Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Bonn, Chemnitz, Hamburg, Luxemburg, München, New York, Paris und Ulm


Albernheit und Enthusiasmus in Bonn

Quatsch, Blödelei und Kitsch in der Kunst sind das Thema einer Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle. Die Schau zeigt Werke von rund hundert Künstlern vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Darunter sind Arbeiten von Pieter Bruegel dem Älteren und Marcel Duchamp, vom Surrealisten René Magritte, bis zu Sigmar Polke und Martin Kippenberger.

Dabei geht es in Malerei, Skulptur, Foto und Film um ein Augenzwinkern, das nicht eingeht auf Moralvorstellungen, Althergebrachtes oder Dogmen der Avantgarde. "Indem es sich gegen den Gebrauch von Kultur zur Einschüchterung, zur Absicherung unverdienter Privilegien wendet, zeigt dieses Lachen, wie Autorität ihren Halt verliert", so die Bundeskunsthalle. Gezeigt werden ehrwürdig-komische Porträts von Menschen mit Silberblick, Stillleben mit Wurstscheiben und provokante Dada-Arbeiten.

Nach der Station in Bonn soll die Schau in Hamburg in den Deichtorhallen/Sammlung Falckenberg und anschließend in der Halle für Kunst in Graz gezeigt werden. (dpa)

"Ernsthaft?! Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst", Bundeskunsthalle, Bonn,  bis 10. April 2023


"Present Perfect" in Chemnitz

Das Museum Gunzenhauser in Chemnitz stellt in einer Sonderschau Neuerwerbungen der Bundeskunstsammlung vor. Aus rund 360 Ankäufen der vergangenen fünf Jahre wurden dafür etwa 50 Arbeiten von 44 in Deutschland lebenden Künstlerinnen und Künstlern ausgewählt, die sich Themen wie Migration, Identität, Stereotype, aber auch Macht und Autorität widmen. Titelgebend für die Sonderschau "Present perfect", die am Samstag eröffnet wird und bis Mitte Februar zu sehen ist, ist eine Leinwandarbeit der in Kabul geborenen Künstlerin Tamina Amadyar.

Zu sehen ist zudem eine Installation von Silke Wagner: Der Schriftzug "Die Deutsche Bevölkerung" in verschiedenfarbig leuchtenden Lettern. In Anlehnung an die Inschrift "Dem deutschen Volke" am Berliner Reichstagsgebäude setzt sie so farblich Menschen mit rassistischen und rechtsextremen Einstellungen ins Verhältnis zur sogenannten stillen Mitte. Von Nasan Tur wird eine Serie von Tuschezeichnungen zum Wort "Kapital" gezeigt, Benedikt Terwiel spürt in Fotografien einem verschwundenen Imbiss in Berlin als Symbol für das sich verändernde Stadtbild und die Folgen der Gentrifizierung nach. Derweil bildet Lena Henke in einer riesigen Fotografie in Kondome gezwängte Männerfüße ab - der Rest des Körpers ist ausgeblendet.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Bundeskunsthalle sowie dem Neuen Museum in Nürnberg. Dort werden zeitgleich zur Chemnitzer Schau unter dem Titel "Mit der Tür ins Haus fallen" ebenfalls Arbeiten aus der Bundeskunstsammlung gezeigt. Chemnitz und Nürnberg waren Konkurrenten um den Titel der Kulturhauptstadt Europas 2025, der letztlich nach Sachsen ging. "Mit dem gemeinsamen Ausstellungsprojekt wird ein Zeichen für Kooperation und für die verbindende Sprache von Kunst gesetzt", heißt es in einer Presseerklärung des Nürnberger Museums.

Der Bund kauft seit 1971 Arbeiten zeitgenössischer Künstler an, etwa auf Messen, in Galerien oder direkt bei Künstlern. Über die Ankäufe entscheidet eine Kommission von Fachleuten. Den Angaben zufolge umfasst die Sammlung inzwischen rund 2000 Werke. Es ist eine Sammlung ohne Haus - einen festen Ort, an dem die Kunstwerke dauerhaft gezeigt werden, gibt es nicht. Vielmehr werden sie an öffentliche Institutionen, Ministerien und Museen ausgeliehen. (dpa)

"Present perfect", Museum Gunzenhauser, Chemnitz, 13. November bis 12. Februar 2023


