US-Künstlerin Holzer wird 65

"Nicht arbeiten macht mich unruhig"

Politisch, feministisch und gerne drastisch: Die US-Künstlerin Jenny Holzer schreckt vor so gut wie nichts zurück. Ihre leuchtenden LED-Textbänder waren schon an vielen Orten in Deutschland zu sehen. Jetzt wird Holzer 65 - und kehrt zurück zu ihren Ursprüngen

Eigentlich hatte Jenny Holzer ihren Traum von der Malerei längst aufgegeben. "Ich wollte immer abstrakt malen, aber ich war einfach furchtbar schlecht", sagte die US-Konzeptkünstlerin einst der "New York Times". Sie entdeckte Texte für sich, eigene und die anderer Autoren, meist zutiefst politisch, feministisch und gerne auch drastisch. In bunten Buchstaben ließ sie die Texte unter anderem über LED-Leuchtbänder laufen und tauchte damit beispielsweise in einer denkwürdigen Ausstellung 2001 die Neue Nationalgalerie in Berlin nachts in einen bernsteinfarbenen Glanz.

Aber nach jahrzehntelanger Karriere mit Worten kehrt Holzer, die am heutigen Mittwoch 65 Jahre alt wird, nun zu ihren Ursprüngen zurück: Sie malt. "Ich bin dahin zurückgekommen, weil ich das erste Mal so furchtbar gescheitert bin", sagte sie jüngst dem Magazin "TimeOut". "Ich wollte es nochmal probieren, bevor es zu spät ist." Politisch bleibt ihre Arbeit natürlich trotzdem. Holzer benutzt für ihre neuen Bilder Dokumente der US-Regierung beispielsweise zum Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba oder zur Terrorgruppe Islamischer Staat (IS).

Geboren wurde Holzer 1950 in dem kleinen Städtchen Gallipolis im US-Bundesstaat Ohio. Nach dem Studium zog sie in den 70er Jahren nach New York, wo sie an einem Kurs des Whitney Museums teilnahm. Dort lernt sie ihren Ehemann, den Künstler Mike Glier, kennen - und entdeckt Texte für sich. "Ich musste etwas mit diesen Texten machen. Also habe ich sie in den Straßen aufgehängt, als Poster."

Nachts zieht Holzer mit einem Eimer voller Leim durch die Straßen Manhattans und hängt Poster mit Sprüchen wie "Romantic love was invented to manipulate women" (Etwa: Romantische Liebe wurde erfunden, um Frauen zu manipulieren) auf. "Am Morgen danach bin ich dann herumgeschlichen und habe nachgeschaut, ob irgendjemand davor anhält", erzählte sie dem britischen Guardian. "Das ist der Test für Straßenkunst - zu sehen, ob jemand anhält. Die Menschen haben diejenigen durchgestrichen, die sie nicht mochten, und die anderen mit einem Sternchen versehen. Ich mochte, dass die Menschen mit den Postern interagiert haben."

Der öffentliche Raum bleibt Holzers liebste Ausstellungsfläche - auch wenn sie irgendwann von Galeristen entdeckt wird und nun die Erlaubnis von Museen und Städten für das Anbringen von Kunst bekommt. Überall auf der Welt sind Holzers Texte bald zu lesen - an Wänden, Bänken, Aufklebern, T-Shirts und sogar Kondomen, auf der Biennale in Venedig und einer Leuchttafel am Times Square in New York. In Deutschland stellt Holzer unter anderem in München, Berlin, Frankfurt, Bremen und auf der Documenta in Kassel aus.

Ihre kleine Wohnung in Manhattan hat Holzer immer noch. Inzwischen lebt und arbeitet sie aber hauptsächlich auf einer kleinen Pferdefarm in Hoosick Falls im Norden des Bundesstaates New York. "Ich arbeite fast die ganze Zeit", sagte Holzer jüngst der New York Times. "Nicht arbeiten macht mich unruhig." Und trotzdem sei sie nie wirklich zufrieden. "Ich enttäusche mich immer wieder selbst. Wenn man ein Künstler ist und ehrlich, dann ist man nie gut genug."