Kunst-Tipps

11 Dinge, die Sie jetzt in Berlin sehen sollten

Gefühlt ist in diesem Jahr zur Berlin Art Week noch mehr los als sonst. Hier sind einige Highlights der Monopol-Redaktion als Orientierungshilfe
 

Galerie-Kunst in den Wilhelm Hallen

Die Wilhelm Hallen in Reinickendorf sind selbst für Berliner Verhältnisse etwas abseits gelegen, dafür erfreuen sie aber mit der historischen Patina alter Fabrikgebäude. Zum vierten Mal zeigen hier Berliner Galerien zur Art Week eine gemeinsame Ausstellung – knapp 20 sind es mittlerweile, die das Experiment wagen, ein Kunstfestival aufzuziehen, das nur nebenbei Verkaufsausstellung, vor allem aber gelungene Inszenierung von Kunst ist.

Es gibt viel Platz für Skulpturen von Richard Deacon (Galerie Thomas Schulte), Vorhänge von Kapwani Kiwanga (Galerie Tanja Wagner) oder großformatig abgezogene Fotografien von Annette Frick (Chert Lüdde). Wandfüllend blinkt eine Neoninstallation von John Armleder – sein Galerist Mehdi Chouakri hat mittlerweile auch permanente Galerieräume direkt nebenan.

Zusätzlich finden kuratierte Ausstellungen unter anderem vom Art'Us Collectors' Collective statt, die Deutsche Telekom Collection zeigt eine große Videoinstallation von Agnieszka Polska, und im Performanceprogramm war unter anderem Göksu Kunak mit Poledancing und Bodybuildern zu Gast. Wo die Veranstaltung aus Sicht der Galerien hinwill, ist zwar etwas unklar – es erinnert aber an die alternative Messe Art Berlin Contemporary, die sich am Ende nicht rechnete. Zum Anschauen lohnt es sich jedoch unbedingt. 

"Hallen 4", Wilhelm Hallen, Berlin-Reinickendorf, bis 17. September

Installationsansicht "Hallen 4", Wilhelm Hallen, Berlin, 2023
Foto: © Devid Gualandris

Installationsansicht "Hallen 4", Wilhelm Hallen, Berlin, 2023


Der Widerstand der Sprache bei Savvy Contemporary

Die Ausstellung "It go to have to adjust" bei Savvy Contemporary thematisiert das widerständige Potenzial von Sprache. Dies gelingt der intelligenten Präsentation mit ihren zehn künstlerischen Positionen, weil sie Sprache nicht nur als gesprochenes und geschriebenes System versteht, sondern auch als ein Phänomen, das in der Musik ebenso zuhause ist wie in Zeichnungen oder dem Tanz.

So basieren die Zeichnungen von Lerato Shadi zwar auf Wörtern aus ihrem Tagebuch, die sie in spiralförmiger Anordnung auf Leinen aufträgt, ihre Lesbarkeit aber wird durch eine Faltung des Textils (auch in diesem Wort steckt der Text) verhindert. Jetzt sind die Worte spiegelverkehrt zu sehen - statt eindeutiger Semantik öffnet eine künstlerische "Sehmantik" die Sprache poetisch.

David Zink Yi zeigt sein Filmprojekt "Being the measure", in dem die Sprache der Dinge, hier in Form von als Trommeln genutzten Holzobjekten, mit afrokubanischer Saxofon-Musik kombiniert wird und so der westliche Musikkanon mit dem des "Globalen Südens" konfrontiert wird.

"It go to have to adjust", Savvy Contemporary, Berlin-Wedding, bis 3. Dezember

 

"Skin In The Game" in den KW

Fotos, Zeichnungen, Kostüme, Gestricktes und Gemaltes, riesige Nadeln und Fäden, die an den verschiedenfarbigen Ausstellungswänden entlang mäandern. Die Schau "Skin in the Game" wirkt im Gesamtbild stimmig, aber warum? Sind hier doch Werke von Künstlerinnen zusammengedrängt, die außer ihrem Frausein wenig gemeinsam haben. Ruth Buchanan, Otobong Nkanga, Collier Schorr, Rosemarie Trockel, Joëlle Tuerlinckx und Andrea Zittel sind weder durch ein künstlerisches Thema noch durch einen gemeinsamen Stil oder ein besonderes politisches Anliegen miteinander verbunden.

