Streaming-Tipps

8 Kunst-Filme und Serien, die Sie jetzt sehen müssen

Die Streamingtipps gehen diese Woche zu Dalí und Basquiat und in einen TV-Sender mit MeToo-Skandal. Auch Taylor Swift und Heidi Klum haben ihren Auftritt

 

Das Leben eines Jungen

Gemäß der afghanischen Kulturpraxis "Bacha Posh" führt die als Mädchen geborene Farahnaz von klein auf das Leben eines Jungen: Sie trägt Männerkleidung, erledigt für ihre allein erziehende Schwester die Einkäufe und spielt mit ihren Freunden Fußball. Die Freiheiten, die das Leben als Junge in der patriarchalen Gesellschaft Afghanistans mit sich bringt, erlebte auch die mittlerweile in London lebende Elaha. Der Kurzfilm "بچه BOY" begleitet die beiden charakterstarken Protagonistinnen durch ihren Alltag und stellt in ruhigen und berührenden dokumentarischen Bildern Fragen nach Identitätsfindung und Geschlechtszuschreibung. Im Rahmen der Berliner Filmscreening-Reihe Cinema & Context ist er noch bis Ende dieser Woche mit dem Passwort "cinema–context" auf Vimeo zu sehen. Der Eintritt auf Spendenbasis liegt zwischen drei und zehn Euro und kann via Paypal bezahlt werden. 

“بچه BOY”, Cinema + Context, bis 5. April

 

Taylor Swift: Rosa gegen die Doppelmoral der Gesellschaft

Ein blond gelocktes Mädchen mit Gitarre, das Country Musik macht, das war Taylor Swift relativ lange, für relativ viele. Ihre Songs hießen "Lovestory" und "You Belong With Me", und ihre ganze Person wirkte ähnlich fad. "Ein nettes Mädchen zwingt den Leuten seine Meinung nicht auf. Ein nettes Mädchen lächelt, winkt und sagt Danke", so erklärt Taylor sich in ihrer Dokumentation "Miss Americana", die seit dem 31. Januar auf Netflix läuft. Danke für nichts, denn irgendwann war Taylor Swift out. Der ewige Stress mit Kanye West, zu viele Männer, zu wenig Gewicht, oder doch zu viel, eins von beidem auf jeden Fall. "Wenn du dünn bist, hast du nicht den schönen prallen Hintern, den alle wollen. Aber wenn du genug Gewicht für so einen Hintern hast, ist der Bauch nicht flach genug", erklärt sie in dem Film das unlösbare Hickhack, dem sie, wie so viele junge Frauen in der Öffentlichkeit, ständig ausgesetzt ist.

Die Dokumentation begleitet Taylor von ihrer ersten Gitarre unterm Weihnachtsbaum - ihre Eltern betrieben übrigens mal eine Weihnachtsbaumschule - bis zu dem entscheidenden Moment, in dem sie beschließt, das passive Girly-Sein gehen zu lassen und trotz des Negativ-Beispiels der Dixie-Chicks ihre politische Meinung zu äußern. Letztlich begleitet man Taylor auch in den Prozess, in dem sie gegen einen übergriffigen Radiomoderator klagte. Und gewann. "Ich will Glitzer lieben dürfen und gleichzeitig gegen die Doppelmoral in unserer Gesellschaft kämpfen. Ich will Rosa tragen können und über meine politischen Ansichten sprechen. Und ich denke nicht, dass diese Dinge einander ausschliessen." Am eindrucksvollsten sind aber wohl die Szenen, in denen man der Sängerin dabei zu sehen kann, wie sie die Schlüsselelemente zu Liedern wie dem feministischen "The Man" komponiert, in gefühlten Sekunden.

„Miss Americana“, auf Netflix

Taylor Swift-Me
Foto: Taylor Swift/Screenshot Youtube

Taylor Swift im Video "Me!"


Sky Hopinkas opulente Meditationen

Wenn sich das Zuhausebleiben eng anfühlt, können Kunstfilme in die Weite führen. Zum Beispiel die des US-Künstlers Sky Hopinka, der seine Werke auf seiner Website zugänglich macht. Hopinka gehört der indigenen Ho-Chunk Nation an, deren angestammtes Gebiet sich auf Wisconsin, Illinois, Iowa und Minessota erstreckt. In seinen Filmen beschäftigt er sich mit den Traditionen und dem zeitgenössischen Leben der Native Americans. Dabei verknüpft er verzauberte Naturaufnahmen mit politischen Anliegen wie der Bewahrung von aussterbenden Sprachen ("Visions Of An Island") und den Kamp um Land. In "Dislocation Blues" beschreibt der Künstler seine Erfahrung im Protestcamp im Reservat Standing Rock in North Dakota, wo sich Aktivisten bis heute gegen eine Pipeline durch traditionell heiliges Gebiet der Sioux wehren. Sky Hopinka schafft einn Bildersog, in dem sich uralte Geschichten mit heutiger Politik verweben.

Filme von Sky Hopinka, zugänglich auf der Website des Künstlers

Sky Hopinka "Dislocation Blues" (Still)
Foto: Sky Hopinka

Sky Hopinka "Dislocation Blues" (Still)


Mode ohne Drama, Baby 

Mode beim Entstehen zusehen? Beste Unterhaltung! Das Angenehme am neuen Heidi-Klum-Format "Making the Cut", in dem zwölf Modedesigner und -designerinnen aus verschiedenen Ländern und Generationen gegeneinander antreten: Die Gastgeberin hält sich zurück, selten weint jemand, und fast alle, die ihre Urteile abgeben, wissen, wovon sie sprechen. Joseph Altuzarra, gnadenlose großartige Fashion-Haudegen wie Naomi Campbell und Carine Roitfeld sitzen in der Jury, der Mode-Professor Tim Gunn (bekannt von "Project Runway") ist der strenge, aber faire Mentor, der von Babyblau abrät oder bei kurzen Kleidern eine Augenbraue hochzieht.

