Streaming-Tipps

9 Kunst-Filme, die sich jetzt lohnen

"L'Enfance nue" (Filmstill), zu sehen online zum Filmfestival Mannheim Heidelberg
Foto: Europacorp, Roissy Films

"L'Enfance nue" (Filmstill), zu sehen online zum Filmfestival Mannheim Heidelberg

In der Zeit des Zuhausebleibens können filmische Zeitreisen helfen: Zum Beispiel in die DDR, die alte Bundesrepublik und in die ferne Vergangenheit unserer Erde

 

Schön Versponnenes mit Omer Fast

Eine Zeichnung von Max Beckmann ist der Ausgangspunkt für die Ausstellung "Abfahrt" in der Pinakothek der Moderne in München. Darin reagiert der Videokünstler Omer Fast auf das ergreifende Selbstbildnis, das Beckmann nach der Erfahrung des Ersten Weltkriegs schuf, wo er einen Nervenzusammenbruch erlitt. So lange die Ausstellung geschlossen ist, sind fünf Filme von Omer Fast frei auf der Webseite der Pinakothek zugänglich. Schön winterlich versponnen: "De Oylem iz a Goylem" (2019), ein 24-minütiger Film über eine Skifahrerin, die auf dem Lift eine seltsam geisterhafte Begegnung hat – der Plot adaptiert ein altes jüdisches Märchen.

Filme von Omer Fast - Pinakotheken Online

Ein Schlafzimmer in einer Wohnung ist in der Pinakothek der Moderne in der Ausstellung "Abfahrt“ des israelischen Videokünstlers Omer Fast zu sehen
Foto: dpa

Installation des Videokünstlers Omer Fast in der Pinakothek der Moderne

 

We Are Family - Kunstvideos aus Luxemburg

Das Ausstellungsprojekt "Me, Family" im Mudam, Luxemburgs Museum für Moderne Kunst, ist inspiriert von der berühmten Fotoausstellung "The Family of Man", mit der der amerikanische Kurator Edward Steichen in den 1950er-Jahren die ganze Menschheit als Familie darstellen wollte. Das Mudam versucht nun, ein Abbild der Menschheit im 21. Jahrhundert zu geben, mit Werken von über 20 Künstlerinnen und Künstlern von Doug Aitken über Mario Pfeifer, Harun Farocki, Marianna Simnett und Cindy Sherman bis zu Jordan Wolfson. Jetzt kann man die vielen tollen Videos online sehen – vielleicht sogar mit mehr Ruhe als bei einem normalen Ausstellungsbesuch.

"Me, Family", Mudam Online, bis 21. März 2021

Li Ming "Rendering The Mind", Filmstill, 2017
Foto: Courtesy Li Ming und Antenna Space Shanghai

Li Ming "Rendering The Mind", Filmstill, 2017

 

Mannheim weltweit im Stream

Das internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg hat eine lange Tradition und in diesem Jahr mit Sascha Keilholz einen neuen Festivalchef mit großen Ambitionen. Das Treffen in den Kinosälen verhinderte der Lockdown, dafür kann man die gut ausgesuchten Filme jetzt weltweit streamen – die acht Euro Gebühr pro Film unterstützten die beteiligten Kinos. Eine Entdeckung von vielen ist "My Mexican Bretzel" der spanischen Filmemacherin Nuria Giménez Lorang: Sie erzählt allein anhand von gefundenen Amateuraufnahmen eine Liebesgeschichte, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Schweiz beginnt und über Köln in die USA führt.

69. Internationales Filmfestival Mannheim Heidelberg, Online-Programm, bis 22. November

 

Werner Herzog auf Meteoritenjagd

Schon die Stimme von Werner Herzog zu hören ist immer wieder ein Erlebnis: Manisch, in leicht bayrisch grundiertem Englisch, intensiv, getrieben. Der große Regisseur hat sich gemeinsam mit dem Vulkanologen Clive Oppenheimer auf die Suche nach jenen Orten gemacht, die von Meteoriteneinschlägen geformt wurden. Vom "Schwarzen Stein", der an der östlichen Ecke der Kaaba in Mekka eingemauert ist, über einen hinduistischen Tempel bis zur Antarktis forschen die beiden nach dem Kosmischen: Wie haben die Einschläge aus dem All die Erde geformt - geografisch, aber auch kulturell?

Das Jenseitige, das die Menschen jahrtausendelang an die Grenzen der Erklärbarkeit gebracht hat, hat auch im durchrationalisierten Forschungszeitalter noch ziemlichen Wumms. Was, fragt das Filmteam einen Geistlichen bei der Nasa, passiert, wenn die Behörde mit ihren Weltraumteleskopen einen großen, sich schnell der Erde nähernden Meteorit entdecken? "Was sollen wir schon tun", sagt der Pfarrer. "Wir beten."

