Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Bergen, Berlin, Bonn, Bruchsal, Derneburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln, Mannheim, München, Potsdam und Wien

Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Website.

Samische Architektur in Bergen

Architektur, die nicht durch die ästhetischen Regeln des Westens reguliert wird: daran forscht der norwegisch-samische Künstler Joar Nango und lässt sich dabei von den schöpferischen indigenen Bauweisen seiner nordischen Vorfahren inspirieren. So nähten die Sami zum Beispiel transparente Fenster aus getrockneten Heilbuttmägen – ihr Handwerk war von Flexibilität, Improvisation und Naturnähe geprägt. Diese architektonischen Perspektiven, von denen viele im Zuge der Kolonisierung verloren gingen, will Nango in seinen wandelbaren skulpturalen Installationen wiederentdecken, ausprobieren und wertschätzen. Die Ausstellungsräume in Bergen verwandelt er in ein soziales Experimentierfeld, das im Austausch mit einer Reihe interdisziplinärer Experten lebendig wird.

″Joar Nango″, Bergen Kunsthall, bis 8. November


Grüne Städte(r) der Zukunft in Berlin

Nachhaltigkeit und Stadt – geht das zusammen? Die Macher der Ausstellung ″Urbainable – stadthaltig″ in der Akademie der Künste in Berlin jedenfalls sind davon überzeugt, dass hier kein Gegensatz bestehen muss, sondern der verantwortungsbewusste Umgang mit den Funktionsweisen der Stadt eine nachhaltigere Existenz bedingen kann. Kuratiert unter anderem von Architekt Matthias Sauerbruch, ist die Schau mit bereits realisierten und sich in Planung befindenden Projekten eine nach vorne schauende Bestandsaufnahme zu den Themen Mobilität, Innovation, Bewahren und Erneuern im Stadtraum.

″Urbainable – stadthaltig. Positionen zur europäischen Stadt für das 21. Jahrhundert″, Akademie der Künste, Berlin, bis 22. November


Weltgeschichten auf der 11. Berlin Biennale

Während viele der anderen großen Kunstausstellungen weltweit abgesagt wurden, hat man die 11. Berlin Biennale nur auf den Herbst verschoben. Unter Einhaltung der gebotenen Hygieneregeln können Besucherinnen und Besucher an den vier Standorten nun also trotzdem einen Großteil der für die große Schau nach Berlin gebrachten Kunstwerke betrachten. Allerdings fehlen einige Künstlerinnen und Künstler, die zum Beispiel aus Südamerika nicht anreisen konnten. Thematisch geht es in der "Epilog" genannten Biennale-Ausgabe verstärkt um feministische Themen.

Eine ausführliche Preview lesen Sie hier

11. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, Institut Kunst Werke, Daad-Galerie, Martin-Gropius-Bau und ExRotaprint-Projektraum, bis 1. November


Eine Handvoll Staub in Berlin

Die monumentale Ehrenhalle auf dem Berliner Friedhof Lilienthalstraße, erbaut 1941 während der NS-Zeit, verwandelt sich temporär in einen Ausstellungsraum. Den historisch aufgeladenen Ort bespielen Ann Duk Hee Jordan und Viron Erol Vert, die sich in der Schau "A Handful of Dust" mit der Komplexität von Geschichtsschreibung auseinandersetzen. An den Wochenenden im September finden außerdem Performances und Vorträge statt.

"A Handful of Dust", Ehrenhalle auf dem Friedhof Lilienthalstraße, Berlin, bis 27. Septemner


Aby Warburgs Bilderatlas in Berlin

Er suchte Verbindungen und Querverweise über Kulturgrenzen hinweg, anstatt Kunstgeschichte weiter nach linear-chronologisch zu betrachten: Als Aby Warburg nach 1929 seinen Bilderatlas "Mnemosyne" präsentierte, war das etwas radikal Neues in der Kunstwissenschaft. Die 400.000 Objekte umfassende "Mindmap", die Warburg nach der griechischen Schutzgöttin des Gedächtnisses benannte, ist seitdem kunstwissenschaftlicher Forschungsgegenstand und immer wieder diskutiert und rekonstruiert worden. Doch erst jetzt ist es dem Publizisten Roberto Ohrt und dem Künstler Axel Heil gelungen, aus dem Riesenbestand an Fotografien, die das Warburg Institute in London verwahrt, die originalen Abbildungen auszusuchen und sie in ihrer ursprünglichen Anordnung zu präsentieren.

