Streaming-Tipps

7 Kunst-Filme, die Sie jetzt sehen sollten

Szene aus "Yung"
Foto: Wildbunch

Szene aus "Yung" 

Die Streamingtipps für das Wochenende zeigen uns einen Ausflug in die jüngste Vergangenheit, einen Blick durchs Fenster des Nachbarn, nehmen uns mit zum Laufen und auf die Party, die wir gerade verpassen

Feierfilm "Yung": Die Kids sind alright

Ekstase, Absturz, Liebe, Scheißelabern, Kaputt­heit, Sucht – Risiken und Nebenwirkungen des Drogenkonsums sind bekannt, da braucht man keinen Arzt oder Apotheker zu fragen, nachgelegt wird trotzdem weiter. In seinem Regiedebüt "Yung" begleitet Henning Gronkowski vier junge Mädchen auf ihrem Rausch durch Berliner Nächte und Tage. Janaina, Emily, Joy und Abbie denken an Freitagen nicht an ihre future, sie feiern, als gäbe es kein Morgen. "'Yung' ist das echte Berlin. Es ist eine echte Geschichte", sagt Gronkowski, der sein Drehbuch als teilnehmender Beobachter zusammen mit seinen Protagonisten entwickelte. "Yung" zeigt eine neue lost generation der späten 2010er-Jahre, konfrontiert mit den alten großen Fragen des Lebens. Nan Goldin hat diese Geschichte erzählt, Uli Edel in "Christiane F." und Larry Clark mit seinem Film "Kids", als dessen deutsches Pendant "Yung" bereits gefeiert wird. Der Film ist intensiv, hart, fernab der Berghain-Klischees von RTL 2. Die Kids sind alright.

"Yung", als Video-On-Demand auf Amazon, iTunes etc.


Als Rennen ein Kampf für Freiheit war

Heute ist Laufen im Freien eine Kunst, eine Religion, ein Riesengeschäft und spätestens seit der Schließung der Fitnessstudios in der Corona-Krise die körperliche Ertüchtigung der Stunde. Woran sich kaum jemand erinnert: Noch in den 1960er-Jahren war das Joggen eine Beschäftigung für Freaks. Die ersten Lauf-Verrückten wagten sich nur nachts auf die Straße, weil sie tagsüber für durchgedreht oder kriminell gehalten wurden. Lange war Laufen außerdem ein reiner Männersport - der landläufig als ungesund und unzüchtig betrachtet wurde. Frauen wurde die Teilnahme an Wettkämpfen verwehrt.

Die Dokumentation "Free To Run" von Pierre Morath erzählt die faszinierende Geschichte von Lauf-Pionieren, die eine belächelte Randsportart zum globalen Phänomen gemacht haben. Es ist auch die Macht der Bilder, die diese Entwicklung möglich machte. So wurde 1967 die Läuferin Kathrine Switzer, die illegal am Boston Marathon teilnahm, vom Renndirektor körperlich angegangen, um sie von der Strecke zu zerren. Die Fotos der Aktion gingen um die Welt und waren ein wichtiger Katalysator für den Kampf von Frauen, rennen zu dürfen.

"Free To Run", 3-Sat-Mediathek, bis 27. Mai



Der Blick durch die Fenster 

Von der Terrasse seiner römischen Wohnung aus spioniert Nanni Moretti, als sein Alter Ego Michele Apicella, seinen Nachbarn hinterher und sucht nach Krisen in deren Privatleben. In Akten hält er ihr Verhalten fest, als ein ständig auf der Lauer liegender Voyeur schaut er ungeniert in Fenster hinein und hinter Sträuchern hervor. Gleichzeitig beginnt er einen neuen Job als Mathematiklehrer am Marilyn Monroe Gymnasium, wo er die schöne Französischlehrerin Bianca kennen lernt, in die er sich verliebt. Doch sein obsessives Bespitzeln und zwanghaftes Benehmen behindert die sich anbahnende Beziehung, Michele schafft es nicht, Bianca seine wahren Gefühle zu zeigen. Bald passiert ein Mord in der Nachbarschaft, während der Ermittlungen wird der Polizeiinspektor auf Micheles manisches Verhalten aufmerksam. Doch auch nach den nächsten Morden an zwei seiner Freunde, wird Michele durch ein Alibi von Bianca entlastet. Seine Störungen aber werden immer schlimmer, welche die beunruhigende Eigenartigkeit des Films zum Ende hin zunehmend verstärkt, bis sich Michele wie im Wahn zu den Morden bekennt. 

