Interview mit dem Galeristen Rainer M. Ludorff

"Eine Galerie ist immer auch ein wirtschaftliches Unternehmen"

Die Düsseldorfer Galerie Ludorff wird 40. Rainer M. Ludorff, Kunsthändler der alten Schule, über Jugendsünden und Zukunftsaussichten

Herr Ludorff, herzlichen Glückwunsch zum 40. Jubiläum Ihrer Galerie! Würden Sie heute auch noch diesen Beruf wählen?
Aber ja! Ich bin mit 31 vom Sammler zum Händler geworden. Und ich bedaure jeden Tag, an dem ich etwas anderes gemacht habe. Das war mir nicht in die Wiege gelegt, obwohl ich sehr jung war. Fünf Jahre vorher wäre es schon möglich gewesen, aber ich habe nicht daran gedacht, diesen Schritt zu tun.

Sie haben sehr früh angefangen, Zeichnungen und Grafiken der deutschen Expressionisten zu sammeln.
Damit habe ich schon während meines Studiums angefangen. Meine Eltern haben zwar das Studium bezahlt, aber was ich mir in den Semesterferien verdient habe, war frei verfügbar. Dann haben wir Grafiken des Deutschen Expressionismus erworben, ich und meine Frau, die ich während des Studiums kennengelernt habe. Aquarelle und Größeres waren zu teuer. Und selbst die Grafiken musste ich in Raten abbezahlen. Als junger Sammler war es nicht so einfach, in die Galerie zu gehen und etwas von der Wand zu kaufen.

Haben Sie von Anfang an auch zeitgenössische Kunst gesammelt oder kam das erst später?
Eigentlich habe ich mit zeitgenössischen Dingen angefangen. Aber ich habe dann nicht den richtigen Zugang gefunden, und die Dinge, die ich erworben habe, haben sich nicht so entwickelt. Mir fehlte die richtige Anleitung. Das nenne ich bei meinen Kunden immer "Jugendsünden". Ich habe beispielsweise Arbeiten von einem Künstler gekauft, der gute "FAZ"-Kritiken bekam und große Ausstellungen hatte, aber dann aufgrund des Erfolgs plötzlich in Indien verschwand. Er wurde über Jahre nicht gesehen, und als er wiederkam war er ausgebrannt und man hat nie wieder etwas von ihm gehört. Oder ein anderer war ein begnadeter Zeichner, dem hat man die gleichen Fähigkeiten attestiert wie Horst Janssen. Er hatte auch große Ausstellungen in Berlin, tauchte aber plötzlich ab und ging in den Schuldienst. Dann kam nichts mehr. Dann hatte ich aber das Glück, Hans Pels-Leusden, von der gleichnamigen Galerie, Florian Karsch von der Galerie Nierendorf und Professor Leopold Reidemeister vom Brücke-Museum kennenzulernen. Die waren alle sehr klassisch orientiert und haben mir die Brücke-Künstler nahe gebracht. So habe ich dann angefangen, Grafik aus diesem Bereich zu sammeln. 

Wie viel unternehmerisches Talent gehört zum Galeristendasein?
Ich würde sagen: eine ganze Menge. Sie können das daran messen, dass es alle Galerien nicht mehr gibt, die damals gleichzeitig mit uns an die Öffentlichkeit gegangen sind. Und das waren sicher mehr als ein Dutzend, als ich mich 1975 selbständig gemacht habe. Die meisten waren nach zehn Jahren verschwunden. Einige haben ein paar Jahre länger ausgehalten. Das mag man deuten wie man will, aber eine Galerie ist immer auch ein wirtschaftliches Unternehmen. Die kunsthistorische Seite ist die eine, die kaufmännische die andere. Man muss Miete zahlen, es muss Kataloge geben. Da kann man nicht als Seiltänzer in 50 Meter Höhe auf dem Seil gehen, ohne Gefahr zu laufen, abzustürzen. 

In den 60ern und 70ern war Düsseldorf  ein Zentrum zeitgenössischer Kunst.
Ja. Obwohl es da gerade anfing, sich nach Köln zu verlagern. Düsseldorf war aber auch ein Zentrum für klassische Kunst, durch die Galerie Großhennig, und die Galerie Vömel, mit  Herrn Vömel senior. Und die Galerie Schmela hat den Boden bereitet. Viele wissen nicht, dass Schmela neben den Zeitgenossen und der Gruppe Zero auch immer klassische Kunst gehandelt hat. Aber an die große Glocke gehängt wurden eher die Avantgarde-Werke, die er gezeigt hat. 