Und doch gab es für jede von ihnen einen Moment, in dem sie sich der Kunst verschrieben haben – mit Haut und Haar sozusagen. In der von Clémentine Deliss kuratierten und mit Joëlle Tuerlinckx choreografierten Ausstellung "Skin in the Game" sind Prototypen aus den persönlichen Archiven der Beteiligten zu sehen. Tuerlinckx zeigt "den" Fleck, der vom kindlichen Schlammwurf herrührt und später zum Erkennungszeichen ihrer Arbeit wurde. Von Ruth Buchanan sind frühe Fleischarbeiten aus Wollstrick zu sehen, mit denen sich die Neuseeländerin bewusst auf Rosemarie Trockel bezog – deren eigener Ausstellungsbeitrag wiederum aus frühen Strickbildern von 1984-85 besteht.

Das dokumentarische Material aus Andrea Zittels Archiv zeigt erste Experimente um modernistisches Design, Versuche, die Zittel schließlich zu ihren berühmten autarken Wohnzellen führte. So zieht sich durch die Gruppenschau schließlich doch ein roter Faden: die besondere Eigenschaft der frühen Prototypen, für die Künstlerinnen fruchtbar und entwicklungsfähig zu bleiben. Eine hochenergetische Brutkasten-Schau im obersten Stock der Kunst Werke.

"Skin in the Game", KW Berlin, bis 7. Januar 2024

 

"Image Ecology" bei C/O Berlin

Seit wir mit dem Mobiltelefon fotografieren, denken wir über die Materialität des Bildermachens noch weniger nach als zuvor. Bildproduktion als rein virtuelle, sogar schadstofffreie Angelegenheit? Mit dieser irrigen Idee räumt die Gruppenschau "Image Ecology" bei C/O Berlin auf. Denn das Fotomedium, ein Kind der industriellen Revolution, ist von Anfang an (seit den 1820ern) in Rohstoff- und Abfallkreisläufe verwickelt. Und angesichts der Seltenen Erden und anderer Metalle in Handys und Computern ist die zeitgenössische Bildproduktion in etwa so nachhaltig wie Ölverklappung in der Nordsee.

Die von Boaz Levin und Kathrin Schönegg kuratierte Schau präsentiert Werke von Fotoschaffenden, die nicht nur den fossilen Kapitalismus und die Folgen etwa für das Klima in den Fokus nehmen, sondern auch ihr eigenes Medium kritisch reflektieren. Die französische Künstlerin Léa Habourdin verknüpft die Vergänglichkeit des Waldes mit der Flüchtigkeit fotografischer Bilder, indem sie Waldfotos statt mit Chemikalien mit Pflanzensäften aufs Papier bringt (Anthotypie). Habourdin verbirgt die höchst lichtempfindlichen Aufnahmen hinter Schutzklappen. Wer ihre Bildschränkchen – bitte nur kurz! – öffnet, tut das im Bewusstsein, dass das Foto Blick um Blick weiter verblassen wird.

Das Kollektiv Traces of Nitrate hat sich für die Feldstudie "Trafficking the Earth" mit dem Abbau von Nitrat und Kupfer auseinandergesetzt – Materialien, die durch ihre Verwendung in verschiedensten Industriezweigen eine zentrale Rolle in der globalen Expansion des Kapitalismus einnehmen.

