Galeristin Barbara Gross über Frauen in der Kunst

"Wer kämpfen muss, fühlt sich unterlegen"

Im ersten Jahr ihrer Galerie zeigte Barbara Gross ausschließlich Künstlerinnen und stieß vielfach auf Ablehnung. Dennoch arbeitete sie weiterhin mit Frauen wie Louise Bourgeois, Maria Lassnig und Nancy Spero zusammen. Ein Gespräch über den männlich dominierten Kunstmarkt und die Angst vor dem Weiblichen

Frau Gross, in Ihrer aktuellen Ausstellung "Another Normal Love" präsentieren Sie Werke der Künstlerinnen Louise Bourgeois, Maria Lassnig und Nancy Spero. Mit allen drei Künstlerinnen verbindet Sie eine langjährige Zusammenarbeit. Wie kam diese zustande?

Ich habe mit diesen drei Künstlerinnen bereits in den 80er-Jahren zusammengearbeitet – schon vor meiner Tätigkeit als Galeristin. Maria Lassnig zum Beispiel lernte ich 1981 kennen. Sie war gerade erst aus Amerika zurückgekehrt und gemeinsam brachten wir eine Edition zu ihren grafischen Arbeiten heraus. Lassnig lebte seit Ende der 60er-Jahre in New York, 1980 wurde sie als Dozentin an die Hochschule für Angewandte Kunst nach Wien berufen, dort habe ich sie dann kennengelernt. Wir haben angefangen zusammenzuarbeiten und ich begann, ihre Kunst an Museen zu verkaufen. Mit Maria Lassnig fing eigentlich alles an, durch sie begann ich damit, die Werke von Künstlerinnen zu verkaufen. Zu der Zeit gab es ja praktisch nichts auf dem Markt. Nancy Spero und Louise Bourgeois lernte ich ebenfalls in den 80er-Jahren in der Zeit vor meiner Galerie kennen. 1986 organisierte ich eine Ausstellung in der Villa Stuck, in der ausschließlich Künstlerinnen gezeigt wurden, unter anderem Nancy Spero. Louise Bourgeois stand ebenfalls auf unserer Liste, wir konnten uns jedoch den Transport der Arbeiten nicht leisten. Das waren schwere Skulpturen, die aus Amerika hätten geliefert werden müssen. Ich kannte sie bereits über eine feministische Zeitschrift aus den USA – darüber kannte ich die ganzen in Amerika tätigen Künstlerinnen, ob sie nun anerkannt waren oder nicht. Ich erinnere mich noch genau an die Abbildung einer Marmorfigur von Bourgeois. Nancy Spero war günstiger, da ihre Papierarbeiten sich natürlich einfacher verpacken und verschicken ließen.

Wie haben Louise Bourgeois und Sie sich schließlich persönlich kennengelernt?

Das war 1985, ihre Werke wurden Ende der 80er-Jahre in mehreren europäischen Ländern gezeigt. 1989 organisierte die Galerie Lelong eine umfassende Retrospektive im Frankfurter Kunstverein. Die Ausstellung wanderte danach und parallel zu der Station im Lenbachhaus 1990 durfte ich einige ihrer Zeichnungen in meiner Galerie ausstellen. Es war ein riesiges Konvolut, wir konnten gar nicht alles zeigen. Eine Zeichnung ist auch jetzt wieder in der Ausstellung zu sehen.

Gibt es etwas spezifisch Weibliches, das diese drei Künstlerinnen zusammenhält?

Bei allen dreien ist der weibliche Körper das zentrale Thema – der Körper aus der Sicht der selbstbewussten Frau und nicht aus der der klassischen Sicht des Mannes. Sie arbeiteten im Bewusstsein als Frau und mit der Erfahrung als Frau. Der weibliche Körper ist Gegenstand ihrer Kunst, ihrer Auseinandersetzung, ihrer Untersuchung und die Ebene, auf der sie ihre persönlichen Erlebnisse verarbeiteten konnten.

Sie sagten, dass es in den 80er-Jahren kaum Künstlerinnen auf dem Markt gab. Auch Bourgeois, Lassnig und Spero erhielten erst relativ spät Anerkennung. Woran lag das und was hat sich in den vergangenen 25 Jahren verändert?

