Kunst-Werke Berlin

Zur Vorstellung des Wohnterrors

Hätte Absalon sein Werk bis heute fortführen können, wäre er ein bedeutender Gegenwartskünstler, eine feste Größe wie Bruce Nauman oder Marina Abramovic, deren Methoden der Selbstvermessung er beherrschte und in eine skulpturale, architektonische Richtung lenkte. Er baute „Zellen“ für ein auf das Wesentliche reduziertes Leben. Man wüsste gern, zu welchen Schlüssen Absalon gekommen wäre, hätte er seine radikalen Experimente weitertreiben können. 1993 starb der als Meir Eshel im israelischen Ashdod Geborene in Paris an Aids, im Alter von 28 Jahren. In der Kunstwelt war er nur Insidern bekannt, wurde einmal 1992 auf der Documenta IX ausgestellt und schließlich fast vergessen.

Mit einfachen Mitteln ging Absalon den Fragen nach, was wir brauchen, was wir zu ertragen imstande sind und unter welchen Bedingungen wir uns einrichten im Unzureichenden. Seine zur Erforschung dieser existenziellen Parameter entwickelten minimalistischen Wohnkapseln ähneln architektonischen Modellen im Originalmaß. Zwischen vier und acht Quadratmeter groß, vereinen sie auf kleinster Fläche das Notwendigste – Küche, Bad, Schlafgelegenheit, spartanisches Mobiliar, gefertigt aus Holz und Gipskarton. Alles ist strahlend weiß gestrichen: die maximale Objektivierung des privaten Raums.

Absalon ging es um Disziplinierung, um Funktionalisierung des Körpers, um die Skelettierung aller Bedürfnisse. Dabei sind die Zellen mehr als eremitische Kammern der Selbstbefragung. Einmal ausgestellt (oder im öffentlichen Raum aufgebaut, so war sein Plan), werden die kargen Behausungen auch zu kontrollierbaren Parzellen, zu überwachbaren Einheiten. In einem Film masturbiert Absalon diskret – eine Revolte gegen die selbst auferlegte Kasteiung, die wiederum als Revolte gegen den kapitalistischen Konsumismus gedacht war.

Die Berliner Kunst-Werke (KW) präsentieren in der großen Ausstellungshalle die Zellen, die er für die Städte Paris, Tokio, Zürich, Frankfurt am Main oder Tel Aviv baute, in den oberen Räumen seine Filme. Einen, „Bruit“ von 1993, zeigte vergangenes Jahr der Hamburger Bahnhof zum ersten Mal: Absalons Schreie, die er sorgfältig wie bei einem wissenschaftlichen Versuch von sich gab, jeder davon aber Zeichen kompletter Öffnung, drangen durch das ganze Gebäude (und brachten den zuständigen Wärtern den Ruf als „härteste Jobber Berlins“ ein).

Viele wurden dort erstmals auf Absalon aufmerksam, KW-Kuratorin Susanne Pfeffer kämpfte bereits um seine erste umfangreiche Schau. Was vom Werk, das in so kurzer Zeit entstand, übrig ist, war schwer zusammenzustellen: die Arbeiten in alle Welt verstreut, die Werkliste lückenhaft. Dabei sieht Absalons Kunst, sehen seine Konstruktionen immer absolut heutig aus. Und die Fragen, die ihn beschäftigten, sind noch lange nicht gelöst. 

Kunst-Werke Berlin, 28. November bis 20. Februar 2011. Eröffnung am 27. November, 17-22 Uhr