Werke aus den RuhrKunstMuseen in Essen

Gipfeltreffen auf dem Hügel

21 Kunstmuseen des Ruhrgebiets tragen ihre Schätze zusammen und zeigen erstmals eine gemeinsam kuratierte Ausstellung. Das Ergebnis dieser Sammlungs-Synergie ist nun in der Villa Hügel in Essen zu sehen 

21x21 - das ergibt 441, und das sind weit mehr Kunstwerke als in der gleichnamigen Ausstellung zu sehen sind. Und es sind weit weniger, als die 21 RuhrKunstMuseen gemeinsam zu bieten gehabt hätten. Die Ausstellung "21x21" in der Villa Hügel in Essen ist der Versuch, im Netzwerk den Beweis anzutreten, dass das Ganze noch immer mehr ist, als die Summe seiner Teile. Ein Blick in die Ruhrgebietsschatztruhe sozusagen.

2010 wurde das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt. Viele Ansprüche und Hoffnungen verbanden sich mit der Idee, die 52 Städte der Region als eine einzige, als Metropole Ruhr, zu denken. 15 Jahre später zeigen die 21 Kunstmuseen der Region, dass nicht alles vergebens war. Erstmals betrachten sie ihre Sammlungen als eine und kuratieren im Team eine gemeinsame Ausstellung.

Regina Selter und Peter Gorschlüter sprechen seit fünf Jahren für das Museumsnetzwerk. Selter ist Leiterin des Museum Ostwall im Dortmunder U, Gorschlüter Direktor des Museum Folkwang in Essen. Ihre Häuser gehören zu den großen, auch über die Grenzen des Ruhrgebietes hinaus bekannten Museen - aber sie dominieren den Zusammenschluss nicht: "Netzwerkarbeit ist Teamarbeit", so Selter. Zwei bis dreimal im Jahr treffen sich alle Museumsvertreter und -vertreterinnen, es gibt Arbeitsgruppen zu Themen wie Bildung, Kunst im öffentlichen Raum oder auch Zukunft. Für die aktuelle Ausstellung sind neben Selter und Gorschlüter auch Leitende vom Osthaus Museum Hagen, Haus Opherdicke, Kunstmuseum Mülheim und vom Märkischen Museum Witten Teil des kuratorischen Teams. "Der Prozess war sehr zugewandt", so Gorschlüter. Er erinnert sich nach eigener Aussage nicht an ernstere Konflikte. 

"Die Erwartung ist, dass wir hier Pflöcke einschlagen"

Was ist es, was sie alle verbindet, als Bewegung und über die Stadtgrenzen hinaus? "Die Vorteile liegen besonders für die kleineren Museen in den gemeinsamen Aktionen", weiß Selter. Trotz begrenzter Budgets können Bildungsprogramme angeboten werden, die ein Haus allein nicht stemmen kann. 

Das Netzwerk hat einen eigenen Förderverein, der Mittel akquiriert, zum Beispiel für die aktuelle Ausstellung. Auch kulturpolitisch sei man gemeinsam stärker. Dazu sagt Peter Gorschlüter: "Die Ruhrkunstmuseen sind Bestandteil der Kulturstrategie des Landes NRW. Wir sind eine Art Vorzeigeprojekt für Vernetzung im Ruhrgebiet, und die Erwartung ist, dass wir hier Pflöcke einschlagen."

Die digitale Plattform 21x21 ist ein solcher. "Das ist wie ein imaginäres Museum, ein großes Ruhrgebietsmuseum", erklärt Gorschlüter die Idee dahinter. "Hier konnten wir uns austoben, hier gab es keine Auflagen, keine konservatorischen Beschränkungen." Stattdessen viele Überraschungen: Die Plattform funktioniert spielerisch, erinnert ein wenig an eine Dating-App. Hier eine Vorliebe, da ein Klick - und das Museumsmatch ist perfekt. Gorschlüter: "Auch für uns gab es hier Entdeckungen, zum Beispiel Werke von Gabriele Münter und Paula Modersohn-Becker im Märkischen Museum Witten, die ich noch nicht kannte." 

Die Qual der Wahl 

Das Konzept folgt dem Prinzip "Impuls und Reaktion", und das klingt einfacher als es war. Es gab keine Vorgabe, welches Museum welches Impuls-Werk ins Rennen schickt: "Wir haben gesagt, es muss nicht das bekannteste Werk sein - überlegt euch, was es erzählt", erinnert sich Selter. Peter Gorschlüter hat für das Museum Folkwang "Hutladen" von August Macke gesetzt: "Expressionismus ist der Kern unserer Sammlung, das Bild ist beliebt beim Publikum, und es hat eine interessante Sammlungsgeschichte", begründet er seine Wahl. 