″Aby Warburg: ″Bilderatlas Mnemosyne – The Original″, Haus der Kulturen der Welt, Berlin, bis 30. November


Julius von Bismarck spielt mit dem Feuer in Bonn

Der Berliner Künstler Julius von Bismarck hat sich die genaue Betrachtung der Natur und die Schaffung von zeitgemäßen Naturbildern zur Aufgabe gemacht. Allerdings packt er die Sache völlig anders an als die Romantiker und scheut dabei keine Extreme: Er setzte sich auf einer rasant rotierenden Scheibe den Fliehkräften aus, ging in den USA auf Hurrikan-Jagd und fing in Venezuela Blitze ein. In der Bonner Ausstellung "Feuer mit Feuer" erforscht er die Ästhetik von Waldbränden, die er ebenfalls hautnah erlebt hat.

″Julius von Bismarck – Feuer mit Feuer″, Bundeskunsthalle, bis 24. Januar 2021


Barbie als Businesswoman in Bruchsal

Astronautin, Präsidentschaftskandidatin, Imkerin: Die wohl berühmteste Puppe der Welt hat seit 1959, als Barbie-Erfinderin Ruth Handler sie mit ihrem Mann Elliot auf den Spielwarenmarkt brachte, schon viel erlebt. Das Bruchsaler Schloss zeigt in der Ausstellung "Busy Girl – Barbie macht Karriere" die verschiedenen Modetrends, Berufe und teils auch körperlichen Veränderungen der Barbie-Puppe. Gerade in den letzten Jahren machte der meist hellhäutige, langbeinige Körper der Puppe einen Wandel durch. In Bruchsal steht unter anderem eine Barbie mit mehr Rundungen, eine Barbie im Rollstuhl und eine Puppe der afroamerikanischen Mathematikerin Katherine Johnson, deren große Rolle bei der ersten bemannten Mondlandung erst im Film "Hidden Figures" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Ein Teil der Puppen ist aus der privaten Sammlung von Bettina Dorfmann, die den Angaben nach mit rund 18.000 Puppen weltweit die meisten Barbies besitzt.

″Busy Girl – Barbie macht Karriere″, Schloss Bruchsal, bis 21. Februar 2021


Berliner Kunst im niedersächsischen Derneburg

Nach der monatelangen coronabedingten Schließung öffnen an diesem Wochenende Teile des Museums Schloss Derneburg mit einer hochkarätigen Ausstellung wieder. Unter dem Motto "Berlin kommt nach Niedersachsen" präsentieren die Hall Art Foundation und die Berliner König Galerie im Schloss Derneburg eine Ausstellungsreihe mit Arbeiten von in Berlin lebenden Künstlern. In einer umgebauten Scheune sind Werke von Norbert Bisky, Ólafur Elíasson oder Jonathan Meese unter dem Titel "Szene Berlin" zu sehen. Zudem werden Katharina Grosse, Karl Horst Hödicke sowie Johannes Kahrs in Einzelausstellungen präsentiert. Tickets müssen nach Museumsangaben vorab online erworben werden. Die Burganlage im Landkreis Hildesheim diente jahrhundertelang als Kloster, von 1976 bis 2006 war sie Wohnsitz und Atelier des Malers Georg Baselitz. Seit 2006 befindet sich Schloss Derneburg im Besitz des amerikanischen Kunstsammlers Andrew Hall. Insgesamt umfassen die Sammlungen der Stiftung sowie von Andrew und Christine Hall rund 5000 Werke internationaler Künstler. Das Schloss wird neben Ausstellungsorten der Hall Art Foundation in den USA genutzt, um die Arbeiten öffentlich zugänglich zu machen.

