Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. In den meisten Bundesländern entfällt inzwischen die Maskenpflicht in Innenräumen, Museen können diese jedoch in ihren Häusern weiter beibehalten. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Institutions-Website.
Christian-Schad-Museum öffnet in Aschaffenburg
"Bilder ohne Menschen haben ihn nie interessiert", sagte einst die Witwe von Christian Schad, Bettina Schad. Dem Ausnahmekünstler aus der oberbayerischen Kreisstadt Miesbach, der von 1943 bis zu seinem Tod 1982 in Aschaffenburg und später im Spessart lebte, hat die Stadt am Untermain nun nach jahrelanger Planung ein Denkmal gesetzt. Künftig können seine Werke im Christian Schad Museum betrachtet werden. Das Haus in der Altstadt widmet sich nach eigenen Angaben Leben und Arbeit des Malers in einer weltweit einzigartigen Gesamtschau (Eröffnung: 3. Juni). Die Baukosten beliefen sich auf 6,5 Millionen Euro. Die Hälfte davon sind Fördermittel von Bund, Ländern und dem Bezirk Unterfranken.
Der 1894 geborene Schad zählt demnach zu den bedeutendsten Protagonisten der Moderne. "Sein Leben reflektiert exemplarisch die Kunstbewegungen des 20. Jahrhunderts von Dada über den Expressionismus und die Neue Sachlichkeit bis zum Magischen Realismus nach 1945", fasst die Stadt zusammen. "Neben den Ikonen der Neuen Sachlichkeit begründete die Fotografie ohne Kamera, die 'Schadographie', seinen Weltruhm." Vom Jahr 2000 an hatte Schads Witwe seinen Nachlass Aschaffenburg überlassen, darunter eine Druckgrafik-Sammlung sowie Gemälde und weitere Zeichnungen, Aquarelle und die Bibliothek ihres Mannes - etwa 3200 Werke umfasst der Bestand der Christian Schad Stiftung Aschaffenburg. Davon werden mehr als 200 Exponate auf den drei Ebenen des neuen Museums gezeigt. (dpa)
Christian Schad Museum, Aschaffenburg, am Eröffnungswochenende freier Eintritt (bis Montag, 6. Juni)
Neo Rauch in Aschersleben
Der Leipziger Maler Neo Rauch ist mit seinen Gemälden international präsent - seine Grafiken aber haben ein Zuhause im kleinen Aschersleben. In der Nähe des Harzes, wo Rauch bei seinen Großeltern aufwuchs, gründete er vor zehn Jahren mit der Stadt die Grafikstiftung Neo Rauch. Der heute 62-Jährige gibt jeweils ein Exemplar seiner grafischen Editionen als Geschenk. Nun zeigt die Grafikstiftung seit Mittwoch unter dem Titel "Neo Rauch. Der Bestand Druckgrafik seit 1988" erstmals alle druckgrafischen Arbeiten des Künstlers. Es sind rund 150 Lithographien Radierungen und Siebdrucke aus dem Konvolut der Stiftung, Neuankäufe, Leihgaben sowie bisher selten gezeigte Blätter der frühen Jahre. "Ich bin eigentlich auch kein Grafiker, ich bin Maler. Und das was Sie hier sehen, das ist Beiwerk, etwas, was neben den großen Leinwänden entsteht", sagte Rauch am Mittwoch in Aschersleben.
Es seien alle Schubladen aufgezogen worden, um die Werke zusammenzuholen, sagte Rauch. Aber auch ganz neue Grafiken finden sich in der Ausstellung. "Seit einigen Monaten spukt ein Maurer durch mein Werk, ein Maurergeselle, weiß gekleidet mit seiner Kelle ausgestattet und der baut offenbar Luftschlösser." Er habe keine Basis und müsse auf Kugeln balancieren, die irgendwo im Nichts schwebten. Die Ausstellung schlägt den Bogen von den frühen Blättern aus den Jahren 1988 bis 1993, die zum Teil an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig entstanden, über Entwürfe für Plakate, Illustrationen, Buchumschläge und Neujahrsblätter. (dpa)
"Neo Rauch. Der Bestand Druckgrafik seit 1988", Grafikstiftung Neo Rauch, Aschersleben, bis 24. April 2024
Mondrian in Riehen bei Basel
Die Fondation Beyeler feiert den niederländischen Maler Piet Mondrian (1872–1944) zu dessen 150. Geburtstag mit einer großen Ausstellung. Sie zeigt ab 5. Juni in ihrem Haus in Riehen bei Basel die unbekanntere Seite des Künstlers, der vor allem wegen seiner Werke mit rechtwinkligen schwarzen Linien, weißen Flächen und den Grundfarben Blau, Rot und Gelb bekannt ist.