Woran es damals lag und auch heute noch liegt: Es interessiert nicht, es wird nicht als wichtig wahrgenommen. Natürlich hat sich etwas verändert in den vergangenen Jahren, die drei haben ihre Anerkennung erhalten in Form von großen Ausstellungen – Louise Bourgeois dabei sicherlich am stärksten, Nancy Spero eher weniger. Aber Sie glauben nicht, was ich zu hören bekam in den ersten zehn Jahren, in denen ich mit diesen Künstlerinnen arbeitete. Die Museumsdirektoren haben auf Maria Lassnig mit größter körperlicher Abneigung reagiert. Es fielen Sätze wie "Ich bin froh, dass ich das nicht gekauft habe" oder "Was die macht, ist fürchterlich".

Kamen solche Reaktionen ausschließlich von Männern?

Keinesfalls, diese Reaktionen kamen durchaus auch von Frauen – der eine Satz, den ich als Beispiel nannte, stammt von einer Frau. Malerei war in den 80ern angesagt und Lassnig war nicht vollkommen unbekannt, es gab einige, die sie mochten, aber eben nicht die Direktoren von Museen. Die Brutalität, mit der sie ihren Körper darstellte, wirkte abschreckend – in den 90er-Jahren wurde sie noch radikaler. Man muss sagen, dass sie in Österreich schon früh sehr geschätzt wurde, ihre Arbeiten hingen in jedem Museum, in Deutschland gab es jedoch lange keinen Markt für sie. Das einzige Museum, in dem sich damals eine Arbeit von ihr befand, war die Hamburger Kunsthalle. Werner Hofmann, ein Österreicher, hatte ein Werk von ihr erworben. Heute ist man sehr viel offener, wobei es gerade bei Maria Lassnig nicht ganz einfach ist. Sie hatte immer schon Probleme damit, ihre Werke zu verkaufen. Sie waren wie ihre Kinder und es war Lassnig wichtig, was mit den Arbeiten passierte – selbst bei Museen war sie kritisch. Ende der 80er-Jahre hat sie aufgehört, mit Galerien zu arbeiten und Ausstellungen zu organisieren. Sie lebte bis zu ihrem Tod äußerst sparsam und reagierte vorsichtig bis misstrauisch auf ihre Umwelt. Wenn man sie zum Abendessen einladen wollte, war ihr das schrecklich unangenehm und sie vermutete stets eine Absicht dahinter.

Lag das an den Erfahrungen, die sie in der Kunstszene machen musste?

Das lag sicherlich zu einem großen Teil an ihren Erfahrungen. Sie war sehr an der Kunstwelt interessiert und wusste genau, was in der Szene passierte. Was sie erlebte, verarbeitete sie in ihren Werken. Louise Bourgeois war da ganz ähnlich wie Lassnig. Kunst war für sie eine Lebensnotwendigkeit, auch aus psychologischen Gründen – sie verarbeitete so ihre schwierige Familiengeschichte. Es war für sie lange eine absolute Notwendigkeit, diese Dinge aus dem Unbewussten kommen zu lassen. Trotz ihrer drei Kinder hat sie jeden Tag von früh bis spät in ihrem Atelier gearbeitet. Aber ihr war genau wie Maria Lassnig bewusst, dass sie als Frau keine Anerkennung bekommen würde.

Nahmen sich Bourgeois, Lassnig und Spero aufgrund dieser offensichtlichen männlichen Dominanz auf dem Kunstmarkt als Feministinnen wahr?

Louise Bourgeois war keine Feministin, sie hat nie mit ihrer Kunst kämpfen wollen. Nancy Spero hat eine etwas andere Entwicklung gemacht, sie war ein politischer Mensch und sah die Probleme, die einer Frau wiederfahren, als gesellschaftliche und politische Situationen, nicht als persönliche. Dafür hat sie sich eingesetzt. Weder bei Bourgeois noch bei Lassnig war das Movens, Kunst zu machen, politischen Ursprungs. Sie mussten sich einfach künstlerisch ausdrücken.

Obwohl sich diese drei Künstlerinnen relativ schlecht verkaufen ließen, haben Sie mit ihnen zusammengearbeitet. Warum waren Sie so von ihnen überzeugt?