Susanne Kriemann beschäftigt sich mit einem Hybrid aus Pflanze und Plastik, "Mngrv" genannt. Ihre Inkjet-Prints der Ausstellung sind mithilfe von Rohöl und Nylon hergestellt, die in den südostasiatischen Mangroven, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen, gefunden wurden. Der Parcours im Amerika-Haus ist – wie ein Stoffwechselkreislauf – als Rundgang mit thematischen Überschneidungen angelegt. Die Kapitel lauten: "Energie", "Material", "Arbeit" und "Abfall" – bis sich der Kreis mit "Energie" wieder schließt.

Die fesselnde und tiefenscharfe Ausstellung wendet sich gegen eine Unterscheidung zwischen Natur und Kultur. Vielmehr, so die Prämisse, sind Menschen und alles andere auf dem Planeten miteinander verbunden und voneinander abhängig. 15 Künstlerinnen und Künstler stellen aus, darunter auch Tuur Van Balen & Revital Cohen, Julian Charrière und Tobias Zielony.

"Image Ecology", C/O Berlin, bis 18. Januar


Nora Turato bei Sprüth Magers

Nora Turato ist eine echte Wortkünstlerin. Sie sammelt den Sprachmüll unserer Gegenwart und destilliert kurze Sätze und Phrasen heraus, die so humorvolle wie treffende Beschreibung der oft absurden Klischees, Zustände, Zwänge formen, die uns umgeben. In ihren Performances schleudert sie dem Publikum atemberaubende Textmengen entgegen. Und in ihrer ersten Ausstellung bei der Galerie Sprüth Magers verwandelt sie ihre Destillate in eine kompakte, überzeugende Rauminszenierung.

Eine Wandmalerei mit großen Lettern füllt den Raum. Darauf hängen große Emaille-Bilder mit grafischen Motiven wie aus einem Computerspiel der 1980er-Jahre. "Not yourself?" kommt es einem mit pseudo-empathischer Therapeutenhaftigkeit von einem Bild entgegen, ein anderes fragt: "Does that make any sense?" Die Antwort lautet: Ja, vielleicht, vor allem aber macht es Spaß.

Nora Turato "Not your usual self"?, Sprüth Magers, Berlin-Mitte, 16. September bis 7. Dezember


Edvard Munch in der Berlinischen Galerie

Bei so viel radikaler Gegenwart bei der Berlin Art Week kann ein wenig radikale Moderne direkt entspannend sein. Die Berlinische Galerie zeigt den Malerei-Dauerbrenner Edvard Munch und konzentriert sich auf seine Beziehung zu Berlin, wo der Norweger vom späten 19. Jahrhundert bis in die 1930er-Jahre immer wieder lebte und ausstellte - und dort mit seinem expressiven, sehr unakademischen Stil auch für einige Skandale sorgte.

Die Ausstellung zeigt Versionen einiger Munch-Klassiker wie dem "Vampir", der "Madonna" und dem "kranken Kind", bietet aber auch weniger kanonische Lithografien, die sein außergewöhnliches Gespür für Formen und Flächen unter Beweis stellen. Schwelgerisch sind auch die eisig blauen norwegischen Landschaften, die einem im Berliner Spätsommer einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lassen. Kombiniert werden Munchs Gemälde mit anderen Werken aus den Beständen der Berlinischen Galerie, die die Fasznination europäischer Maler für alles Nordische zeigen.

"Edvard Munch: Zauber des Nordens", Berlinische Galerie, Berlin-Kreuzberg, bis 22. Januar 2024


Annicka Yi bei Esther Schipper

Es ist dunkel wie auf dem Meeresboden im großen Galerieraum von Esther Schipper, und das, was von der Decke baumelt, ähnelt technoiden Quallen. Die Skulpturen vibrieren, bewegen leise klackend ihre Tentakel, werden von gelegentlichen Lichtströmen durchzittert. Sie sind umgeben von Malerei, die ebenfalls aus einer anderen Welt zu stammen scheint: organische Schlieren, die feucht glänzen, formieren sich zu abstrakten Formen.

Texturen von Blutzellen oder Algen sollen die Ursprung dieser Bildwelten sein, die die Künstlerin im kreativen Ping Pong mit gleich mehreren Künstlichen Intelligenzen geschaffen hat. Wer in die Zukunft der Kunst schauen will, sollte Anicka Yis erste Ausstellung bei der Galerie Esther Schipper nicht verpassen.