Mondrian war nämlich in seiner Frühphase ein Landschaftsmaler. Das ist der Schwerpunkt der Ausstellung, die gleichwohl die Entwicklung der Malerei von der Figuration zur Abstraktion zeigt. Mondrian hatte sich erst ab Anfang der 1920er-Jahre auf eine gegenstandslose Bildsprache konzentriert. Die Ausstellung "Mondrian Evolution" zeige seine Entwicklung vom Landschaftsmaler zu einem der führenden Protagonisten der Moderne. Insgesamt sind bis zum 9. Oktober 89 Werke zu sehen, sowohl aus der eigenen Sammlung als auch internationale Leihgaben. Die Ausstellung wird zusammen mit der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ausgerichtet und in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Den Haag. (dpa)
"Mondrian Evolution", Fondation Beyeler Basel, 5. Juni bis 9. Oktober 2022
Nationalgalerie zeigt Ankäufe im Hamburger Bahnhof in Berlin
60 000 Euro können ziemlich wenig Geld sein. Zumindest wenn sie den gesamten Ankaufsetat einer führenden Kunstinstitution mit sechs Museen ausmachen. Die Nationalgalerie Berlin hat das Glück, auf einen verlässlichen Förderkreis rechnen zu können. Die "Freunde der Nationalgalerie" können über die dazugehörige Stiftung jährlich bis zu 300 000 Euro für Ankäufe bereit stellen. Die Ausstellung "Under Construction" zeigt im Hamburger Bahnhof von Donnerstag an bis zum 15. Januar Neuerwerbungen für die Nationalgalerie.
Die Nationalgalerie – 1861 ausdrücklich als Museum für zeitgenössische Kunst gegründet – sammelte seitdem Kunstwerke der jeweiligen Epochen. Die Stiftung konzentriert sich nach Angaben von Gabriele Quandt, Vorstand der Freunde der Nationalgalerie, darauf, "zeitgenössische Kunst im Moment des Entstehens zu kaufen". Grundlage dafür ist ein Stiftungsvermögen von sechs Millionen Euro aus Überschüssen der erfolgreichen Ausstellung "MoMa in Berlin" 2004. Seitdem konnte die Stiftung 105 Arbeiten erwerben, hinzu kamen Schenkungen. Alle Werke sind nun Teil der Sammlung der Nationalgalerie.
Mit der Ausstellung will Till Fellrath, Mitdirektor des Hamburger Bahnhofs, "die Sammlung im Herzen verankern". Gezeigt werden fünfzehn Neuerwerbungen, die etwa zur Hälfte von in Berlin arbeitenden Künstlerinnen und Künstlern stammen. Die Arbeiten umfassen Gemälde, Installationen, Skulpturen, Videos und Arbeiten auf Papier. Zu sehen sind Werke von Nairy Baghramian, Eduardo Basualdo, Thea Djordjadze, Ceal Floyer, Sandra Gamarra Heshiki, Melvin Moti, Manfred Pernice, Martin Städeli, Mariela Scafati, Dierk Schmidt, Daniel Steegmann Mangrané, Bartolina Xixa und Julio González. (dpa)
"Under Construction – Neuerwerbungen für die Sammlung der Nationalgalerie", Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 2. Juni 2022 bis 15. Januar 2023
Holzschnitte mit Liebeskummer-Tipps in Berlin
Die Tipps für Liebeskummer taugen inzwischen für Instagram oder Tinder. Sie stammen allerdings aus der Zeit um 1485. Ein Meister Casper illustriert mit seinem Holzschnitt, wie ein verliebtes Herz auf 18 verschiedene Weisen gebrochen werden kann. Die Arbeit "Frau Venus und der Verliebte" ist Teil der Ausstellung "Holzschnitt. 1400 bis heute", die das Kupferstichkabinett der Berliner Staatlichen Museen von Freitag an bis zum 11. September präsentiert. Gezeigt werden mehr als 100 Arbeiten unter anderem von Albrecht Dürer, Käthe Kollwitz, Edvard Munch, Joseph Beuys oder Wassily Kandinsky.
