Tipps und Termine für die Messewoche

Wohin in Karlsruhe?

Sandra Boeschenstein auf der Art Karlsruhe
Über die Textfragmente, die Sandra Boeschenstein ihren filigranen Zeichnungen mitgibt, muss man gelegentlich länger nachdenken. Über ihre Ausstellungstitel nicht minder. „Das Mögliche ist die Geschwindigkeit des Wirklichen“ hieß zum Beispiel 2003 eine Schau der 1967 geborenen Züricherin im Kunstverein Schaffhausen. Und im Titel ihrer Soloausstellung im Aargauer Kunsthaus fragte sie 2009: „Wie weit ist es hinter den Augen hell“? Auf der Art Karlsruhe bekommt Boeschenstein, die unter anderem Kunstgeschichte und Philosophie studiert hat, nun den Hans-Platschek-Preis für Kunst und Schrift verliehen. Ihre Zeichentechnik ist geradezu altmeisterlich, ihr Umgang mit dem Medium dabei sehr innovativ. So ergänzt sie die Linie, die aus der Feder fließt, gelegentlich durch schwarze Fäden als „mobile Linien“, arbeitet parallel mit kleinen Objekten und schnitzt Skulpturenensembles aus Radiergummis. Jurorin Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, schätzt an ihren Werken, wie durch die Kombination von Zeichnung und poetischen Aphorismen „erzählerische, fiktionale Text-Bild-Dialoge“ entstehen. Boeschenstein selbst sagt, dass die Texte, die sie manchen Zeichnungen hinzufügt, nicht als erklärende Bildunterschriften gedacht sind. Sondern sie sollen den Betrachter auch mal perplex hinterlassen – Überraschung muss sein.
Ausstellung auf der Art Karlsruhe, Halle 1, Preisverleihung am 13. März um 17 Uhr

Franz Ackermann in der Staatlichen Kunsthalle
Im Studiensaal im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe fühlt man sich wie auf einer Zeitreise: Die alten Holzvitrinen und Schränke, die Stiche an den Wänden entführen einen in gelehrte Welten vergangener Jahrhunderte, in eine Ära, in der die Erde noch nicht komplett vermessen war. Ein großartiger Ort also für die Kunst von Franz Ackermann. Der 1963 in Bayern geborene Künstler hat in den 90er-Jahren das Reisen zur Grundlage seiner Arbeit gemacht. Seit vielen Jahren fertigt er überall in der Welt „Mental Maps“ an, kleinformatige Aquarelle, die seine Eindrücke verdichten. Ackermanns größere Arbeiten – Gemälde, Wandmalereien und Installationen, die mittlerweile große Räume einnehmen –, führen die fragmentarische, collagierte, abstrahierende Darstellung weiter. Sie sind wie Kaleidoskope, die architektonische Formen durcheinanderwirbeln und Eindrücke zu farbprächtiger Vielfalt aufsplittern. Für seine Schau im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe besinnt sich Ackermann, der seit 2001 an der dortigen Staatlichen Kunstakademie lehrt, erneut auf das Format der „Mental Maps“. In seinem 18-teiligen Werk, maßgeschneidert für die Vitrinen des Studiensaals, greift der Künstler dies mal nicht über die Kontinente aus, sondern beschäftigt sich mit verschiedenen bedeutsamen Orten in Karlsruhe selbst, vom Hauptbahnhof über den Zoo bis zur Döner-Bude.
Franz Ackermann "Mental Maps", Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, 14. März bis 11. Mai, Eröffnung am 13. März ab 19 Uhr

JR im Museum Frieder Burda in Baden-Baden
Wer ist der Mann, der hinter den Initialen JR steckt? Bekannt ist nur seine französische Herkunft und das Geburtsjahr 1983. Die Projekte des Künstlers haben allerdings Furore gemacht. Eine Ausstellung im Baden-Badener Museum Frieder Burda widmet sich dem Fotografen, der seine Bilder in Form von monumentalen Plakaten an Häuserwänden, Treppen und Mauern anbringt. Zu sehen ist auch sein „Portrait of a Generation“, für das JR 2006 Jugendliche in den Banlieues von Paris fotografierte und diese Bilder nachts im feinen Stadtteil Marais plakatierte. Für „Women Are Heroes“ (2008–10) besuchte JR weltweit Elendsviertel, etwa eine Favela in Rio de Janeiro, um dortige Behausungen mit Fotos von Augen und Gesichtern der Slumbewohnerinnen zu bekleben. Während die Ausstellung läuft, werden JRs Collagen zur deutschfranzösischen Freundschaft im Stadtraum von Baden-Baden zu sehen sein.
Museum Frieder Burda, Baden-Baden, bis 29. Juni

Julia Stoschek Collection im ZKM
Düsseldorf zu Gast in Karlsruhe: Die renommierte Sammlerin Julia Stoschek zeigt Werke zeitbasierter Medienkunst auf 3.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Die Schau ermöglicht mit großformatigen Videoarbeiten und Filmen sowie mehrkanaligen Rauminstallationen einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte sowohl der jüngeren Medienkunst als auch der Sammlung, die seit 1996 existiert. 
ZKM, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe, bis Eröffnung: 15. März, 18 Uhr; Ausstellungsdauer: 16. März bis 22. Juni