"Fireball. Besuch aus fernen Welten", Apple+


 

Das Trauma aus dem Körper tanzen

Das Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 fiel in dieser Woche wegen der Corona-Beschränkungen eher spärlich aus, dabei wird die Frage immer drängender, wie Erinnerung wach gehalten werden kann, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt. Ein eindrucksvolles Lebenszeugnis, das auf ungewöhnliche Weise vom Holocaust erzählt, ist der Film "The Euphoria of Being - Vom Glück zu leben", der jetzt in der ARD-Mediathek verfügbar ist. Éva Fahidi hat Auschwitz überlebt, 49 Familienmitglieder kamen jedoch in Konzentrationslagern um. Als 90-Jährige findet sie mit einer jungen Tänzerin zusammen, mit der sie eine Performance über ihr Leben einstudiert. Durch Kunst und Körperlichkeit bekommt Fahidi ein neues Verhältnis zu ihrer Vergangenheit und ihrem Trauma. Ein berührender und intimer Film über Erinnerungskultur. 

"The Euphoria of Being - Vom Glück zu leben", ARD-Mediathek, bis 22. November


 

Anselm Kiefer bei der Arbeit

Der Maler Anselm Kiefer wurde gerade mit neuen Werken im Panthéon in Paris verewigt. Nicht alle Franzosen waren begeistert davon, dass ein deutscher Künstler von Präsident Macron mit diesem prestigeträchtigen Auftrag für ihre Ruhmeshalle versehen wurde - die Wahl zeigt jedoch, wie anerkannt Kiefer in seiner Wahlheimat ist. 1993 zog er aus dem Odenwald nach Südfrankreich - und blieb. Der Film "Anselm Kiefer - der Künstler bei der Arbeit" besucht den Maler in seinem labyrinthischen Studio, wo er gefundene Objekte mit seinen monumentalen düsteren Farblandschaften und Skulpturenlandschaften zusammenbringt. 

"Anselm Kiefer - der Künstler bei der Arbeit", Arte-Mediathek, bis 8. Januar 2021

 Der Künstler Anselm Kiefer in der Ausstellung "Die jungen Jahre der Alten Meister. Baselitz – Richter – Polke – Kiefer" in der Staatsgalerie Stuttgart
Foto: dpa

Der Künstler Anselm Kiefer in der Ausstellung "Die jungen Jahre der Alten Meister. Baselitz – Richter – Polke – Kiefer" in der Staatsgalerie Stuttgart

 

Shakespeare in Weissensee

Der Stadtteil, den manche heute entweder als den tiefen Osten von Berlin oder die billigere Alternative zum Prenzlauer Berg wahrnehmen, ist der Schauplatz der Serie “Weissensee”. Sie zeigt das Leben der Familie Kupfer und Hausmann von den 1980er-Jahren bis kurz nach der Wende. Die beiden Familien in der DDR könnten unterschiedlicher nicht sein - die einen beim Ministerium für Staatssicherheit, die anderen Regimekritiker. Ihre Kinder jedoch - wer hätte es gedacht - verlieben sich ineinander, und so entspinnt sich ein shakespeareskes Drama.

"Weissensee", Netflix

Serie Weissensee (Filmstill)
Foto: ARD / Julia Terjung

Serie Weissensee (Filmstill)

 

Abschied vom Oranienplatz

Can will abhauen, nach Istanbul oder am nächsten Tag ins Gefängnis gehen. Im Film “Berlin Oranienplatz” verabschiedet er sich von Straßen, Eltern, Freunden, Clubs und erzählt von verpassten Chancen. Die Band in den Sand gesetzt, seine Eltern enttäuscht, das Modedesign- Studium abgebrochen, 300.000 Euro Steuerschulden, alles Gründe noch einmal zurückzublicken oder alles hinter sich zu lassen?

Die Geschichte von Hakan Savaş Mican nimmt Bezug auf Alfred Döblins “Berlin Alexanderplatz”, übersetzt in ein zeitgenössisches Setting - während der Schließung der Kulturhäuser ist das Stück mehrmals als Stream vom Berliner Maxim Gorki Theater zu sehen.

"Berlin Oranienplatz", Gorki Online, 13. November, 19.30, danach für 24 Stunden online

Taner Şhintürk in "Berlin Oranienplatz", 2020
© Ute Langkafel MAIFOTO

Taner Şhintürk in "Berlin Oranienplatz", 2020

 

Auf Zeitreise mit Alexander Kluge

In Zeiten des Zuhausebleibens helfen filmische Zeitreisen. Warum nicht in die alte Bundesrepublik? 1974 waren der Künstler und Autor Alexander Kluge und der Regisseur Edgar Reitz für ihren visuellen Essay "In Gefahr und größter Not, bringt der Mittelweg den Tod" zehn Tage lang in Frankfurt am Main unterwegs. Wie in einem etwas wirren Schwarz-Weiß-Traum fangen sie das Leben in der Stadt ein und dokumentieren politische Demonstrationen, Partys und allerlei skurille Begegnungen.

"In Gefahr und größter Not, bringt der Mittelweg den Tod", Mubi