Das Team um Direktorin Dagmar Korbacher hat dafür mit Materialien, Druckplatten und Blättern die Entwicklung der Technik von ihren Anfängen bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Zu sehen ist auch etwa, wie Schädlinge den hölzernen Vorlagen zusetzten und sich die Spuren dann auf den gedruckten Blättern wiederfinden. Andere Beispiele zeigen den Einsatz mehrerer aufeinander abgestimmter Druckplatten für den Mehr- und Vielfarbdruck.
Viele der Arbeiten von Spielkarten bis zu Aushängen waren für den Gebrauch bestimmt. Das macht für Korbacher Vielfalt und Sinnlichkeit dieser Kunsttechnik aus. Dieses älteste druckgrafische Verfahren wird bis heute von Künstlerinnen und Künstlern eingesetzt. Dafür stehen in der Ausstellung etwa Arbeiten und Druckplatten des in Berlin lebenden Künstlers Nasan Tur, dessen "Geben ist Nehmen" von 2015 gemeinsam mit dem um 1535 entstandenen "Gleichnis vom verlorenen Sohn" von Hans Sebald Beham die Ausstellung eröffnet. Die Holzschnitte bilden den Auftakt zu einer neuen Ausstellungsreihe des Kupferstichkabinetts, mit der jeweils eine künstlerische Drucktechnik vorstellt werden soll. (dpa)
"Holzschnitt. 1400 bis heute", Kupferstichkabinett, Berlin, 11. September
"Hollywood" in Berlin
Den Winter verbrachten die Newtons gern in Los Angeles. Damals fotografierte Helmut Newton Hollywoodstars im Auftrag von Magazinen.
Neben solchen Porträts sind in der Helmut Newton Foundation Akte für den "Playboy“ zu sehen und Traumfabrikationen weiterer Fotoschaffender wie Larry Sultan, Julius Shulman, Michael Dressel – und Alice Springs alias June Newton mit einer in West Hollywood aufgenommenen Serie.
"Hollywood", Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie, Berlin, bis 20. November
Figurenautomaten in Dresden
Figurenautomaten für fürstliche Tafeln und Kunstkammern, sich selbst bewegende Figuren, Sprachroboter und mechanische Kunstwerke sind in einer bisher einzigartigen Ausstellung in Dresden versammelt - analog und digital. Kernstück ist der in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) bewahrte Bestand mechanischer Objekte vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. "Wir zeigen die Faszination Mechanik, wie etwas vor 500 Jahren etabliert wurde und bis heute Relevanz hat: bestimmte Dinge in Bewegung zu bringen, zu konstruieren", sagte Peter Plaßmeyer, Direktor des Mathematisch-Physikalischen Salons, am Donnerstag vor der Eröffnung der Schau "Der Schlüssel zum Leben".
Der Rundgang reicht von Figuren- und Tafelautomaten um 1600 über die Androiden des 18. Jahrhunderts und die mechanischen Theater im 19. Jahrhundert bis zu Musik- und Münzautomaten des 20. Jahrhunderts sowie bewegter zeitgenössischer Kunst von Rebecca Horn oder Lilith, eine auf einer Scheibe wandernden Figur. In Vitrinen, Regalen sowie an Wänden versammelt sind rund 70 Exponate aus den SKD-Museen sowie Leihgaben. Laut Plaßmeyer sind die Mechanismen über die Jahrhunderte gleich. "Inzwischen wird gern ein elektrischer Antrieb genutzt anstelle von Gewichten oder Federn." (dpa)
"Der Schlüssel zum Leben. 500 Jahre mechanische Figurenautomaten", Kunsthalle im Lipsiusbau, Dresden, bis 25. September 2022
Zum Zocken ins Museum: "Worldbuilding" in Düsseldorf
Die interaktive Ausstellung "Worldbuilding" zeigt ab diesem Sonntag in Düsseldorf Videospiel-Kunst. Mit Controllern und Virtual-Reality-Brillen können Besucher in der Julia Stoschek Collection in digitale Welten eintauchen. Videospiele seien heute zum "gesellschaftlichen Massenphänomen" geworden, sagte Kunstsammlerin Stoschek am Donnerstag. Im letzten Jahr hätten 2,8 Milliarden Menschen weltweit Computerspiele gespielt. Die Julia Stoschek Collection mit dem Schwerpunkt Videokunst zählt zu den bedeutenden privaten Sammlungen zeitgenössischer Kunst in Deutschland und umfasst über 870 Werke. In diesem Jahr feiert die Sammlung ihr 15-jähriges Bestehen.