Ich habe mir die Kunst angeschaut und fand sie einfach unglaublich gut. Ich war so klar überzeugt von dieser großartigen, eigenständigen Kunst – die Arbeiten waren mit nichts vergleichbar. Und das ist es doch, was man sucht. Es gab zu der Zeit ja auch viele andere starke Künstlerinnen, aber das hat niemanden interessiert. Die Ablehnung resultierte aus einer gewissen Blindheit und einem Scheuklappen-Denken. Männer wollten die Kunst Maria Lassnigs beispielsweise nicht kaufen, da sie als Frau hätte schwanger werden können und dann hätte sie ja nicht mehr gearbeitet. Sie war damals über 70, das muss man sich mal vorstellen. Ich habe mich gefragt, ob sich diese Leute die Kunst überhaupt anschauen. Das ist heute noch immer so. Man kauft, weil es heißt, es sei wichtig, nicht, weil es wirklich gut ist. Kunst ist immer auch ein gesellschaftliches Spiel.

Gibt es aufgrund dieser Schwierigkeiten eine besondere Solidarität zwischen Künstlerinnen und Galeristinnen?

Die gibt es sicherlich. Besonders mit Lassnig und Spero gab es eine enge Solidarität. Maria Lassnig war dankbar für die Unterstützung, wir waren einander sehr freundschaftlich verbunden. Sie hat jedoch gemerkt, dass es für mich nicht leicht war und dass ich kämpfen musste. Beim Verkauf ihrer Werke konnten Männer ihr mehr helfen. Aber Frauen müssen zusammenhalten.

Inwiefern haben Sie selbst den männlich dominierten Kunstmarkt zu spüren bekommen? Wurden Sie benachteiligt oder herablassend von Kollegen behandelt?

Als ich anfing als Galeristin, habe ich schon im ersten Jahr viele Künstlerinnen gezeigt. Man hat natürlich seine Freunde in der Kunstszene, die sind damals in die anderen Galerien gegangen und haben von mir und meiner Arbeit erzählt. Die Reaktion war fast überall: "Die zeigt ja nur Frauen, das ist keine Konkurrenz." Wenn du dich mit dem schwachen Geschlecht zusammentust, hast du auch eine schwache Position – oder zumindest keine einfache. Ein Kurator begrüßte mich einmal mit den Worten: "Die Gross kämpft ja immer für ihre Künstlerinnen." Das fand ich nicht besonders schmeichelhaft. Es heißt: "Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Trotzdem gilt, wer kämpfen muss, fühlt sich unterlegen. Das Zitat ist ein sehr deutsches oder westliches. Die Chinesen dagegen sagen: "Nicht der Sieg des Feldherren sollte gefeiert werden, sondern dem Feldherrn, der ohne Krieg den Feind besiegt, gilt der Triumph." Daran habe ich versucht, mich zu halten. Das heißt, nie Aggression einzusetzen, sondern mit List und Überzeugungskraft, mit Argumenten und Beispielen und Entwaffnung zu arbeiten.

Wie betrachten Sie die heutige Situation? Vor kurzem wurde ein Liste mit den kommerziell erfolgreichsten Künstlern des vergangenen Jahres veröffentlich, unter den ersten 25 findet sich keine einzige Frau. Bemerken Sie dennoch eine positive Entwicklung auf dem Kunstmarkt?

Die Preise von männlichen und weiblichen Künstlerinnen unterscheiden sich noch immer stark, die Nachfrage nach Künstlerinnen ist geringer und es wird noch lange dauern, bis sich das ändert. Das betrifft nicht nur die Kunst, man merkt das auch an dem lauter werdenden Ruf nach mehr Frauen in Führungspositionen. Es kommen aber auch immer mehr Männer, jüngere Kuratoren, die eine positive Einstellung haben. Wir haben viel über negative Erfahrungen gesprochen, aber ich sollte auch sagen, wo früher vielleicht Häme herrschte und die Arbeit, die man mit der Galerie geleistet hat, nicht besonders geschätzt wurde, erfahre ich heute viel Anerkennung und Akzeptanz. Es braucht Erfahrung, damit sich in der Gesellschaft etwas ändert. Die Menschen müssen die Erfahrung machen, das Frauen genauso viel wert sind, wie Männer.