8th Nordic Biennial of Contemporary Art

Zimmer mit Einsicht

Zum achten Mal findet "Momentum – the Nordic Biennial of Contemporary Art" im norwegischen Moss statt. Einst zog sich der Maler Edvard Munch aus dem 60 Kilometer nördlich gelegenen Oslo in die Kleinstadt Moss zurück. Diese Sehnsucht nach Kontemplation spiegelt sich – unter anderem – im diesjährigen Motto "Tunnel Vision". Birta Gudjonsdottir, Stefanie Hessler, Toke Lykkeberg und Jonatan Habib Engqvist sind die Kuratoren dieses Jahrgangs. Mit dem Schweden Engqvist sprach Monopol im Vorfeld der Momentum.

Jonatan Habib Engqvist, die diesjährige Überschrift "Tunnel Vision" klingt erstmal negativ, nach einer gewissen Beschränktheit.
Richtig, "Tunnelblick" steht im allgemeinen Sprachgebrauch für einen Blick ohne Welt, könnte man sagen. Aber man kann genauso behaupten, dass tunnel vision vom Blick in eine innere Welt spricht. In unseren Köpfen steckt ja ein fantastisches Universum. Abweichend vom Modell des Künstlers, der sich der Welt total öffnet, interessiert uns eine nach innen gerichtete künstlerische Praxis. Im Gegensatz zur vorherrschenden Rhetorik heutiger Biennalen geht es bei uns weniger um die Welt, die wir alle angeblich miteinander teilen, sondern um die Welt, die jeder von uns alleine bewohnt. Andererseits – vielleicht ist gerade das die Welt, die wir heute teilen.

Die Künstler bei Momentum sollen also kein Problem lösen, sondern…?
Sie sind eher gefragt, das Thema zu verkomplizieren. Künstler brauchen heute wahrscheinlich mehr denn je "Ein Zimmer für sich allein" ("A Room of One’s Own"), wie Virginia Woolf es in ihrem gleichnamigen Essay nannte.

Nennen Sie uns ein paar Beispiel-Projekte?
Gerne. Edward Schenk hat für Momentum drei Filmtrailer voller Verschwörungstheorien entworfen, über angebliche Verbindungen zwischen der Biennale in Moss und der norwegischen Ölindustrie oder dem Svalbard Global Seed Vault – dem Saatgut-Tresor im Eis auf Spitzbergen. Christine Ödlund fertigt bunte Kirchenfenster und eine Art Turm zu Babel aus Brennesseln: Es geht in der Arbeit um die Sprache der Pflanzen und die Bedeutung von Farben in der Flora. Fujiko Nakaya, die für ihre Arbeit mit Nebel bekannt ist, konstruiert eine 200 Quadratmeter große Tsunami-Kammer. Lundahl & Seitl sampeln die Biennale selbst, indem sie die Wahrnehmungen der Besucher als Medium verwenden. Letzteres Beispiel ist vielleicht das treffendste für ein geschlossenes System, in dem Wirklichkeit ausschließlich durch den Betrachter entsteht, als Projektion.

Momentum fördert Nordic art, so lautet das übergreifende Ziel der Biennale. Passen denn internationale Namen wie Ryan Trecartin, Daniel Steegman Mangrané, Fujiko Nakaya zu diesem Ziel? Und: worüber sprechen wir eigentlich? Doch nicht über die "nordische Kunst" eines Edvard Munch oder der Expressionistengruppe "Die Brücke".
Von der sogenannten "International Nordic Art" der 90er- bis Nullerjahre bleiben drei Außenposten, wie ich das nennen würde: Momentum, das Online-Magazin "Kunstkritikk" und der Pavillon der nordischen Länder der Venedig-Biennale. Die genannten "Orte" haben überlebt, gerade weil der Gedanke einer nationalen Repräsentation oder eines Stils überholt und problematisch geworden sind. Es geht nicht mehr um Repräsentation oder Stil, aber um etwas, das wir "Relevanz" nennen könnten. Um Kunst, die gleichzeitig lokal und – manchmal aus abweichenden Gründen – global relevant ist. Nordic art ist praktisch nicht zu charakterisieren, sie definiert sich durch eine spezifische Struktur und ein spezielles Umfeld. Eine international besetzte und Generationen übergreifende Schau wie Momentum ist der beste Weg, das lokale Milieu anzuerkennen.