Bei der Jubiläumsschau "Worldbuilding" gehe es nicht um eine "Weltflucht", sondern um das Schaffen neuer Realitäten, so Stoschek. Die Ausstellung mit rund 30 Werken soll zeigen, wie sich Medienkünstler mit Computerspielen auseinandersetzen. Kuratiert wurde die Schau von Hans Ulrich Obrist. Einige Künstler adaptierten für ihre Werke kommerzielle Videospiele, wie etwa "Pac-Man" oder "Fortnite". Andere entwickelten eigene, teils gesellschaftskritische Spiele. Bei einem "Shooting-Game" der Londoner Künstlerin Danielle Brathwaite-Shirley bekommt der Besucher zwar eine Waffe in die Hand - Schießen ist aber nicht erlaubt. (dpa)
"Worldbuilding", Julia Stoschek Collection, Düsseldorf, 5. Juni bis 10. Dezember 2023
Nika Schmitt in Eupen
Klang wird zu Licht, Licht wird zu Bewegung, die wiederum zu Klang wird. Auf Rückkopplung basiert das kinetische Werk "sweet zenith“ der 1992 in Luxemburg geborenen audiovisuellen Künstlerin Nika Schmitt.
Im IKOB-Museum im belgischen Eupen sind zwei Sonnenkollektoren auf Pfählen montiert, die von zwei Lichtpendeln umkreist werden. Klänge und Licht prallen an den Wänden ab. Das Kräftemessen nimmt kein Ende.
"sweet zenith", Ikob – Museum für Zeitgenössische Kunst, Eupen, 5. Juni bis 25. September
14. Triennale Kleinplastik in Fellbach
Unter dem gewaltigen Dachstuhl der Alten Kelter in Fellbach kann man sich gut vorstellen, dass die Exponate nachts im Museum (gemäß einem Fantasyfilm) ein heimliches Eigenleben führen. Aber folgt man Elke aus dem Moore, der Kuratorin der 15. Triennale Kleinplastik, steckt sowieso weithin unerkanntes Leben in der Materie. "Die Vibration der Dinge“ heißt die neue Ausgabe des seit 1980 im Dreijahresrhythmus veranstalteten Festivals. Dass Objekte in der menschlichen Wahrnehmung in Bewegung geraten können und Kunst im Kopf entsteht, ist bekannt. Aber hier dreht die Kuratorin die Hierarchie zugunsten der Dinge um. In Kriegs- und Krisenzeiten tritt offen zutage, dass die Menschheit sich und wohl auch ihr regulativen Fähigkeiten maßlos überschätzt. Zugleich rechnen wir zu wenig mit der Wirkmacht der Dinge.
Zu den Künstlerinnen, die in der Alten Kelter kleinformatige Werke präsentieren, zählt Monira Al Qadiri, die in einer Zeit des Ölbooms in Kuwait aufwuchs. Ihre schillernden Ölbohrer-Skulpturen "Or-Bit“, die losgelöst vom Sockel in der Luft schweben, erzählen von einer Macht des Materiellen, das sich menschlicher Kontrolle immer wieder entzieht. Die Südafrikanerin Philisa Zibi arbeitet an der Schnittstelle von Schmuckdesign und Kunst. Mit ihren Objekten spürt sie der uralten Verbindung zwischen Frauen und Ozeanien nach. Natur und die Frage von Besitzverhältnissen an ihr spielen eine maßgebliche Rolle in der Schau. Mit "Sculpture Forest Sanctuary“ hat Antje Majewski eine Installation entwickelt, bei der ein Waldstück bei Oeffingen für 100 Jahre weder forstlich genutzt noch betreten werden darf. Am Rand dieses vom Künstler Paweł Freisler mit einem Zaun abgeriegelten "heiligen Hains“ werden Kleinskulpturen von Paweł Althamer, Agnieszka Brzeżańska, Alioune Diouf und anderen wie "Schutzgeister“ über die 4000-Quadratmeter Zone wachen.