Annicka Yi "A Shimmer Through The Quantum Foam", Esther Schipper, Berlin-Tiergarten, bis 21. Oktober

Annicka Yi "A Shimmer Through The Quantum Foam", Esther Schipper, 2023
Foto: Andrea Rossetti

Annicka Yi "A Shimmer Through The Quantum Foam", Esther Schipper, 2023


Luc Tuymans und Edith Clever in der Akademie der Künste

In einer neuen Serie stellt die Akademie der Künste in Berlin Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Gattungen gegenüber – und gleich der Auftakt überzeugt. Der belgische Maler Luc Tuymans hat die deutsche Schauspielerin und Regisseurin Edith Clever ausgewählt, und was sich im Zusammenspiel der beiden entwickelt, ist glücklicherweise kein bemühtes Crossover, sondern das Aufeinandertreffen zweier eigenständiger, resoluter Positionen.

Die Schau beginnt mit einem cinematographischen Porträt Clevers, das die Schauspielerin am "Ende ihres Arbeitsjahre" zeigt: Eine Großaufnahme ihres Gesichts, das sich langsam bewegt. Pure Ausdruckskraft, in die sich alle möglichen Emotionen projizieren lassen – denn Clever spricht während des Film kein einziges Wort. Am Ende wiederum steht ein Selbstporträt von Luc Tuymans, das dieser vor knapp 40 Jahren, am Anfang seiner Laufbahn, malte.

Die Farbe ist, typisch Tuymans, horizontal aufgetragen, was das Bild flach und unscharf erscheinen lässt; es ist ein unpersönliches Gesicht, das keine Identifikation und Sentimentalitäten erlaubt, was die konzentrierte Spannung des Porträtierten umso stärker hervortreten lässt. Zwischen den Polen dieser beiden Arbeiten entfaltet sich anhand Tuymans' Gemälde und verschiedener Theater- und Filmbilder Edith Clevers ein Dialog über die Möglichkeiten und Grenzen von Malerei und Schauspielkunst, von Farbe, Stimme und Körper, Psychologie und Sinnlichkeit. Es geht um Fragen der Andacht und des Vermächtnisses – flüchtige Schauspielkunst, ewige Malerei? – und gerade in Tuymans Bildern immer wieder auch um Mechanismen von Gewalt.

Das Bild "Die blaue Eiche", eine Referenz auf eine Zeichnung von Caspar David Friedrich, hängt neben dem Porträt "Himmler" und verknüpft deutsche Romantik mit der Nazizeit. "Der Architekt" zeigt Hitlers Baumeister Albert Speer und erinnert an die deutsche Geschichte, die durch das Haus spukt.

Die Preußische Akademie der Künste musste 1938 aus dem Haus am Pariser Platz ausziehen, weil Speer es mit seiner Planungsstelle für die Reichshauptstadt besetzte. Über einen unterirdischen Gang vom Reichstag aus suchte Hitler Speer des Öfteren auf, um sich erste Modelle für die Welthauptstadt Germania anzuschauen. Man saß in den Räumen, in denen jetzt Tuymans auf Edith Clever trifft.


"Luc Tuymans - Edith Clever", Akademie der Künste, Pariser Platz, Berlin-Mitte, bis 26. November

Luc Tuymans "Der Architekt"
Foto: Courtesy Luc Tuymans

Luc Tuymans "Der Architekt"


Kunstmesse Positions

Im zehnten Jahr ihres Bestehens scheint die Positions ganz zu sich gekommen zu sein: Als Messe, die die Hangars am Flughafen Tempelhof mit einem professionellen Look und einer dezent eleganten Kojenlandschaft bespielt; als Ort, wo sich junge Kunst entdecken und für kleines Geld erwerben lässt, aber auch etablierte Positionen angeboten werden – und wo man nicht zuletzt auch gute Leute trifft und ins Gespräch kommt.