Museum Schloss Derneburg, ab 6. September
 

Simon Denny in Düsseldorf

Unsere digitalisierte Welt wird immer komplizierter. Einer, der sie versteht und deshalb kritisiert, ist der 1982 geborene Neuseeländer Simon Denny. Der Absolvent der Frankfurter Städelschule ist ein digitaler Player, der die datenhungrigen Profiteure der technokapitalistischen Gegenwart immer im Auge behält. Unter dem mehrdeutigen Titel "Mine" zeigt das K21 Denny Auseinandersetzung mit dem komplexen Motiv der analogen und digitalen Wertschöpfung. Von der Förderung seltener Erden für die Herstellung von Smartphones über den Raubbau an Mensch und Natur durch Rohstoffgewinnung bis zum virtuellen Abbau von Informationen lässt sich ein globales Narrativ entwickeln, das von der Industrialisierung bis in die klimagewandelte, digital verminte Zukunft führt. Doch Denny ist kein Pessimist, zusammen mit der Gerichtszeichnerin Sharon Gordon stellt er sich alternative Entwicklungen vor und entwirft beispielsweise einen spekulativen Prozess gegen Führungskräfte von Bergbauunternehmen.

″Simon Denny. Mine″, Kunstsammlung NRW, bis 17. Januar 2021


Ein Wochenende für die Kunst in Düsseldorf und Köln

Ihre erbitterte Rivalität in Karnevalsdingen ist verbürgt, in Sachen Kunst könnten Köln und Düsseldorf jedoch kaum enger miteinander verbunden sein: Mit der DC Open starten die Galerien der Rheinmetropolen schon zum zwölften Mal gemeinsam in die Saison. Die konzertierte Galerieöffnung in beiden Städten bietet an einem Wochenende eine ungeheure Vielfalt an Farben, Formen und Medien. Das hat den Vorteil, dass Galeriebesucher*innen entweder schon hinter der nächsten Ecke oder eben eine kurze Bahnfahrt später in ganz unterschiedliche künstlerische Welten eintauchen können.

DC Open – Düsseldorf Cologne Open Galleries 2020, bis 6. September

 

Frankfurt Art Experience am Main

Eine Messe wie letztes Jahr, kann es wegen Corona nicht geben – trotzdem lockt Frankfurt mit einer Vielzahl von "Art Experiences". Die Frankfurter Galerien läuten den Saisonstart mit hochkarätigen Ausstellungen ein, daneben gibt es ein Programm aus Talks und Führungen. Dabei kommt Besucherinnen und Besuchern ein Charakterzug der Metropole entgegen: Denn obwohl Großstadt, ist Frankfurt herrlich kompakt, sodass man den Galerierundgang nicht nur durch das Bermudadreieck Fahrgasse-Brauchbachstraße-Berliner Straße (Frankfurts Gegend mit der höchsten Galeriendichte) gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad unternehmen kann.

Eine ausführliche Vorschau lesen Sie hier

Frankfurt Art Experience, bis 6. September


Emma LaMorte in Köln

Der derzeitige Sitz des Kölnischen Kunstvereins ist ein architektonisches Juwel der Nachkriegszeit – das jetzt auch künstlerische Würdigung findet: In ihrer ersten Solo-Ausstellung "Aussicht" produziert die kanadische Künstlerin Emma La Morte in einem Projektraum im zweiten Stock ein großes textiles Werkstück, das sich mit den Formen des von Wilhelm Riphahn entworfenen Baus auseinandersetzt. Nähend und quiltend bezieht sie sie in eine ganze Landschaft ein, wobei die Begriffe von Innen und Außen aufgehoben werden.