15. Triennale Kleinplastik, Fellbach, 4. Juni bis 3. Oktober
"Passagen" in Frankfurt am Main
Umbrüche, inmitten derer sich unsere Gesellschaft aktuell befindet, sorgen für soziale und politische Transformationsprozesse. Die Menschheit ist über kurz oder lang gezwungen, auf die drohende klimatische Katastrophe, Krankheit oder Krieg zu reagieren. Ein tiefgreifender Paradigmenwechsel vollzieht sich in diesem Moment auf vielen Ebenen. Mit dieser Thematik des Dazwischen-Seins – des Durch- und Übergangs (auf Französisch: "passage") – beschäftigt sich die Ausstellung "Passagen". Künstlerinnen und Künstler setzen sich in besonderer Weise mit den beschrieben Veränderungen auseinander. Immer wieder finden sie dabei eine besondere Form des Ausdrucks. Kuratiert wurde die Ausstellungen von Studentinnen und Studenten und Professor Steffen Siegel (Theorie und Geschichte der Fotografie) an der Folkwang Universität der Künste in Essen sowie der künstlerischen Leiterin der Kunststiftung DZ Bank Christina Leber.
In den Arbeiten von Beatrice Minda, Manfred Paul, Stephan Schenk, Sven Johne und Richard Mosse werden historische Ereignisse thematisiert. Es geht etwa um politische Krisen in Myanmar, den Fall der Berliner Mauer, den Ersten Weltkrieg oder Fluchtbewegungen in Europa. Timo Kahlens Film "Holding My Breath" widmet sich der Selbstreflexion zu Lockdown-Zeiten. Die Spiegelarbeit "Subtraction as Addition" von Raphael Hefti konfrontiert die Betrachter mit ihrem Sehen. Christian Boltanski widmet sich dem Übergang vom Leben in das Verschwinden durch den Tod, bei Sandra Kranich steht die Veränderung des Materials im Zentrum. Die Verwandlung der Funktion einer Person durch spezifische Gewänder spricht Gwenneth Boelens an. Auch das gewählte Material kann eine "Passage" darstellen, wenn vorhandene Gegenstände anders genutzt und neu aufgeladen werden. Das beweist das Künstlerpaar Françoise Cartier und Daniel Cartier: Unbelichtete analoge Fotopapiere aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert präsentieren die Vielfältigkeit eines Materials, die aufgrund der digitalen Entwicklung beinahe abhandengekommen ist.
"Passagen“, Folkwang Universität der Künste, Ausstellungsraum der Kunststiftung DZ Bank, Frankfurt am Main, bis 15. Oktober
Annika Kahrs in Hamburg
Die Hamburger Künstlerin Annika Kahrs erweckt den letzten unsanierten Speicherschuppen im früheren Freihafen – der heutigen Hafencity – zu neuem Leben. Dabei wird der Schuppen 29 auf dem Baakenhöft für 13 Wochen zu einem Kunstort. Die Sound- und Videoinstallation "How to live in the echo of other places" wurde eigens für diesen Ort geschaffen und bespielt das Innere und auch die Fassade des Schuppens im Wechsel, teilten die Veranstalter mit. Kuratorin der Ausstellung im Rahmen der 8. Triennale der Photographie ist Ellen Blumenstein vom Kulturprogramm "Imagine the city".
