Wie Hans-Ulrich Obrist berühmte Kuratoren interviewte und dabei ins Schwafeln geriet

Seine Arbeit sei ein Protest gegen das Vergessen, umschrieb Hans-Ulrich Obrist, der Schweizer Starkurator und Kodirektor der Londoner Serpentine Gallery, kürzlich sein kuratorisches Projekt. Derselben Direktive folgen auch die zahlreichen Interviewbände, die der 41-Jährige in den vergangenen Jahren veröffentlicht hat. Seine Publikationen von Gesprächen mit Künstlern und Ausstellungsmachern gehen inzwischen in die Dutzende. Das neueste Ergebnis heißt „A Brief History of Curating“.
Eine Geschichte des Kuratierens, die durch Interviews mit elf Protagonisten erzählt wird – das Konzept klingt aufschlussreich. Leider misslingt die Umsetzung weitgehend, obwohl Obrist noch die Möglichkeit hatte, inzwischen verstorbene Größen wie Harald Szeemann, Walter Hopps, Pontus Hultén oder Johannes Cladders zu befragen.
Wie wenig man trotz dieses Potenzials beim Lesen lernt, ist die eigentliche Enttäuschung. Obrist fällt über die intellektuellen roten Fäden, die er sich selbst auslegt. Er fokussiert zu sehr auf die Durchsetzung von Gegenwartskunst in den europäischen Häusern der 60er-Jahre, in denen Rauschenberg, Beuys und Kollegen so lange tabu waren, bis Revolutionäre wie Szeemann an die Macht kamen. Wäre da die Pionierarbeit von amerikanischen Galeristen wie Leo Castelli oder von Kunstvereinen wie in Köln und Düsseldorf nicht ein ergiebigerer Ansatzpunkt gewesen?
Außerdem kommt Obrist immer wieder auf die Idee vom „Museum als Laboratorium“ zurück und stülpt damit ein Konzept aus der Diskurskunst der 90er-Jahre auf eine historische Bewegung, die ganz andere gesellschaftliche Ziele hatte.
Überhaupt spricht der Autor mit seinen Gegenübern, als wüsste er im Grunde schon alles. Selten fragt er genauer nach den Begleitumständen von Ausstellungen, nach persönlichen Motivationen oder Rückschlägen, nach dem also, was in der Luft einer Schau oder in den Lücken einer Biografie liegt. Heraus kommt keine Geschichte des Kuratierens, sondern eine große Blase Altherrentum mit viel Name-Dropping und Informationen über das Museumspostenkarussell von vor 40 Jahren.
So lobenswert Hans-Ulrich Obrists Projekt ist – gegen das Vergessen vergangener kuratorischer Leistungen wird dieses Buch nicht helfen.

 

Hans-Ulrich Obrist: „A Brief History of Curating“.

JRP Ringier, 244 Seiten, 15 Euro