Zögerlicher Neuanfang

 

Der Streit um den Umgang mit Joseph-Beuys-Werken am Museum Schloss Moy­land nimmt kein Ende, im Gegenteil. Im Rheinland herrscht mittlerweile große Verunsicherung, wer aus welchen Motiven wen bekämpft – und was genau die Grundlage des Konflikts ist. Anfang November vergangenen Jahres war Heiner Bastian an die Öffentlichkeit getreten, um seinen Unmut über die Zustände am Schloss Moyland kundzutun, das auch das rund 1300 Werke umfassende Beuys-Archiv beherbergt. Knapp 100 internationale Schwergewichte der Kunstwelt unterzeichneten Bastians Petition, unter ihnen Matthew Barney, Georg Baselitz, Andreas Gursky, Cy Twombly, Ingvild Goetz.

Die Vorwürfe des ehemaligen Beuys-Sekretärs sind richtig, aber nicht neu. Seit Jahren werden die Zustände in dem Museum kritisiert, wo Zeichnungen in Dreier- und Viererreihen bis unter die Decke hängen, teils seit Jahren unverändert dem Licht ausgesetzt und somit beschädigt werden. Gerade diese Missstände zu beseitigen hat sich Bettina Paust, seit gut einem halben Jahr Leiterin des Hauses, zur Aufgabe gemacht. Weshalb sich einige der Unterzeichner jetzt verunsichert fühlen – denn sie wussten von den Problemen, nicht aber, dass man in Moyland am Neuanfang arbeitet.

Paust wirft Bastian deshalb „Stimmungsmache“ vor. „Wir befinden uns inmitten des mit meiner Berufung zur künstlerischen Direktorin angekündig­ten Prozesses der Neukonzeption. Dazu gehören auch architektonische Maßnahmen. Wir haben bereits begonnen, einzelne Räume abzuhängen. Dieser Prozess schreitet laufend voran“, so Paust. Das klingt zögerlich – nicht nur im Vergleich mit Bastians Auftreten, sondern vor allem angesichts der Tatsache, dass die Werke des wohl wichtigsten deutschen Künstlers der Nachkriegszeit akut bedroht sind.

Auch kommt ihre Einsicht reichlich spät. Paust arbeitet bereits seit zwölf Jahren in dem Haus – zwölf Jahre, in denen sie den unsachgemäßen Umgang mit den Beuys-Werken hingenommen hat. Im September soll ihr Haus geschlossen werden und ein Jahr später umgestaltet wieder eröffnen.
Bastian mag an einen Neuanfang im Moy­land nicht glauben. Seine Forderung: Die Sammlung soll aus Moyland abgezogen und an einem neuen Standort in Düsseldorf präsentiert werden – und zwar in einem Kupferstichkabinett, das die empfindlichen Arbeiten schützt. Er verschickt mittlerweile Postkarten an Kulturschaffende und Presse mit einer Aussage von Bettina Paust, die ihre Inkompetenz belegen soll.

Bastians Attacken mögen unfein scheinen – doch was er skandalisiert, ist tatsächlich einer der massivsten Museumsskandale der jüngeren Vergangenheit. „Moyland ist eine nationale Schande, eigentlich müsste man die Verantwortlichen verklagen“, sagt Bastian. Der Druck, der auf Bettina Paust lastet, ist enorm.