Friedrich Kunath in Berlin

Psychodramagruppentherapie

Stille und Stress, Idylle und Abgrund, Romantik und Telekommunikation: Friedrich Kunaths Solo-Aussstellung "Sentimental Air" in der Berliner Galerie BQ

Dem Erdmännchen scheint’s gut zu gehen. Der überlebensgroße Säuger aus Schaumstoff liegt langgestreckt auf einer Glasplatte, darunter lugt schimmernd ein Neon-Halbmond hervor. "Let It Happen": So wie Friedrich Kunaths neue Installation in der Galerie BQ heißt, raunen ja auch Entspannungs-CDs. Ein Paradox: Wer Ruhe will, bekommt sie meistens nicht. Das rosa Nackenkissen, auf dem das Tier zu relaxen scheint, entpuppt sich denn auch als einer von zwei Riesen-Ohrstöpseln, das ganze Ensemble als vergrößertes Nachttisch-Stilleben.

Bei der Eröffnung erzählt Kunath von seinen Schlafproblemen und davon, wie er nachts die kleine Erdmännchenfigur am Bett umstieß, was wohl ein ähnliches Bild abgab wie jetzt in der Ausstellung.

Stille und Stress, Idylle und Abgrund, Romantik und Telekommunikation sind die Gegensätze, aus denen Kunaths sechste Soloschau bei BQ (die dritte nach dem Galerieumzug von Köln nach Berlin) ihre Reibungsenergie gewinnt. Der Künstler, 1974 in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, geboren, seit Jahren in Los Angeles lebend, balanciert mit melancholischem Humor über die Schluchten des Alltags.

Bei BQ zeigt er zum Beispiel Acrylgemälde mit Landschaften – im stilistischen Niemandsland zwischen Schinkel, Claude Lorrain, C.D. Friedrich oder Bob Ross – und integrierten Texten, wobei Bild und Schrift sich meistens ironisierend aufschaukeln. Aus dem Abendrot der "Hijacked Landscape" (2014) steigt das Wort "Relax", mehr Drohung als Wunschprojektion. In derselben Flusslandschaft tauchen durchgepauste Notizen auf, Zeitangaben und, das Kürzel für den Flughafen von L.A. zitierend, das Wortspiel "RE : LAX". Pausieren oder den nächsten Flugtermin planen?

Als wären sie selber vom Jetlag geplagt, ballen sich Wolkenreliefs (Serientitel: "Cloudy") an den Wänden der Galerie, die selbst skulpturale Bildträger kitschiger Himmelslandschaften sind. Zugleich tauchen umrisshaft gezeichnete Figuren auf, Leute, die telefonieren, auf Telegrafenmaste klettern oder in die untergehende Sonne starren.

Wie eine Praxis für Psychodramagruppentherapie – Seidenvorhänge, weiße Auslegware, hat Kunath die Räume von BQ Upstairs eingerichtet, die eintretenden Besucher müssen die Schuhe ausziehen. Riesenhafte, gipsweiße Fragmente menschlicher Hände, mit Bleistiftzeichnungen versehen, liegen herum. Der Satz "You Know We Can’t Go Back" ist auf das gleichnamige Landschaftsgemälde geschrieben, ein Bild mit zwei Horizonten, bei dem es kein Oben und Unten gibt und das, motorbetrieben, unablässig an der Ausstellungswand rotiert. Nostalgie spiele in sein Werk hinein, sagt Friedrich Kunath, aber Nostalgie könne destruktiv sein: "Ich will ja nicht wirklich zurück, sondern weiter."

Ohne ein Quantum Unruhe geht es also nicht, seine Kunst scheint davon zu profitieren.