Für die Soundinstallation im Inneren hat die Künstlerin mit zehn Hamburger Musikern zusammengearbeitet. Entstanden ist eine rund 80-minütige Komposition aus zehn Arrangements über persönliche Erinnerungsorte. Bei Sonnenuntergang startet der zweite Teil der Installation als 14 Meter breite Videoprojektion, die den Standort in den Nachtstunden weithin sichtbar macht und bis zum Sonnenaufgang gezeigt wird. Die Ausstellung ist bis zum 4. September donnerstags bis sonntags geöffnet. Der Eintritt ist frei. (dpa)
Annika Kahrs: "How to live in the echo of other places", Kulturprogramm "Imagine the city", Schuppen29 auf dem Baakenhöft Hamburg, bis 4. September 2022
Barocke Special Effects in Köln
Im Barockzeitalter war man von Foto und Film noch Jahrhunderte entfernt, und doch gab es schon optische Trickapparatur, die man als Vorläufer der heutigen Special Effects betrachten könnte. Guckkästen und Perspektivtheater vermittelten dem Nutzer mit Linsen und Licht ein farbiges 3D-Erlebnis. Da konnte man dann zum Beispiel Naturkatastrophen wie Erdbeben anschaulich nacherleben. In einer Welt fast ohne Bilder - es gab nur sehr begrenzte Möglichkeiten der Reproduktion - muss das spektakulär gewirkt haben. Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln stellt jetzt eine Auswahl solcher Apparate unter dem Titel "Sensation des Sehens" aus.
Die Exponate stammen aus der Sammlung des Filmregisseurs Werner Nekes (1944-2017) aus Mülheim an der Ruhr. Die Bildwelten hatten im 17. und 18. Jahrhundert sowohl an Fürstenhöfen als auch auf Jahrmärkten ihren Platz. Am bekanntesten ist die Camera Obscura: Dieses Vorläufermodell der Fotokamera bündelt Lichtstrahlen, führt sie durch ein winziges Loch und projiziert die Strahlenquelle seitenverkehrt und auf dem Kopf auf die gegenüberliegende Wand. Manche Forscher glauben, dass sich zum Beispiel der Maler Johannes Vermeer ("Das Mädchen mit dem Perlenohrring") einer solchen Vorrichtung bediente. (dpa)
"Sensation des Sehens", Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, bis 24. April
Zukunftskörper aus der Vergangenheit in München
Das Museum Brandhorst in München zeigt aktuell eine Ausstellung zur Geschichte der zeitgenössischen Skulptur von den 1950er-Jahren bis heute. Die Zusammenstellung soll insbesondere das Spannungsverhältnis von Technologie und Körper in den Blick nehmen. Dabei sollen die großen technologischen Veränderungen seit der Nachkriegszeit – und deren Einfluss auf unsere Vorstellungen von Körpern – thematisiert werden.
In der Ausstellung können Werke von rund 60 internationalen Künstlerinnen und Künstlern betrachtet werden. Diese kommen vornehmlich aus Europa, den USA und Japan. Unter ihnen sind weltbekannte Namen wie Yayoi Kusama, Bruce Nauman, Nam June Paik oder Jean Tinguely.
"Future Bodies from a Recent Past – Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er-Jahren“, Museum Brandhorst München, bis 15. Januar 2023
Abstraktion nach 1945 in Potsdam
Das Museum Barberini macht in seiner neuen Ausstellung eine Zeitreise zur abstrakten Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg – in den USA und in Westeuropa. In fast 100 Werken von 52 Künstlerinnen und Künstlern widmet sich die Schau "Die Form der Freiheit" ab Samstag in Potsdam dem Dialog der beiden wichtigsten Strömungen - dem Abstrakten Expressionismus in den USA und der informellen Malerei in Westeuropa von Mitte der 1940er Jahre bis zum Ende des Kalten Krieges. Sie ist in Potsdam bis zum 25. September zu sehen und dann abgewandelt in Wien und Oslo.