Zum Beispiel mit Andreas Pucher, Partner der Galerie Fuchs. Die Stuttgarter Händler nahmen sich schon vor Jahren des Werks des früh verstorbenen US-Malers Patrick Angus an, der in den Achtzigern das schwule Leben New Yorks festgehalten hat. 2016 brachten die Galeristen eine große Monographie über den Künstler heraus, und spätestens seit einer großen Werkschau im Kunstmuseum Stuttgart erfährt Angus' Werk die überfällige Anerkennung. Auf der Positions bietet die Galerie Fuchs jetzt ein schönes Selbstporträt an, sowie kleinere Zeichnungen, die die für Angus typische Kombination aus Schonungslosigkeit und großer Sensibilität verraten.

Passend dazu ist die Malerei von Rainer Fetting, der ebenfalls schon in den 80ern in New York unterwegs war und von dem Thomas Fuchs auch die Skulptur "Rückkehr der Giganten" anbietet: Sie zeigt Van Gogh und Paul Gauguin als nacktes Paar. Dass in den 70ern und 80ern noch ganz andere Tabus herrschten, musste auch Carole Feuerman erfahren. Den Arbeiten Duane Hansons nicht unähnlich, schuf die US-Amerikanerin ab Mitte der 70er Werke wie den hyperrealistischen Torso einer nackten Figur mit Frauenbrüsten, Männerhänden und einer roten Krawatte. Die humorvolle Allegorie war damals zu heftig für den Markt – und darf heute als Pionierarbeit feministischer Kunst gelten.

Dass die Karriereleiter für Frauen auch heute noch tückisch ist, zeigt Zane Zeivate. Neben ihrer gekrümmten Leiter-Skulptur zeigt die lettische Künstlerin am Stand der aus Riga angereisten Galerie Maksla XO außerdem Interieurmalerei, deren naiver Stil durch den politischen Inhalt konterkariert wird: Frida Kahlo trifft auf Angela Davis. Apropos Mexiko: Zum 30-jährigen Bestehen der Partnerschaft zwischen Berlin und Mexico-City bilden ausgewählte mexikanische Galerien einen Schwerpunkt der Messe – mit dabei ist etwa der 2018 gegründete Projektraum Lagos, der an seinem Stand Arbeiten von Beatriz Morales, Luis Carrera Maul und Emilio Chapela zeigt.

Immer lohnenswert ist auch ein Besuch der Sektion "Academy Positions", die die Arbeiten von Absolventen und Absolventinnen deutscher Kunsthochschulen zeigt. Laurel Chokoago erkundet in ihren auf Acrylglas gedruckten Fotografien Schwarze Identitäten; Jared Cooper Cobain malt mit 70er-Jahre-Palette Innenräume wie Partykeller, die so verzerrt, surreal aber irgendwie auch sehnsüchtig wirken wie eine Kindheitserinnerung;  Katia Lina Sternels mit Pflastersteinen gefüllte Alditüte, der Wäschekorb und der Kochtopf wiederum verbinden Konzepte von Häuslichkeit und Öffentlichkeit. Ein Trend: ist beim besten Willen nicht auszumachen, die Werke des Kunstnachwuchses sind so divers wie unsere Gegenwart. 

Auch auf große Namen muss man bei der Positions nicht verzichten: Wer endlich mal einen Albert Oehlen haben wollte, leider aber keine Million für eine Malerei übrig hat, wird bei der Handsiebdruckerei fündig. Die Berliner Druckwerkstatt hat wunderbare und bezahlbare Editionen von Oehlen, André Butzer oder Nadine Fecht im Angebot.  

