Kunst-Tipps

12 Galerie-Ausstellungen, die sich jetzt lohnen

Galerien gehören im Teil-Lockdown zu den wenigen Orten, an denen man Kunst "live" erleben kann. Wir stellen Ausstellungen vor, die man jetzt sehen sollte

 

Wegen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gelten Abstandsregeln, Maskenpflicht und beschränkte Personenzahlen in den Galerieräumen. Wir empfehlen, sich vor dem Ausstellungsbesuch auf  den Websites der Institutionen zu informieren.

 

Günther Förg in Frankfurt

Fünf Jahre vor seinem Tod malte Günther Förg 2008 eine Reihe von Kleinformaten, die jetzt in der Galerie Bärbel Grässlin zu sehen sind. Einmal mehr testete der große deutsche Künstler die Grenzen der Malerei aus, mit wenigen Tönen zwischen Schwarz und Weiß. Ein beständiges Weiterdenken, Weitermalen, das ungebrochen fasziniert.

"Günther Förg. Ohne Titel, 2008", Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt am Main, bis 19. Dezember

 

Cindy Sherman und Andrea Zittel in Berlin

Während des Lockdowns tröstet Sprüth Magers das Kunstpublikum mit neuem Bildern einer ihrer Star-Künstlerinnen. Cindy Sherman zeigt erstmals in Europa ihre neue Serie von 2019, in der sie schwerpunktmäßig in die Haut einer rätselhaften Spezies schlüpft: Männer. Parallel sind Arbeiten auf Papier von Andrea Zittel zu sehen, die Architekturfragmente und Landschaften aus der Wüstenregion Joshua Tree aufnehmen, wo Andrea Zittel eine Künstlerkolonie aufgebaut hat.

Cindy Sherman und Andrea Zittel, Sprüth Magers, bis 13. Februar 2021

 

Mohamed Bourouissa in Frankfurt

Mohamed Bourouissa ist der Träger des Deutsche Börse Photography Prize 2020, der jährlich in London verliehen wird. Erstmals zeigt er seine Arbeiten in Frankfurt, wo die Deutsche Börse ihren Sitz hat, aber nicht im business-verspiegelten Eschborn sondern in einer Altbau-Etage in der Innenstadt.

Bei Parisa Kind sind neben der Fotoserie "Shoplifters" und dem Film "Nasser" auch Zeichnungen und Skulpturen zu sehen, die rund um seinen Film "Horse Day" (2014-2016) entstanden sind. Dafür arbeitete Bourouissa monatelang mit den Schwarzen Bewohnern eines Vororts von Philadelphia zusammen und revitalisierte mit ihnen den von den Behörden geschlossenen Reitclub "Fletcher Street Urban Riding Club".

Selbst organisiert kauften sie Pferde und Ponys von einem Schlachtbetrieb auf und schmückten die Tiere erst aufwendig, wie man es aus der Autotuning-Szene kennt. Dann ließen sie sie in einem Wettbewerb antreten. Bourouissa befasst sich hier mit den der tradierten Cowboy-und-Indianer-Erzählung des "American West", die in der Filmgeschichte die nicht unwesentliche Beteiligung von Afroamerikanern zumeist unterschlägt.

Mohamed Bourouissa "Nasser", Parisa Kind, Frankfurt am Main, bis 28. November


Nadira Husain und Zoë Claire Miller in Berlin

Man befinde sich irgendwann in der Zukunft, lange nachdem die Welt von Feuern verwüstet wurde, die bei obskuren Gender Reveal Parties in den Wäldern entstanden, hieß es in der Einladung zur Ausstellung "Bastard Magical Pragmatism". Die Schau dokumentiere eine lange vergangene Ära, in der Sexismus, Umweltzerstörung und Neokolonialismus an der Tagesordnung waren.

Noch dürfen wir diese Probleme nicht der Vergangenheit zurechnen, aber über die Enttäuschung hilft hier die extrem gelungene Kunst hinweg. Nadira Husain, eine der interessantesten Künstlerinnen zur Zeit, zeigt ihre aus Textil collagierten, komplexen Gemälde in Kombination mit umwerfenden Keramiken, die mit ihren runden Hinterbacken und Brüsten an Körper gemahnen – allein damit man drüberstreicheln darf, würde man sie gern besitzen. Husain hat Zoë Claire Miller eingeladen, deren Keramiken und Skulpturen das Bild mit noch deutlich expliziterem feministischen Aktivismus komplettieren.