Regina Selter hat sich für eine Arbeit von Anatol Herzfeld entschieden. Der "Stahltisch" ist das Relikt der Aktion "Drama Tisch" und steht für den Fluxus-Schwerpunkt der Dortmunder Sammlung. Es ist für die Dortmunder aber auch Ausdruck ihres Selbstverständnisses: "Wir wollten mit dieser sehr politischen Arbeit zum Thema Redefreiheit auch ein Zeichen setzen und für das Museum als Ort des Dialogs eintreten."

Auf den Impuls folgten Reaktionen. War sie überrascht? Selter: "Ja, teilweise kannte ich die Arbeiten nicht einmal, die eingereicht wurden." Die Illustration "Der grüne Tisch" von Emil Schumacher war für sie so eine Neuentdeckung, die Lithographie "Stop Bush" von Richard Serra folgerichtig im politischen Sinne, während "Floater 99" von James Turrell mit der Arbeit von Herzfeld eher das Gefühl des Unbehagens teile. Am Ende standen 21 Impulse und jeweils 20 Reaktionen - mal formal, mal inhaltlich, mal assoziativ. Ein wilder, spannender Mix, der zur spielerischen digitalen Lösung gut passt, aber im realen Raum an Grenzen stößt. 

Die glanzvollen und düsteren Kapitel der Ruhrgebietsgeschichte

Dennoch: Mit der Villa Hügel in Essen haben die RuhrKunstMuseen einen Ort gefunden, der für ihr gemeinsames Projekt folgerichtig ist. Einst Repräsentationsort für das Unternehmen Krupp ist die Villa heute im Besitz der Krupp-Stiftung und eng verbunden mit glanzvollen und düsteren Kapiteln der Ruhrgebietsgeschichte. Kein neutraler Ort, aber für die RuhrKunstMuseen dennoch der richtige. 

"Es hätte sicherlich auch eine Unwucht gegeben, wenn man eines der Netzwerk-Museen ausgesucht hätte", findet Barbara Wolf, Sprecherin der Krupp-Stiftung, und schließlich sei die Villa ja auch ein Kulturort. Seit 1953 finden hier Ausstellungen statt, und die Präsentation der RuhrKunstMuseen wird insgesamt die 60. sein. Bereits die digitale Ausgabe von 21x21 wurde durch die Stiftung unterstützt - die "echte" Schau fördert sie mit einem mittleren sechsstelligen Betrag.

Im Kern wurde das kuratorische Konzept beibehalten: Impuls und Reaktion. Aber "mal sind es drei, mal fünf Werke", erläutert Peter Gorschlüter, "wir haben uns um eine gleichmäßige Präsenz der einzelnen Häuser bemüht, aber es ist nicht immer paritätisch."

Ein Mix aus vielen Epochen und Stilen

Die Räume sind thematisch gesetzt: "Traum und Sein", "Umbrüche", "Arbeit und Struktur" sind Titel, die als Einstimmung funktionieren sollen. Gorschlüter: "Uns waren Themen wichtig, die die Geschichte des Ruhrgebiets betreffen - nicht illustrativ, aber mit gesellschaftlichen Bezügen." 

Darunter findet sich ein Mix aus vielen Epochen und Stilen - ein Gegenmodell zu einem Ansatz, der vielleicht alle expressionistischen Werke in einem Raum versammelt hätte: "Das war nicht unser Ding. So ist Kunst auch nicht. Wir zeigen Vielfalt und Parallelität", hält Regina Selter dagegen. "Das ist auch ein Wandel des Kuratorischen, die Themen sind viel entscheidender, und die Teamleistung. Mein Haus, meine Sammlung - das ist nicht die Zukunft."

Ab 11. April 2025 ist das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit zu besichtigen. Dann wird es Führungen geben - und auch Touren hinunter vom Hügel, hin zu den einzelnen Museen des Ruhrgebiets, auf die Besuchende dann hoffentlich neugierig geworden sind. Es empfiehlt sich übrigens, hier auf die angebotenen Sonderbusse zurückzugreifen, denn das Ruhrgebiet ist groß. Und wer es auf eigene Faust mit dem Nahverkehr versucht, der hat es nicht leicht. Was den Kunstmuseen hier gelungen ist, davon sind die Verkehrsverbände im Ruhrgebiet weit entfernt. Mein Netzbereich, mein Takt- das ist leider noch lange nicht Vergangenheit.