"Bianca", in der Arte Mediathek bis 30.September


Teo Hernandez: Stille Wasser sind tief

Jeden Mittwoch stellt das Centre Pompidou in Paris einen neues Video-Kunstwerk aus seiner Sammlung online. Diesmal zeigt das Museum Teo Hernandez' meditatives Werk "L’eau de la Seine" von 1983. Der Titel des Super-8-Stummfilms, "Das Wasser der Seine", ist dann direkt auch schon die Inhaltsangabe. Hernandez fängt die Lichtreflexe auf den Wellen des Flusses ein und montiert sie zu einem dynamischen Bilderwirbel. Die abstrakten Formen werden irgendwann körperlich und entfalten einen hypnotischen Sog. Die Kamera wird selbst zu einem Körper in Bewegung. Und vielleicht ist das Kunstwerk auch eine leichte Linderung von akuter Paris-Sehnsucht.

Teo Hernandez "L’eau de la Seine", Centre Pompidou: Le Cinéma du Musée, bis 5. Mai



Wie wir gestern gelebt haben

"Yesterway, the way we lived yesterday", erklärt Ralf Schmerberg den Titel seines neues Films. Die Art, wie wir gestern noch gelebt haben. Nach einer Pause nach seinem letzten Film "Indarella" hat Schmerberg nun einen 98-minütigen Rückblick auf unsere kürzlich erlebte Vergangenheit geschaffen. Während der Quarantäne kreierte der Filmemacher aus lang gesammeltem Archivmateria einen Film, "der alles zeigt, was im Moment nicht möglich ist." Partys, das Oktoberfest, Menschen, die in China arbeiten, in Amerika feiern, in Italien Pasta essen. Mit dem Film gehe man zum Abendessen, in Parks, Clubs, Straßen. "Yesterway fühlt sich an wie zu Hause sitzen, eine weiße Wand anstarrend und Bilder aus der Vergangenheit tauchen auf." Die Hintergrundpartitur des Berliner Multikunstkollektivs Music Ashram wurde von Musikdirektor Tobias Feltes zusammengestellt. 

"Yesterway", am 2. Mai um 21 Uhr auf www.yesterway.org

 



Gefährdete Konsum-Ikonen

Gut möglich, dass Covid-19 das Ende des Kaufhauses bedeutet. Geschäfte über 800 Quadratmeter müssen weiterhin geschlossen bleiben, Unternehmen wie Galeria Karstadt Kaufhof und Appelrath Cüpper mussten bereits Insolvenz anmelden. In seiner Doku-Serie “Die großen Traumkaufhäuser” lässt Arte rosigere Zeiten aufleben. Die Episode über das Berliner KaDeWe erzählt den Werdegang des über 110 Jahre alten Kaufhauses vom Konsumtempel des Kaiserreichs bis hin zum heutigen Traditionshaus, das sich mit neuartigen Online-Konkurrenten konfrontiert sieht.

“Die großen Traumkaufhäuser”, Arte, bis 18. Mai

Traditionsreicher Konsumtempel: das Berliner KaDeWe
Foto: ARD/ Arte

Traditionsreicher Konsumtempel: das Berliner KaDeWe



Aussicht auf Balkone

Wie viele Kulturinstitutionen gewährt auch der Neue Berliner Kunstverein aktuell online Einblick in seine Sammlung. Aktuell präsentiert der n.b.k. Ankäufe aus dem vergangenen Jahr wie Eduard Constantins Kurzfilm "When Living in the West – The Neighbours". Anhand von Aufnahmen verschiedener Außenfassaden setzt sich der rumänische Künstler mit dem Balkon als Schnittpunkt von privatem und öffentlichen Raum auseinander und porträtiert mit seinen Aufnahmen auf ungewöhnliche Weise das Bucharester Viertel Vest. Mit dabei sind außerdem Arbeiten von John Bock, Pauline Boudry und Renate Lorenz, Eduard Constantin, Antje Ehmann und Eva Stotz sowie Clarissa Thieme.

Neuankäufe für das n.b.k.-Video-Forum 2019: Screening I, Neuer Berliner Kunstverein, bis 5. Mai

Eduard Constantin "When Living in the West – The Neighbours", 2004-2005
Screenshot via n.b.k.

Eduard Constantin "When Living in the West – The Neighbours", 2004-2005