Florian Waldvogel

"Wir wollen den Besucher nicht bevormunden"

Herr Waldvogel, seit Januar sind Sie neuer Leiter des Hamburger Kunstvereins, die Eröffnung der ersten von Ihnen verantworteten Ausstellungen wurde Ende März gefeiert. Sie dürfen eine erste Bilanz wagen!
In Süddeutschland gibt es das Vorurteil, dass der Hamburger kalt und steif sei. Aber ich habe bislang nur die besten Erfahrungen gemacht: Die Leute sind sehr gastfreundlich, wir wurden gut aufgenommen. Kürzlich feierten wir die erste Ausstellungseröffnung, und der Mitarbeiter, der schon seit zwanzig Jahren bei uns den Empfang betreut, meinte, es war die bestbesuchte Vernissage seiner Dienstzeit.
 
Die Leute sind neugierig auf Sie. Was wird sich ändern im Kunstverein mit Ihnen als neuer Leiter?
Wir haben alle Räume entkernt und stellen verschiedene Ausstellungsformate vor. Im Obergeschoss wird sichtbar, wie eine Ausstellung entsteht: Dort zeigen wir Kostis Velonis; seine Installation bleibt bis Ende des Jahres dort und verändert sich sukzessive, im Juli kommen Arbeiten von Karla Black hinzu und im September ein dritter Künstler. Im unteren Ausstellungsraum finden klassische White-Cube-Ausstellungen statt, im Moment zeigt Tatiana Trouvé dort ihr "Bureau of Implicit Activities". Den ehemaligen Garderobenbereich haben wir in einen Ausstellungsraum transformiert, hier wird die Geschichte des Kunstvereins anhand von exemplarischen Ausstellungen aus der Vergangenheit vorgestellt. Zur Zeit sind hier Blinky Palermo, Hanne Darboven und Dieter Roth zu sehen. Und im Foyer liegt der "Sleeping Buddha" von Daniel Milohnic, der uns das ganze Jahr begleiten wird. Insgesamt stehen uns jetzt vier Ausstellungsräume zur Verfügung, bislang waren es zwei.
 
Die Künstler Ihrer Eröffnungsausstellungen sind allesamt um 1969 geboren. Ist das eine Generation - Ihr Jahrgang -, der Sie ganz besonders viel Raum schenken werden?
Das Alter der jeweiligen Künstler ist mir egal, mich interessiert die Qualität ihrer Arbeit und wie sich diese im gesellschaftspolitischen Kontext verorten lässt.
 
Die große, liegende Buddha-Figur steht für mehr Gelassenheit in der Betrachtung zeitgenössischer Kunst, für einen "fehlerfreundlichen Umgang mit Nichtwissen", wie es auf Ihrer Internetseite heißt. Was meinen Sie damit?
Wir möchten mir diesem Bild, das jedem vertraut scheint, ein neues Besucherklientel abseits des klassischen Kunstpublikums ansprechen. Mit Taiana Trouvé und Kostis Velonis erwarten den Besucher dann zwei komplexe Positionen im Kunstverein. Dazwischen wirkt der Buddha wie ein Scharnier: Wenn man einen Ausstellungsraum verlässt, begegnet man ihm wieder. Wir wollen den Besucher nicht bevormunden, sondern bestimmte Möglichkeiten zulassen, wie er oder sie reagieren, Dinge erkennen und Fehler machen kann.

Gleichzeitig suchen Sie auch den Anschluss an den professionellen Kunstbetrieb und an akademische Institutionen wie der Hamburger Kunsthochschule und dem Institut für Sozialforschung. Wie können Kunst und Theorie sich gegenseitig stützen?
Das eine kann nicht ohne das andere existieren. Wir suchen vielfältige Vermittlungsformen. Deshalb würde ich auch gerne mit dem Institut für Sozialforschung zusammenarbeiten, das ein ganz anderes Aufgabengebiet hat als eine klassische Kunstinstitution. Zu den neuen Vermittlungsformen gehört aber auch der Stammtisch für Mitglieder, den wir jeden Mittwoch Mittag veranstalten. Wir bieten Führungen an, bei denen die Kuratoren oder ich, aber auch unser Aufbauteam oder das Kassenpersonal eine je eigene Sicht der Dinge erläutern. Wir planen die Reihe "Durch die Nacht mit Florian Waldvogel": Ich fliege abends mit den Teilnehmern in eine andere Stadt, dort treffen wir Kulturproduzenten und - reisen am nächsten Morgen ohne Übernachtung zurück. Außerdem gibt es die Reihe "Members Only", das ist eine Überraschungsveranstaltung, bei der vorher nicht bekannt ist, was einen erwartet.