Michel Majerus in Hamburg

Entgrenzung ist das Schlüsselwort für Michel Majerus, der in seinem kurzen Künstlerleben daran arbeitete, seine Bildwelten spielerisch wie radikal in den Realraum zu überführen. Legendär seine im Jahr 2000 in Köln erstmals installierte Skater-Halfpipe, die Bildträger und befahrbare Rampe zugleich war. Nur zwei Monate vor seinem Tod – durch einen Flugzeugabsturz auf dem Weg von Berlin in seine Heimatstadt Luxemburg – verhängte er das Brandenburger Tor mit einer "Tarnkappen"-Bildplane, die das Monument in einen Schöneberger Sozialwohnungskomplex verwandelte, als temporäres Mahnmal der gescheiterten Moderne. Majerus’ Schaffen hat sich als modellhaft für die nachfolgende Künstlergeneration erwiesen. Cory Arcangel sieht sein Werk als "Fraktal: Je mehr man es betrachtet, desto mehr enthüllt es", erklärte der US-Künstler jüngst im "Mousse Magazine".

Majerus selbst arbeite "auf einer Metaebene", so Arcangel weiter, einer Ebene, "die über der des Malers oder sogar eines Installationskünstlers liegt. Er performt als Majerus“. Arcangel spricht im Präsens. Der Gegenwärtigkeit von Majerus sind nun mehrere deutsche Institutionen gemeinsam auf der Spur. Bei dem Projekt "Michel Majerus 2022" kooperieren der Michel Majerus Estate, die Galerie Neugerriemschneider, die KW Institute for Contemporary Art, der Neue Berliner Kunstverein und der Kunstverein in Hamburg. Letzterer präsentiert Majerus als Vorreiter eines sich in den 1990er-Jahren abzeichnenden digitalen Zeitalters und stellt die Installation "The space is where you’ll find it" (2000) aus der Sammlung des Kunstmuseums Wolfsburg in den Mittelpunkt.

Wie das Internet gemalt werden kann, das fragte sich der Künstler schon damals – und ließ in seiner teils monumentalen Malerei Slogans, Logos, Comicfiguren oder Icons aus Computerspielen auftauchen, immer in dem Bewusstsein, dass die Dinge und die Kultur fluide sind. "What looks good today may not look good tomorrow", schrieb er auf einen seiner legendären Textfriese. Majerus’ Werke sehen oft gar nicht (mehr) so "gut" aus – im Sinne einer stromlinienförmigen Ästhetik –, aber ihre intellektuelle Substanz hat fraglos Zukunft.

"Data Streaming", Kunstverein Hamburg, Hamburg, ab 12. November bis 12. Februar 2023


Theaster Gates in New York

Ein großer Auftritt: Drei Etagen räumt das New Museum in New York für seine museale Überblicksausstellung zum Werk von Theaster Gates frei. Gates’ Arbeitsmittelpunkt ist Chicago, wo er sein ambitioniertes Großprojekt zur Wiederbelebung seines Viertels an der South Side weiterverfolgt. Gemeinsam mit einer ganzen Community gestaltet er ungenutzte Gebäude in experimentelle Räume zur Erforschung der schwarzen Kultur um. In den letzten Jahren hat Gates diese und seine bildhauerische Tätigkeit immer intensiver miteinander verknüpft. Für die vielen Archive und historischen Sammlungen, die er in den letzten Jahren retten konnte, findet er installative und skulpturale Formen. So schafft er Räume und Stationen, die nicht nur die Schichten des Wissens freilegen, sondern auch zur Teilnahme einladen.

Für Gates entstehen kollektive Formen des Bewahrens durch Objekte, Bilder, Klänge, Bewegungen und durch die Beziehungen zwischen Menschen. In der Ausstellung "Young Lords and Their Traces" ehrt Gates nun die radikalen Denker, die seine Stadt und die USA insgesamt geprägt haben.

Werke aus 20 Schaffensjahren sind zu sehen, aber auch aktuelle, eigens für die Ausstellung entwickelte Installationen. Eine ganze Etage widmet er Persönlichkeiten, die ihn selbst durch sein Leben und seine Karriere begleitet und beeinflusst haben, und die in der letzten Zeit verstorben sind: Der Kurator Okwui Enwezor zählt dazu, die Schriftstellerin Bell Hooks und sein Vater. Dabei ist für Gates das Andenken auch immer ein Weiterspinnen des Netzwerks intellektueller und ästhetischer Beziehungen, eine Sammlung von Stimmen, die an das Publikum weitergetragen werden.

