascht, dass dieses Thema genug für ein ganzes Panel hergibt. Dann aber stelle ich fest, dass Casey Detrow, die Kuratorin im Vorraum der Turnhalle eine Ausstellung kuratiert hat, und dass die Künstler auf dem Podium auch Arbeiten in der Ausstellung haben. 

"Class Trip" heißt die Schau, mit Werken unter anderem von Vince Tillotson. Der wird zuerst aufgefordert, zu erklären was er da eigentlich gemacht hat: Eigentlich wurde er gebeten, sagt er, Pflanzen beizusteuern, aber darauf hatte er keine Lust. Stattdessen fragte er sich, wie eine kommende Marsbesiedlung aussehen würde. Denn, neben den technischen Voraussetzungen, die ja schon gegeben sind, müsse man sich auch um die ästhetischen Grundbedürfnisse der Astronauten kümmern. Das Resultat ist ein Video, und, dann doch: Pflanzen, genauer eine Reihe von täuschend echt nachgebildeten Alocasiae. Kurze Peinlichkeit: Die Moderatorin möchte wissen, wie sich die Tatsache in der Kunst niederschlägt, dass Tillotson ein Trans-Mann ist. Nun, gar nicht, erklärt er, denn seine Arbeit hat nichts mit seiner Person zu tun, oder zumindest nicht mit seinem Gender. 

Das eigentliche Thema der kleinen Schau, erklärt Detrow, sei künstlerische Arbeit und die mittlerweile allgegenwärtige Thema self care, die Sorge um sich. Deswegen heißt die Arbeit auch "Class Trip". Die Kreativklasse solle sich auch auf einen Schulausflug begeben können, denn dem Künstlerprekariat zu entkommen schaffen nur wenige. Am Ende des Panels geht es doch wieder um Künstlernetzwerke, um institutionelle Unterstützung, und wo man die am besten bekommt.

Auch Luxemburger Künstler gehen nach Berlin, denn die Stadt bietet Raum und Netzwerke, erklärt Detrow. Und natürlich Kunsthochschulen. Aber kleine Länder wie Luxemburg (und man glaubt zu hören: kleine reiche Länder) bieten staatliche Unterstützung für Künstler. Dass es unter jungen Künstlern ein Konkurrenzdenken gibt, sagt Tillotson, sei übrigens Unsinn. Er spricht stattdessen von der shine theory (von der ich hier zum ersten Mal höre), die besonders in kleinen Ländern wie Luxemburg greift. Diese Theorie besagt ungefähr das: Wenn du glänzt, glänze ich auch. Der Erfolg einzelner ermöglicht ein starkes Netzwerk für alle anderen. Denn jeder ist hier ein VIP.