Unter den Künstlerinnen und Künstlern sind bekannte Namen wie Jackson Pollock, seine Ehefrau Lee Krasner und Norman Bluhm aus den USA sowie Karl Otto (K. O.) Götz und Fritz Winter aus Deutschland. Gleich das erste Bild von der in Polen geborenen amerikanischen Künstlerin Janice Biala bringt die Betrachter mitten in den expressiven Umgang mit Form und Farbe hinein: das Bild "Ohne Titel (Stillleben mit drei Gläsern)" von 1962. Biala, die zwischen Paris und New York pendelte, war von ihren Erfahrungen als jüdische Immigrantin geprägt. Pollock ist mit drei Arbeiten zu sehen, darunter der "Verzauberte Wald" von 1947. Er wurde bekannt mit der Technik des "Action Painting", bei der er die Farbe direkt auf das Bild tropfte oder schüttete. Zu den Leihgebern gehören unter anderen das Museum Frieder Burda (Baden-Baden), das Museo Nacional Thyssen-Bornemisza (Madrid), Tate (London), The Metropolitan Museum of Art (New York), Centre Pompidou (Paris), National Gallery of Art (Washington) und Albertina (Wien). (dpa)
"Die Form der Freiheit", Museum Barberini Potsdam, 4. Juni bis 25. September
Cranach in Weimar
Die Klassik Stiftung Weimar präsentiert Werke ihrer international bedeutenden Cranach-Sammlung in einer neuen Dauerausstellung. Ab diesen Samstag werden im Renaissancesaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Objekte von Lucas Cranach dem Älteren, dem Jüngeren und ihrer Werkstatt gezeigt, wie die Stiftung am Donnerstag mitteilte. Unter dem Titel "Cranachs Bilderfluten" sind in der Ausstellung 35 Gemälde, Grafiken, Münzen sowie wechselnde Buchillustrationen zu besichtigen.
Die Cranach-Werkstatt gehörte zu den produktivsten der Kunstgeschichte. Mehrere tausend Bilder verließen das Atelier. Die Schau verweist den Angaben zufolge in Text und Bild auf die Reformation und thematisiert die Medienwelt des 16. Jahrhunderts. Die Cranach-Sammlung gehöre zu einem Schwerpunkt der Klassik Stiftung, der mit der Schau nun für die Besucher sichtbar werde, sagte die Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz. (dpa)
"Cranachs Bilderfluten", Klassik Stiftung Weimar, Dauerausstellung, ab 4. Juni
Eröffnung der Heidi Horten Collection in Wien
Die hochkarätige Privatsammlung der Milliardärin Heidi Goëss-Horten wird dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die zurückgezogen lebende Mäzenin hat im Wiener Stadtzentrum in versteckter Lage ein kompaktes Museum bauen lassen, das am Freitag als "Heidi Horten Collection" seine Pforten öffnet. Um die Architektur des Hauses wirken zu lassen, werden vorerst nur 50 der etwa 500 Werke aus dem Besitz der 81-jährigen Sammlerin gezeigt. Neben Jean-Michel Basquiat, Andy Warhol und Robert Rauschenberg sind vor allem zeitgenössische Arbeiten zu sehen. Dabei spielen Tiermotive eine wichtige Rolle für Goëss-Horten, die nach eigenen Angaben "oft aus dem Bauch heraus" ankauft.
Im Eingangsbereich funkelt die Skulptur eines Dinosauriers, die vom österreichischen Künstler Constantin Luser aus überlangen, aber spielbaren Blechblasinstrumenten geformt wurde. Der Kopf des Tieres ragt in den ersten Stock des Museums, das in einem Innenhof neben der Wiener Staatsoper und dem Museum Albertina errichtet wurde. Dafür wurde ein Bürogebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert entkernt. Im Inneren wurden offene Ausstellungsebenen diagonal zur Gebäudehülle eingesetzt und mit einer freischwebenden Treppe verbunden.
Zwischen Transparenz und Diskretion oszilliert das Museum auch in Bezug auf die Geschichte des Horten-Vermögens. Goëss-Horten ist die Witwe des deutschen Unternehmers Helmut Horten (1909-1987), der den Grundstein für sein Kaufhaus-Imperium in der NS-Zeit legte, als er von der Enteignung von Juden durch die Nazis profitierte. Er habe "die Lage nicht herbeigeführt, aber für sich genutzt", sagte der deutsche Historiker Peter Hoeres von der Universität Würzburg. Das Thema wird in der Eröffnungsausstellung jedoch nicht direkt angesprochen. Nur ein Wandtext verweist in einem Satz auf die Museumswebsite, wo Hoeres' Studie zu Horten abrufbar ist. (dpa)
"Open", Heidi Horten Collection, Wien, bis 2. Oktober