Nadira Husain und Zoë Claire Miller "Bastard Magical Pragmatism", PSM, Berlin, bis 12. Dezember

 


Michael Sailstorfer in München

Das Kunstwochenende Various Others war eines der wenigen Kulturevents, das in diesem Jahr stattfinden konnte. In München findet man davon noch einige Spuren, zum Beispiel bis zum Samstag, 28. November, in der Galerie Rüdiger Schöttle. Wenn die Galerie die Maskenskulpturen von Michael Sailstorfer präsentiert, holt man damit einen Münchner "nach Hause", der schon lange bei der Berliner Galerie Johann König ist. Außerdem wird am Wochenende noch das eigene Programm mit Helene Appel und Thu Van Tran gezeigt.

Michael Sailstorfer, Helene Appel und Thu Van Tran, Galerie Schöttle, bis 28. November


Pakui Hardware in Berlin

Wer den Seitenraum der Galerie Carlier Gebauer in Berlin betritt, kann sich an einen Operationssaal erinnert fühlen. Die ausgestellten Skulpturen wecken Assoziationen an OP-Tische, auf denen organische Formen aufgebahrt sind. Die Oberflächen wirken einerseits steril, doch an mehreren Stellen wuchern Kulturen aus Chiasamen und dunklen Pünktchen, die wie Insekteneier aussehen.

Das Künstlerduo Pakui Hardware entwirft hybride Installationen, in den Körper und Technik nahtlos ineinander übergehen. Über den Skulpturen schwebt ein riesiges Mobile, das an überdimensionierte medizinische Spiegel oder Mikroskoplinsen erinnert - und die Betrachtenden zu winzigen Organismen im Raum schrumpfen lässt. Gerade in der Corona-Pandemie erinnern Pakui Hardware daran, wie durchlässig Körper sind und wie symbiotisch und unentwirrbar sie mit der Umwelt verbunden sind.

"Pakui Hardware: Absent Touch", Carlier Gebauer, Berlin, bis 9. Januar 2021

 

Bradley Davies in Köln

Es gehört zum Wesen der Kunst in der Moderne, dass sie dem Verdacht der Hochstapelei ausgesetzt ist, denn Kunst kann alles sein, was von ihrem Erschaffer, ihrer Erschafferin und einer noch so kleinen Fangemeinde als solche erklärt wird. Wenn der 1990 geborene Künstler Bradley Davies seine Ausstellung in der Kölner Galerie Clages "Hochstapler" nennt, nimmt er den Skeptikern schon mal den Wind aus den Segeln. Und hier wird tatsächlich hoch gestalpelt: So verwandelt Davies den Boden in ein Häuserdach, indem er Bitumen verlegt und Schornsteine installiert. Die Frage nach der Täuschung zieht sich durch die gesamte Ausstellung, die durch ihre visuelle Stärke überzeugt.

Bradley Davies "Hochstapler“", Clages Gallery, Köln, bis 9. Januar 2021

 


Johann Grimonprez in Frankfurt

Johann Grimonprez’ Essayfilm "D-I-A-L History", der die Geschichte von Flugzeugentführungen im Fernsehprogramm nacherzählt, wurde 1997 auf der Documenta 10 gezeigt. Grimonprez’ großes Thema, manipulative Erzählmethoden in den Medien, untersucht er kritisch und bedient sie zugleich.

Auch in seinen neueren Filmen, die jetzt in der Galerie Anita Beckers laufen: In "Blue Orchids" von 2017 geht es um Waffenhandel, aber aus zwei völlig unterschiedlichen Perspektiven. In "Raymond Tallis on tickling" von 2017 erklärt der Neurologe Tallis kühne Thesen über das menschliche Bewusstsein, die er erstaunlich schlüssig am Beispiel des Kitzelns, beziehungsweise der Unmöglichkeit sich selbst zu kitzeln, darlegt. Grimonprez agiert als Filmemacher immer teils journalistisch auf der Suche nach irren Stories, teils dokumentarisch, teils fiktional, selbst in der Irreführung immer auf der aufklärerischen Seite.