Wie hat sich die Szene verändert?
Sie ist sehr viel größer geworden. Der Mittelpunkt ging erst nach Köln, von dort aus wollten alle nach Berlin. Im Rheinland gab es zunächst die Internationale Kunst- und Informationsmesse, ab 1970 den Kölner Kunstmarkt. Der wechselte später zwischen Köln und Düsseldorf. Dann wanderte der Kunstmarkt ganz nach Köln ab. Die Sammler, vor allem in unserem Bereich, aber zunehmend auch im moderneren Bereich sind Düsseldorf treu geblieben. Düsseldorf hat auch eine Magnetfunktion für das ganze Ruhrgebiet. Das hängt natürlich auch mit dem Kunsthistoriker Professor Werner Schmalenbach und dem wunderbaren K20 zusammen.  

Der Berliner Galerist Alexander Ochs sagte vor kurzem, es gebe mehr Ausstellungsmöglichkeiten in NRW als in Berlin. Stimmt das?
Das kann ich mir gut vorstellen. Nehmen Sie allein den Radius von 60 Kilometer um Düsseldorf — Köln, Dortmund, Essen, Bochum, Marl, Krefeld, Wuppertal, eine Vielzahl von Museen und Kunsthallen. Es gibt nur im Moment einen Hype um Berlin. Die lebenden Künstler wollen alle dort hin, aber die Sammler sind eben hier, nicht in Berlin.  

Sie zeigen gerade eine Ausstellung mit dem Besten aus 40 Jahren. Was sind Ihre persönlichen Highlights?
Schwer zu sagen. Das hat sich kontinuierlich nach oben entwickelt. Es gab natürlich wichtige Ausstellungen. Zum Beispiel die erste Lovis-Corinth-Ausstellung, das war 1977. Oder die erste Max-Liebermann-Ausstellung, 1979. Und die große Alexej-von-Jawlensky-Ausstellung, Anfang der 90er. Es gab auch große Werke, die wir in Sammlungen vermittelt haben. Aber das hängen wir nicht an die große Glocke. Eigentlich freut uns der kontinuierliche Erfolg. Wir haben alle Wirtschaftskrisen – nicht zuletzt 2008 – überstanden und trotzdem unseren Radius erweitert. 

Es gibt mittlerweile auch viele Händler, die außerhalb von Galerien agieren. Welche Bedeutung haben Galerien heute noch?
Diese Händler führen ja ein rein vermittelndes Geschäft. Außerdem sind es oft Händler, die zeitweilig in irgendeiner Galerie gearbeitet haben und daher ihre Adressen bezogen haben. Aber dann vermitteln sie von der Wohnung aus. Dafür braucht man einen großen Fundus an Kontakten. Ich glaube, Galeriearbeit ist sehr wichtig, denn es geht auch darum, neuen Sammlern, die Kunst nahezubringen. Das kann man eigentlich nur in einer Galerie. Ein anderer Aspekt: Junge Kunst muss gezeigt werden. Die kann man nicht aus der Wohnung vermitteln. Wir werden ja daran gemessen, welche Qualität unsere Kataloge haben und welche Kunstwerke wir für unsere Ausstellungen zusammenbekommen. Wenn eine repräsentative Ausstellung mit einem jungen Künstler Erfolg hat, ist das eine wunderbare Sache. Diese Aufbauarbeit muss aber auch finanziert werden. Das tun wir mit Erfolgen im klassischen Bereich. Daran scheitern natürlich viele junge Galerien. Wir haben das Glück, dass wir eine Querfinanzierung vornehmen können — mit den Gewinnen aus dem klassischen Bereich können wir junge Künstler aufbauen.

Der Kunstkritiker Jerry Saltz hat einmal angemerkt, dass die Galerie als sozialer Treffpunkt weniger wichtig wird.
Ja, vor zwanzig oder dreißig Jahren hatten wir viel mehr Besucher in der Galerie. An bestimmten Wochentagen waren die Galerien Anlaufpunkte für viele Sammler. Vielleicht kamen die Besucher nicht in Scharen, aber häufiger. Das hat sich verändert. Die großen Eröffnungen haben jetzt Eventcharakter. Bei Messen und Vernissagen kommen die Leute zu tausenden. Oder wenn bei Galerieeröffnungen Vorträge gehalten werden und es "free drinks" gibt. Aber zwischendurch ist es eben weniger geworden. Ich denke da an meinen Kollegen Wolfgang Wittrock, der 2001 die Galerie aufgegeben hat, weil zu wenige Besucher kamen. Wir haben hingegen die zentrale Lage an der Königsallee und das erleichtert den Besuch für die Sammler. Da kann man schnell reinschauen.  

Wie sieht der Kunstmarkt in Zukunft aus? Wo sehen Sie ihre Galerie in 40 Jahren?
Ich habe zwar bei unserer Jubiläumsfeier die anwesenden Sammler – das waren über hundert – schonmal zum 50. eingeladen. Aber weiter blicke ich nicht mehr. Da ist mein Sohn Manuel der bessere Ansprechpartner!