Die meisten der Kandidaten sind Profis, haben an der New Yorker Parsons School oder in Antwerpen studiert, ihre eigene Boutiqe wie Esther Perbandt aus Berlin oder bei Oscar de la Renta gearbeitet wie Will Riddle. Unter großem Zeitdruck entstehen je ein Stück im Laufsteg-Look und eins als verkaufbare Ware auf Amazon, wo sie nach Ausstrahlung sofort erhältlich, bzw. ausverkauft sind. Doch verdirbt man sich ohnehin damit den Spaß, denn die Looks der Gewinner stehen schon online, wenn man möglicherweise die Episode noch nicht kennt.

"Making The Cut“ mit Heidi Klum, auf Amazon Prime

"Making The Cut" mit Heidi Klum und Tim Gunn
Foto: Amazon Prime

"Making The Cut" mit Heidi Klum und Tim Gunn


Das bewegte Leben der Gala Dalí

Gala Dalí (geborene Djakonowa) kennt man – wenn überhaupt – vor allem als Ehefrau und Muse des Dichters Paul Éluard und später des Malers Salvador Dalí. Die gebürtige Russin, die sich während des Ersten Weltkriegs nach Paris durchschlug, war aber auch eine erfolgreiche Geschäftsfrau und Ermöglicherin von Kunst und bewegte sich ihr Leben Lang in Künstlerkreisen. In einer Dokumentationsreihe über vergessene Personen der Geschichte stellt Regisseur Jacques Malaterre Gala als wichtige Protagonistin der französischen und spanischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts vor. Salvador Dalí signierte einige der Werke, an denen das Paar gemeinsam gearbeitet hatte, mit dem Namen seiner Frau. Durch seine Porträts von ihr ist Gala (1894 bis 1982) eine zentrale, aber oft übergangene Figur des Surrealismus.

"Vergissmeinnicht: Gala Dalí", Arte Mediathek, bis 25. Mai 

Mehr als eine Muse: Gala Dali
Foto: Arte

Mehr als eine Muse: Gala Dali


Notre Dame: Ein Jahr nach dem Feuer

Am 15. April 2019 sah die Welt mit Entsetzen zu, wie das Pariser Wahrzeichen Notre Dame in Flammen stand - oder man war entsetzt darüber, warum eine christliche Kirche in einer westeuropäischen Hauptstadt so viel Anteilnahme, politischen Willen und Spendenbereitschaft hervorruft, wenn anderswo auf der Welt Kultur- und Naturerbe im großen Stil vernichtet wird. Ein Jahr nach dem Feuer geht diese Dokumentation dem Versprechen des französischen Staatspräsidenten Macron nach, dass die Kathedrale "schöner als zuvor" wiederaufgebaut werden solle. Bisher ist aber nicht einmal entschieden, ob das Gebäude originalgetreu oder modern rekonstruiert werden soll. Hier kommen Verfechter beider Optionen zu Wort.

"Notre Dame: Schöner als zuvor?", ZDF Mediathek

Die brennende Kathedrale Notre Dame 
Foto: dpa

Die brennende Kathedrale Notre Dame 


Basquiat als Popstar

Wenn man dieser Tage nach New York schaut, ist die Corona-gebeutelte Metropole eine bedrückende Geisterstadt. Diese Dokumentation über den Künstler Jean Michel Basquiat (1960 - 1988) erinnert sich an das pulsierende New York der 1980er-Jahre, in dem der Künstler vom Sprayer zum Kunstwelt-Liebling avancierte und mit nur 27 Jahren an einer Überdosis Heroin starb. Der Film versucht von 2017, den Mythen rund um den Künstler auf den Grund zu gehen, dessen Werke heute Rekorderlöse auf dem Markt erzielen. War er ein selbstzerstörerisches Genie oder ein Kind der Subkultur, der in einer weißen, rassistischen High Society aufgerieben wurde? Zu Wort kommen auch Basquiats Schwestern Lisane and Jeanine, die vorher noch nie in einem Fernsehinterview zu sehen gewesen waren.

"Basquiat - Popstar der Kunstwelt", Arte Mediathek, bis 26. Juni


#MeToo, Macht, Journalismus

Der Mann, dessen Vergehen vor zweieinhalb Jahren ein Auslöser der #MeToo-Bewegung wurden, ist jetzt verurteilt: 23 Jahre soll Harvey Weinstein wegen sexueller Übergriffe im Gefängnis verbringen. Ein großer Erfolg und Anlass für eine Zwischenbilanz. Die Serie "The Morning Show" beleuchtet die Diskussionen um sexuelle Belästigung und Missbrauch von allen Seiten, dreht und wendet wirklich sämtliche #MeToo-Aspekte mit einer cleveren Story und vielfältigen Personal. Es geht um einen beliebten Moderator, dem von Mitarbeiterinnen öffentlich Fehlverhalten vorgeworfen wird. Wie konnte es dazu kommen? Wie geht das Team nach dessen Abgang damit um? Ist es wirklich nur eine Person oder sind es die Strukturen? Was sind Macht, Politische Korrektheit, Kapitalismus, Journalismus, Neid, Ehrgeiz, Gier, Geschlechterrollen und Erotik miteinander verwoben? Was ist ein harmonischer Flirt, was unangebracht, wann beginnt sexueller Missbrauch? In "The Morning Show" kommen alle zu Wort, aber am Ende bezieht diese großartige Serie ganz klar und doch überraschend Stellung. Mit Jennifer Aniston, Reese Witherspoon und Steve Carell.

"The Morning Show" läuft auf Apple TV+