Johann Grimonprez "Every Day Words Disappear, Galerie Anita Beckers, Frankfurt am Main, bis 28. November

 

Wolfgang Tillmans in Berlin

Das Leben fühlt sich gerade etwas eng an, Tendenz hyggelig und eigener Herd, da kann diese Ausstellung helfen. Wolfgang Tillmans hat in den Räumen der Galerie Buchholz neue Fotografien und unbekannte Arbeiten aus älteren Serien installiert, die uns auf eine Reise schicken von New York bis nach Addis Abeba und vom Kiez bis zum Mond, von Körpern zur Abstraktion und von der Clubnacht bis zu den kleinen großen Rätseln des Universums. Man kommt aus dieser Ausstellung heraus - und kann irgendwie frei atmen.

Wolfgang Tillmans, Galerie Buchholz, Berlin, bis 30. Januar 2021


Michael Pfrommer in Frankfurt

Manchmal fragt man sich ja schon, wie man immer noch malen kann: Was gibt es da noch zu sagen? Zum Glück erledigt sich die regelmäßig aufpoppende Frage auch immer wieder, und zwar dann, wenn man mit guter Malerei konfrontiert ist. Humor ist hier allerdings selten anzutreffen, lustige Bilder könnten ja schnell bedeuten, man nehme auch die Malerei nicht ernst, die man ja gerade verteidigt, einfach indem man immer weiter malt.

Michael Pfrommer gelingt all das zugleich: Malen, Mühelosigkeit, Humor, Qualität. In einer fast obsessiven Petersburger Hängung, auch das schon lustig, hat er verschiedenste Formate über die beiden Geschosse der Galerie Philipp Pflug verteilt, die meisten davon Öl auf Jute oder Öl auf Baumwolle, in eigens gebauten Rahmen. Preislich ab 2800 Euro und mit Öffnungszeiten bis zum 23. Dezember sicher auch ein Tipp für Menschen, die sich zu Weihnachten etwas Sinnvolles schenken und eine Malereisammlung starten wollen, denn da gibt es noch so viel zu tun.

Michael Pfrommer, Philipp Pflug Contemporary, Frankfurt am Main, bis 23. Dezember

Michael Pfrommer, Installationsansicht Philipp Pflug, Frankfurt am Main, 2020
Foto: Courtesy Philipp Pflug

Michael Pfrommer, Installationsansicht Philipp Pflug, Frankfurt am Main, 2020

 

Glenn Brown in Berlin

Der britische Künstler Glenn Brown wildert in Kunstgeschichte und Pop-Kultur. An zwei Orten der Galerie Hetzler in der Berliner Bleibtreustraße sind neben Skulpturen und Zeichnungen neue Gemälde von Brown zu sehen, deren Bewegungsfluss einen barocken Duktus schafft und deren deformierte Figurationen reizvoll irritieren.

"Glenn Brown. And thus we existed", Galerie Max Hetzler, Berlin, bis 23. Januar

 

"Orbit" in Frankfurt

Spektakulär ist der Austellungsraum "Orbit" von Arthur Löwen und Béla Feldberg allein schon wegen der Lage im 36. Stockwerk des Messeturms. Der 80er-Jahre-Tower von Helmut Jahn lag lange abseits der Innenstadt-Skyline, jetzt schaut man von hier oben aber auf ein Baukräne-Ballett und viele neue vertikale Quartiere. Die Künstlerliste ist lang: Aline Bouvy, Cemile Deniz Alibas, Dan Kwon, Eliza Ballesteros, Felix Kultau, Immanuel Birkert, Inga Danysz, Jiwon Lee, Koen Delaere, Laura Schawelka, Leon Eisermann, Martin Wenzel, Miriam Schmitz, Neven Allgeier, Rudi Ninov, Sami Schlichting, Sssichtbeton, Stefan Müller, Yana Tsegay. Und fast jedes Kunstwerk geht entweder mit der Aussicht oder mit der kuriosen Situation in einem leeren Büro (einschließlich büromäßiger Deckenbeleuchtung und Fußbodensteckdosen) eine ästhetische Allianz ein.

Am schönsten vielleicht Martin Wenzels zärtlich einander zugewandte, pastellfarbene Baggerschaufeln, Monumente der Arbeit, alt und unwirklich wie Dinosaurierknochen.

"Orbit", Messeturm, 36. Etage, Frankfurt am Main, geöffnet am Samstag, 28. November,  Kontakt via Instagram