"Young Lords and Their Traces", New Museum, New York, bis 5. Februar 2023


Art Week in Luxemburg

Eine überschaubare Messe mit internationaler Qualität, dazu ein sorgfältig zusammengestelltes Rahmenprogramm: Das ist das Konzept der Luxembourg Art Week. Rund 70 Galerien, Künstlerkollektive und Institutionen haben in einem temporären Gebäude auf dem Glacis Square im Zentrum der Stadt Platz. Neu ist eine eigene Sektion für NFTs. Und als interaktives Kunstprojekt wird eine Art Roboter der Künstlerin Louisa Clement auf die Messe kommen.

"Luxembourg Art Week", verschiedene Orte, Luxemburg, bis 13. November

Galerie Ariane C-Y: Camille Brès "Jonas et son reflet", 2022

Galerie Ariane C-Y: Camille Brès "Jonas et son reflet", 2022


Affordable Art Fair in Hamburg

Die Affordable Art Fair ist zurück und feiert in diesem Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum: Vom 10. bis zum 13. November lädt die nach eigenen Angaben größte Kunstmesse Norddeutschlands wieder Kunstinteressierte in die Hamburger Messe ein. Auf mehr als 5000 Quadratmetern präsentieren 85 Galerien aus 17 Ländern in der Halle A3 Kunstwerke von etablierten Künstlerinnen und Künstlern und Newcomern der Kunstszene, wie die Veranstalter mitteilten. Seit 2012 bietet die Affordable Art Fair Kunstwerke zu erschwinglichen Preisen zwischen 100 bis 7500 Euro und will damit sowohl Kunstneulinge als auch renommierte Sammler ansprechen.

Galerien wie Chiefs & Spirits (Niederlande/Südafrika), Spence Gallery (Kanada) und T&B Gallery (Südkorea) sind in diesem Jahr genauso vertreten wie Hamburger Galerien, unter anderem die Galerie Ruth Sache, Galerie Holzhauer, Galerie Holthoff, Gudberg Nerger und die Stern-Wywiol Galerie. Neben jungen Talenten präsentiert die Kunstmesse auch etablierte Künstlerinnen und Künstler wie Gerhard Richter, Rosemarie Trockel, Günther Uecker und David Hockney. Zum 10-jährigen Jubiläum zeigen gleich zehn junge Hamburger Künstler ihre aktuellen Werke. Bereits zum zweiten Mal werden sogenannte Kunst-NFTs (non-fungible token) präsentiert - digitale, animierte Kunstwerke. (dpa)

"Affordable Art Fair", Hamburg Messe, Hamburg, bis 13. November


Performance mit Joan Jonas in München

Im September eröffnete die umfassende Retrospektive der Künstlerin Joan Jonas im Haus der Kunst in München, um die es lange organisatorische Querelen gab. Die im Erdgeschoss zentral plazierte Schau vereint Schlüsselwerke der Künstlerin aus ihren unterschiedlichen Schaffensphasen. Durch ihre Experimentierfreude in den Bereichen Film, Videokunst und Performance öffnete Joan Jonas stetig neue Türen und beeinflusste gleichzeitig eine ganze Generation von Kunstschaffenden. 

Für ihre Performance "Out Takes. What the Storm Washed In", an der die 86-jährige Künstlerin selbst mitwirken wird, kehrt sie nun ans Haus der Kunst zurück. In dieser wird die Beziehung von Mensch und Natur, ein zentrales Thema in Jonas' Werk, verhandelt. Bis zum 17. November gibt es außerdem Gespräche und Filmvorführungen der Künstlerin.

"Out Takes. What the Storm Washed In", Haus der Kunst, München, 13. November 


Fahrrad-Designgeschichte in München

Ob der übliche Diamantrahmen, ein Kreuzrahmen, Fachwerkrahmen, Steckrahmen oder gar ein schwebend-sichelförmiges Modell: In München zeigt die Neue Sammlung - Design Museum in der Pinakothek der Moderne in einer neuen Ausstellung mehr als 70 Fahrräder, von denen kein Exemplar dem anderen gleicht. Zwar spannt die Schau "Das Fahrrad - Kultobjekt - Designobjekt" zeitlich den Bogen von einer "Laufmaschine" aus dem Jahr 1817 bis zu einem Elektrofahrrad, das noch gar nicht in den Verkauf gekommen ist, doch geht es den Ausstellungsmachern explizit nicht um die Kulturgeschichte des Fortbewegungsmittels.

