Streit in Dessau

Wer wird neuer Chef am Bauhaus?

Dessau-Roßlau (dpa) - Am weltweit bekannten Bauhaus Dessau, der Ikone der Klassischen Moderne, schlägt nach monatelangem Gezerre die Stunde der Wahrheit: Der Stiftungsrat kommt am Freitag zusammen, um hinter verschlossenen Türen endgültig über die Zukunft des Architekten und Publizisten Philipp Oswalt zu entscheiden. Es gilt als nahezu sicher, dass er seinen Platz als Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau spätestens zum 1. März 2014 räumen muss.

Und warum? Darüber wird in Sachsen-Anhalt viel geschwiegen. In der Öffentlichkeit sorgt der geplante «Rauswurf» von Oswalt angesichts nebulöser Erklärungsversuche der Landespolitik für Unverständnis. Niemandem sei gekündigt worden. Ein befristeter Vertrag laufe aus, sagte Kultusmister Stephan Dorgerloh (SPD), der Vorsitzende des Stiftungsrates.

Der gebürtige Frankfurter Oswalt hatte 2009 den Direktorenposten bekommen. Kritiker werfen ihm vor, nicht kooperativ genug zu sein. Sicher ist: Er war oft unbequem mit Forderungen und Thesen, etwa zum genauen Standort eines in Dessau geplanten Bauhaus-Museums. Ob er sich bei einer Neuausschreibung der Stelle bewerben wird, wisse er noch nicht, sagte Oswalt.

Als wahrscheinlich gilt, dass er zurück an die Universität nach Kassel gehen wird, wo er bis 2009 lehrte, wenn er nicht weiter in Dessau arbeiten will. Oswalt lebt mit seiner Familie in Berlin. Für den Verbleib des Intellektuellen am Bauhaus sprachen sich in einem offenen Brief an den Stiftungsrat spontan rund 100 Befürworter aus der Kunst- und Architekturszene im In- und Ausland aus.

Publizist Diedrich Diederichsen, Nikolaus Hirsch, der Direktor der Städelschule und der Direktor des Museums Tate Modern London, Chris Dercon, gehören zu den Erstunterzeichnern. Ob sich der Stiftungsrat unter Vorsitz von Dorgerloh davon umstimmen lassen wird, bleibt abzuwarten. Doch es geht bei der Entscheidung des Gremiums nicht nur um die Personalie Oswalt, sondern um viel mehr.

2019 jährt sich die Gründung des Bauhauses zum 100. Mal. Das 1925/26 entstandene Dessauer Gebäude mit der markanten Glasfassade gehört zum Unesco-Welterbe. Und Dessau soll laut Oswalt bei der Vorbereitung des Jubiläums der Kunst- und Designschmiede gemeinsam mit den anderen Bauhaus-Städten Weimar und Berlin eine Schlüsselrolle einnehmen. Er befürchtet, dies könnte angesichts von Vakanzen während der Ausschreibungszeit bis zu einer Neubesetzung der Stelle des Dessauer Stiftungsdirektors schief gehen, der Ruf des Bauhauses Schaden erleiden.

Dorgerloh argumentiert, würde jetzt nicht die Stelle neu ausgeschrieben, müsste man dies 2018 machen, also ein Jahr vor dem Jubiläum, «zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt».

Die Stiftung Bauhaus Dessau wurde 1994 als gemeinnützige Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet. Oswalts Vorgänger Omar Akbar war zwei Amtszeiten bis 2009 Direktor. Zu den Aufgaben der Stiftung gehört es, das historische Erbe des Bauhauses zu bewahren, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für große Resonanz sorgten unter der Leitung von Oswalt Ausstellungen, etwa zur Kibbuz-Bewegung in Israel oder der Einfluss des Bauhauses auf die indische Avantgarde.

Dorgerloh möchte aber weit mehr. «Das Bauhaus soll noch stärker als bisher als ein Zentrum der Moderne in den Blickpunkt der Welt rücken.» Anfang Oktober hatte sich der Stiftungsrat in einer schriftlichen Abstimmung laut Dorgerloh einstimmig für eine Neuausschreibung der Dessauer Direktorenstelle ausgesprochen. Nachvollziehbare Gründe seien ihm nicht genannt worden, meinte Oswalt. Dem Stiftungsrat gehören Vertreter des Landes, des Bundes und der Oberbürgermeister von Dessau-Roßlau, Klemens Koschig (parteilos), an.

«Wenn ich nicht solch eine Unterstützung aus dem internationalen Kontext, aus der Stadt, hier aus dem Hause, auch von der Familie und Freunden gehabt hätte, dann hätte ich mich anders verhalten», sagte Oswalt zum Rückhalt, den er habe.