″Emma LaMorte: Aussicht″, Kölnischer Kunstverein, 5. September bis 18. Oktober


Jörg Brüggemanns Autobahnen in Mannheim

Zwischen tempolimitlosem Freiheitsgefühl und Stau-Realität: Die deutsche Autobahn ist ein einzigartiger Ort. Über 13.000 Kilometer Stahl, Beton und Asphalt verbinden Rhein mit Oder und Nordsee mit Alpen. Bevor sich in den nächsten Jahren das Bild auf unseren Autobahnen durch Elektroautos, Carsharing und automatisiertes Fahren radikal ändern wird, hält Jörg Brüggemann noch einmal fest, wie umfassend der Verbrennungsmotor die Mobilität des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Für sein Fotoprojekt ist Brüggemann fünf Jahre auf und längs den deutschen Autobahnen gefahren. Durch die Jahreszeiten ist er neben und auf ihr gereist und hat sie fotografiert. Damit schuf er ein bildnerisches Zeitdokument über Deutschland und seine Autobahn – diesen riesiger Teppich aus Asphalt und Beton, der sich über die Landschaft gewebt hat.

″Jörg Brüggemann: wie lange noch″, Zephyr - Raum für Fotografie, Mannheim, 5. September bis 6. Januar 2021


Michael Armitage in München

Der britisch-kenianische Künstler Michael Armitage, Jahrgang 1984, wuchs in Kenia auf und erhielt seine künstlerische Ausbildung in London. Heute pendelt er zwischen London und Nairobi – und auch in seiner Kunst mischen sich Europa und Afrika: Indem er motivisch, farblich und kompositorisch Tizian, Manet, Gauguin oder Schiele zitiert, löst Armitage Déjà-vu-Effekte bei denjenigen aus, die mit europäischer Kunstgeschichte vertraut sind. Andererseits ist seine Palette und Symbolik unübersehbar von ostafrikanischen Kunstschaffenden des 20. Jahrhunderts inspiriert. Zudem malt er mit Ölfarben nicht auf Leinwand, sondern auf Lubugo, einem Tuch, das aus der Rinde eines afrikanischen Feigenbaums gewonnen wird. Die Ausstellung "Paradise Edict" ist die erste große in einem Museum für den kommenden Träger des renommierten Ruth-Baumgarte-Preises. Sie umfasst vier seit 2014 entstandene Werkgruppen, wie die "Kenyan Election Series", in der Armitage seine Erlebnisse während der Unruhen nach der umstrittenen kenianischen Parlamentswahl von 2017 künstlerisch verarbeitet.

″Michael Armitage: Paradise Edict″, Haus der Kunst, München, bis 14. Februar 2021


Impressionistische Superstars in Potsdam

Sie hingen bereits in London, Paris und Madrid – und ab jetzt in Potsdam. Mehr als 100 impressionistische und nach-impressionistische Werke aus der Sammlung des Mäzens Hasso Plattner werden ab dem 5. September dauerhaft im Museum Barberini gezeigt werden. Darunter 34 Werke von Claude Monet, so viele hat – außerhalb von Paris – kein anderes Haus in Europa. Daneben gibt es Gemälde von Malern wie Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley und Paul Signac. Anders als in vorangegangenen Ausstellungen sind sie jetzt nicht mehr zeitlich, sondern anch Themen sortiert. Durch die Anordnung werde für Besucher die Geschichte des Impressionismus nacherzählt – konzentriert auf den Blick der Maler.

"Impressionismus. Die Sammlung Hasso Plattner", Museum Barberini, ab 5. September


Curated By in Wien

Die wichtigsten Wiener Galerien laden in diesem Kunstherbst wieder zum Galerien-Festival Curated By. Dabei entwerfen eingeladene Gäste die Ausstellungen in den verschiedenen Räumen zu einem übergeordneten Thema. Dieses lautet in diesem September "Hybride", Mischwesen. In seinem Essay dazu spannt der britische Theoretiker Orit Gat den Bogen von den Seejungfrauen und Minotauren der Mythologie bis zu heutigen Transgendertheorien. Die Ausstellungen des Festivals werden diesmal von Kuratoren wie Bonaventure Soh Bejeng Ndikung und Hans Ulrich Obrist oder von Künstlerinnen wie Kris Lemsalu und Sarah Lucas verantwortet.

"Curated By Vienna", Wien, 5. bis 26. September