Dennoch ist das Design der Räder natürlich eng verbunden mit der Geschichte der technischen Innovationen wie Antriebe, Federungen oder Bremsen. Oftmals wird die Gestaltung auch durch neue Fertigungsmöglichkeiten und damit auch Materialien beeinflusst. Entsprechend finden sich unter den Ausstellungsstücken Exemplare aus Stahl und Aluminium, Holz, Magnesium, Karbon und Titan - und sogar aus recyceltem Kunststoff, der im 3D-Drucker verarbeitet wurde. (dpa)

"Das Fahrrad - Kultobjekt - Designobjekt", Neuen Sammlung - Designmuseum in der Pinakothek der Moderne, München, bis 22. September 2024

Reyé Bardet "Flugzeug-Rad", 1946
Foto: Die Neue Sammlung, Kai Mewes

Reyé Bardet "Flugzeug-Rad", 1946


Fotografie in Paris

Ihren 25. Geburtstag feiert die Paris Photo in diesem Herbst und demonstriert mit 183 Ausstellern aus 31 Ländern ihre Vorherrschaft im Bereich der künstlerischen und dokumentarischen Fotografie. Es gibt eine Fördersektion für Emerging Artists und eine Sektion für Fotobücher, dazu kuratierte Ausstellungen unter anderen zu der 1930 geborenen amerikanischen Fotografin Rosalind Fox Solomon und Kooperationen mit Pariser Museen.

Unter den Ausstellern sind auch zahlreiche deutsche Galerien wie Setareh X aus Düsseldorf, die prominent Philipp Goldbach präsentiert. Von dem Fotografen und Konzeptkünstler ist unter anderem eine monumentale Bildwand aus 240 000 Kleinbild-Dias zu sehen, Reproduktionen von Kunstwerken, die heute durch digitale Bilder ersetzt werden. Der gebürtige Kölner hat sie zu einer flirrenden Fläche gestaltet, deren Muster an Strichcodes erinnern. In seinen Wandinstallationen hinterfragt er das Verhältnis von Zeit und die Materialität von Informationen. (monopol/dpa)

"Paris Photo", Grand Palais Ephemere, Paris, bis 13. November

Ncontemporary: Silvia Rosi "Self portrait as my father"
Foto: Silvia Rosi

Ncontemporary: Silvia Rosi "Self portrait as my father"


Ästhetik des Protests in Ulm

Während Protest derzeit in vielen Museen durch Klimaaktivisten Einzug hält, hängt er in Ulm bereits an der Wand. Mit der Ausstellung "Protest! gestalten - Von Otl Aicher bis heute" widmet sich das Museum Ulm ab diesem Samstag den vielfältigen Formen des Widerstands und des Protests.

Dabei gibt die Ausstellung auch den aktuellen Kriegen und Konflikten Raum und zeigt etwa Tagebuchauszüge einer geflüchteten Exil-Iranerin, die über die Proteste in ihrem Heimatland berichtet, wie Museumsdirektorin Stefanie Dathe sagte. Eine Karikatur prangert die Sinnlosigkeit des Krieges in der Ukraine an.

Ausgangspunkt für die Ausstellung sind aber Plakate des in Ulm geborenen Gestalters Otl Aicher (1922-1991). Mit seinen Werken verhalf er dem Protest gegen die Stationierung von Pershing-Raketen auf der Schwäbischen Alb und den Ostermärschen zu unverkennbaren Motiven. In Erinnerung an die Widerstandsgruppe "Weiße Rose" um Hans und Sophie Scholl schuf Aicher zudem ein viel zitiertes Logo.

Die Ausstellung zeigt Werke von Künstlern aus zehn Ländern und vier Kontinenten. Neben dem klassischen Plakat sind auch ganz andere Formen des Protests zu sehen. Mit Video- und Lichtinstallation greifen Werke etwa sexuellen Missbrauch auf und die Diskriminierung von Aidskranken und nehmen Besucherinnen und Besucher mit auf eine Reise des Protests im Laufe der Zeit. Interessierte sind aufgerufen, selbst Protest zu gestalten, und können dazu eine Wand der Ausstellung nutzen.

Die Ausstellung wurde von der Kulturstiftung des Bundes und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert und wird noch bis zum 16. April 2023 zu sehen sein. Es ist der letzte Auftakt einer Ausstellung im Museum Ulm in seiner jetzigen Form. Ab Mai 2023 sollen Arbeiten für einen Umbau des Museums beginnen. (dpa)

"Protest! gestalten - Von Otl Aicher bis heute", Museum Ulm, Ulm, 12. November bis 16. April. 2023