"Positions Berlin Art Fair", Flughafen Tempelhof Berlin, bis 17. September


Performance und Videokunst bei "The Fairest"

Betritt man das Kühlhaus am Gleisdreieck in Berlin, findet man im ersten Stock zunächst eine raumfüllende Installation des Berliner Fotografen Vitali Gelwich. "With nothing you see me" besteht aus Videoloops, die auf neun großen Screens abgespielt werden und vor leuchtend weißem Hintergrund jeweils eine Person allein im leeren Raum zeigen. Lautes Gelächter der Gefilmten schallt als Sound durch die Räume und erfüllt die alte Fabrikhalle. Gelwich thematisiert den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft zwischen Hedonismus, Utopie und Überkonsum und eröffnet einen neuen Zugang zu Gefühlen wie Angst, Scham und Erniedrigung. Er lädt dazu ein, hinzuschauen und dieses Unbehagen auszuhalten, anstatt sich lediglich abzuwenden.

Die Arbeit ist Teil von "The Fairest 02: Get used to this". 2021 wurde das Messeformat von den Kuratorinnen Eleonora Sutter und Georgia Pope als hybride kuratorische Plattform für junge, aufstrebende Künstlerinnen und Künstler gegründet. "The Fairest" zeigt eine vielfältige Mischung aus Perfomance, Videokunst und Installation. Die diesjährige Ausstellung erstreckt sich über drei Stockwerke des alten Industriestandorts Kühlhaus und zeigt Werke von über 20 verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern.

"The Fairest 02: Get used to this", Kühlhaus Berlin, bis 17. September

Vitali Gelwich "With nothing you see me", Installationsansicht
Foto: Courtesy Vitali Gelwich

Vitali Gelwich "With nothing you see me", Installationsansicht Kühlhaus Berlin


Gallery Weekend Festival 

Das in diesem Jahr erstmals stattfindende Gallery Weekend Festival ist so etwas wie das neue Spielbein der Berliner Galerien: An dem Event sind über 40 Galerien beteiligt, die zusätzlich zu ihren Stammhaus-Ausstellungen (irgendwo muss die Miete ja reinkommen) Beiträge ihrer Künstlerinnen und Künstler präsentieren, die eher nicht verkäuflich sind, aber dafür umso interessanter: Performances, Screenings, Sounds, Lesungen, Installationen. Das von Sandra Teitge kuratierte Programm startet am Samstagmittag mit Performances und Lesungen (unter anderem von Frieda Toranzo Jaeger, Ana Prvački und Nicholas Grafia sowie einem Gespräch zwischen Nora Turato und der Autorin Stephanie LaCava); am Nachmittag folgen Soundperformances von Leyla Yenirce mit Vienna Gist, Susan Philipsz mit Luca Diebold, Theresa Patzschke und Eleni Poulou sowie eine Performance und ein DJ Set von Maque Pereyra.

Der Sonntag beginnt mittags mit einer Soundperformance von DAF (Dynamische Akustische Forschung), es folgen Lesungen von Philipp Simon und Sofia Defino Leiby, ein Gespräch und Konzert von Raphaela Vogel mit Juliane Liebert und Daniel Roth sowie eine anschließende Performance von Elisa Giardina Papa mit der Musikerin duendita und eine Soundperformance von Leda Bourgogne. Frankie schließt das Programm mit Cellospiel und Gesang ab. 

Nebenbei laufen an beiden Tagen Filme (unter anderem von Peter Wächtler, Nina Könnemann, Kandis Williams, Pauline Curnier Jardin, Eli Cortiñas, Juliette Blightman, Peter Friedl, Cornelia Schleime, Ulla von Brandenburg, Peggy Buth, Loretta Fahrenholz, Cemile Sahin, Britta Thie und Friedrich Kunath) und gibt es zahlreiche künstlerische Interventionen im und am Spielort des Festivals – dem ehemaligen Hotel Mondial am Kurfürstendamm. Und weil ja auch die Berliner Szene allmählich erwachsen geworden ist, gibt es eine kostenlose Kinderbetreuung.

"Gallery Weekend Festival" , Berlin, bis 17. September

Elisa Giardina Papa "Trizzi di Donna #1", 2022
Foto: Nicolò Gemin

Elisa Giardina Papa "Trizzi di Donna #1", 2022