„global aCtIVISm“ im ZKM Karlsruhe
Neue Protestformen, sei es eine Bewegung wie Stuttgart 21 oder eine Band wie Pussy Riot, sind von der Kunst der 60er-Jahre inspiriert – so lautet die Grundthese der Schau „global aCtIVISm“ im Karlsruher ZKM. Die Künstler sind heute die Bürger selbst – daher hebt der Ausstellungstitel „global aCtIVISM“ den lateinischen Begriff civis („der Bürger“) in Versalien hervor. Der Gefahr, „Kunstorte mit der Straße zu verwechseln“ (Kurator Peter Weibel), entgeht man, indem der Kampf für eine bessere Welt nur indirekt gezeigt wird, über Filme, Fotos und andere Dokumente.
ZKM, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe, bis 30. März

„What Were You Expecting, Mr. Milquetoast, a Plot?“ im Badischen Kunstverein
Der Titel der Gruppenschau im Badischen Kunstverein geht auf Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ (1966) zurück, über den Umweg einer amerikanischen Theaterkritik. Als „Milchgesichter“, auf Englisch „Milquetoasts“, verspotteten die Schauspieler in dem Stück ihre Zuschauer. Ähnlich wie Handke die Mechanismen des Theaters enthüllte, soll die Karlsruher Ausstellung ein offenes Setting für Künstler wie Publikum sein. Zu sehen sind Werke von Vittorio Brodmann, Calla Henkel & Max Pitegoff, Sanya Kantarovsky oder Ola Vasiljeva. Liz Magic Lasers Performance- und Videoarbeit „chase“, 2009/10, Produktionsstill wurde in Vorräumen New Yorker Banken aufgezeichnet. Die Automaten und ihre Nutzer sind darin Figuren und gleichzeitig Betrachter der Performance.
Badischer Kunstverein, Karlsruhe, bis 30. März

After Show Party der Kunstmesse
Nachdem das zehnjährige Jubiläum der Art Karlsruhe mit einer riesigen After Party gefeiert wurde und auf so große Begeisterung stieß, veranstaltet Shahrokh Dini (Mood) In Zusammenarbeit mit art Karlsruhe auch zur elften Ausgabe in diesem Jahr eine Party der besonderen Art. Am 15. März werden Kunstfreunde und Feierwillige in das Staatstheater Karlsruhe gebeten. Nach einer „interaktiven Trommelperformance“ des von den Einstürzenden Neubauten bekannten N.U. Unruh erwartet einen u.a. Hans Nieswandt & Willi Graff (NYC) an den Turntables.
15. März, VVK über www.reservix.de, Staatstheater Karlsruhe oder www.mood-lounge.de

Monopol-Lounge auf der Art Karlsruhe
Andy Warhol ist nicht der Einzige, der Marilyn Monroe in Kunst verwandelte. Im selben Jahr wie Warhols berühmter Siebdruck entstand auch ein Marilyn-Triptychon von James Francis Gill – und landete sofort in der Sammlung des Museums of Modern Art. Der gebürtige Texaner Gill war einer der Pioniere der Pop-Art, er stellte mit Warhol und Roy Lichtenstein aus und wurde dann ein anerkannter Hochschullehrer. Anfang der 70er-Jahre zog er sich plötzlich aus dem Kunstbetrieb zurück – um erst vor kurzer Zeit wieder an die Öffentlichkeit zu treten: mit neuen Bildern in einer komplett zeitgenössischen, digital informierten Ästhetik. Auf der Messe wird Gills Werk bei der Galerie Premium Modern Art zu sehen sein. Und in der Monopol-Lounge können Sie am Freitag den Künstler im Gespräch erleben. Spannend wird auch der Galeristentalk im Anschluss. Der Kunstmarkt befindet sich in einer Umbruchphase: Zumindest auf dem Auktionsmarkt hat das Zeitgenössische die klassische Moderne überholt. Was gibt der Markt für klassische Moderne noch her? Wie spiegelt sich die Verschiebung im Galeriebetrieb? Das wollen wir mit erfahrenen Galeristen besprechen. Am Samstag folgt ein weiterer Künstlertalk: Wir begrüßen den frisch gekürten Träger des Art-Karlsruhe-Preises. Und natürlich ist unser Programm nicht komplett ohne die Messebilanz mit Ewald Karl Schrade, Initiator und immer noch Kurator der Art Karlsruhe.

Freitag, 14. März
16.00 Uhr Legende der Pop-Art – Künstlergespräch mit James Francis Gill
16.30 Uhr Klassische Moderne oder zeitgenössisch – wie verschiebt sich der Markt? Galeristen im Gespräch. Mit Dr. Wolfgang Henze (Galerie Henze & Ketterer) und Peter Femfert (Die Galerie)

Samstag, 15. März
14.00 Uhr Der Träger des Art-Karlsruhe-Preises im Gespräch
15.30 Uhr Die Messebilanz mit Ewald Karl Schrade, Kurator der Art Karlsruhe

Ein Sonderheft zur Art Karlsruhe mit einem ausführlichen Service-Teil, Reportagen und Porträts liegt Monopol 3/2014 bei