Die entscheidende Frage ist ja immer, wie man so eine Kunstmesse betritt. Und damit ist nicht das Schuhwerk gemeint, nicht die persönliche Laune, sondern die Rolle, die man in den Kojen einnimmt. Ist man Verkäufer oder Käuferin, betritt man die Messe, als wäre sie ein Museum, eine Ausstellung, oder sieht man sich als Vertreterin der Einkäufer, denen man den besten Schnapper, die vielversprechendste Investition verkünden soll?
Nun, zur Preview der 70. Ausgabe der Brüsseler Kunstmesse Brafa waren staunenden Beobachter, Verkaufende und ihre Kundschaft zugegen. Ein schneller Blick auf das ein oder andere Preisschildchen machte deutlich: Zum Käufer kann hier nicht jeder werden, zumindest nicht die Schreibende, die sich weder die Le-Cobusier-Grafik leisten kann noch diese wunderschöne Ettore-Sottsass-Schale von 1981.
In letzter Zeit war ja viel von Krise die Rede, die auch den Kunstmarkt erreicht habe. Doch das Besondere an Krisen ist, dass man sie in bestimmten Einkommensschichten nicht sieht. Und so kamen schon zur Preview Damen in exquisiten Schuhen, Herren an Gehstöcken und unauffällige Händler, die hier bereits erste Geschäfte tätigen wollten. Champagner gab es ab 17 Uhr, Foie Gras wurde in irgendwas Gepopptem gewendet serviert, und viele Wiedersehen wurden freudig kommentiert.
Dinozähne und Mond-Meteoriten
Die Brafa auf dem Gelände der Expo Brüssel ist eine Kunstmesse, bei der die Galeristen Wert auf den richtigen Anzug und ausgewählte Stühle in ihrer booth legen. Zur 70. Ausgabe bieten 130 Aussteller aus 16 verschiedene Länder ihre Waren feil; und was es hier alles gibt! "From Rome to chrome" könnte man das Angebot beschreiben, sagt der General Secretary der Messe, die im Jahr 1956 noch Foire des Antiquaires hieß und heute Gemälde Alter Meister, klassische afrikanische Kunst, Goldschmiede-Arbeiten, Teppiche und Textilien, seltene Bücher oder Schmuck anbietet.
Antike Möbel von sechzehnhundertirgendwas, portugiesische Silberkunst des späten 16. Jahrhunderts. Bücher, Uhren, Schmuck, Wandteppiche. Und dass man auf einer Messe ist, merkt man nicht nur wegen des betörenden Teppichgeruchs, sondern vor allem auch daran, dass die Kunst hier oft angefasst werden darf.
Und so sammelten sich bei der Stone Gallery aus den Niederlanden ältere Paare und erzählten von ihrer Steinsammlung und bestaunten die Zeit, indem sie Material aus Millionen von Jahren berührten. Gezeigt und verkauft wird nämlich eine Sammlung von Mineralien, Meteoriten und Fossilien. Zu Stein gewordenes Holz. Ein über zwei Meter hohes Vorderbein eines Wollhaarmammuts, das in der englischen Nordsee gefunden wurde – 110.000 Euro. Und selbst ein Ichthyosaurier aus Holzmaden in Deutschland, der 180 Millionen Jahre alt ist, könnte man für 65.000 kaufen. Dinozähne, Mond-Metereoiten. Und vielleicht ist die Möglichkeit des Erwerbs sogar noch interessanter als die Exponate an sich.
Ein Autogramm von Salvador Dalí
Die Galerie Claes verkauft einen großen Zeremonienlöffel der Dan-Kultur der Elfenbeinküste aus dem späten 19. bis frühen 20. Jahrhundert und einen Yoruba-Becherhalter aus Nigeria, und die kommen mit Provenienz-Angaben. Die belgische Galerie Art et Patrimoine - Laurence Lenne zeigt einen Krug, bei dem es sich wahrscheinlich um eines der diplomatischen Geschenke der Familie de'Medici an die Habsburger anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Johanna von Österreich und Francesco de’Medici handelt.
Ein Canaletto, das erste Bild, das er in Rom malte! Kommt mit Rahmen. Oder ein Buch von Salvador Dalí, "L'Amour et la Memoire" in der originalen Edition von 1932, samt handschriftlichen Eintrag des Künstlers. Taucht immer mal wieder in Auktionen auf, dort deutlich günstiger, aber vielleicht auch ohne Autogramm.
Wer kauft sich sowas, fragt man sich. Die Kardashians nicht, weil sie vermutlich nicht wissen, wer die Habsburger sind. Aber so ein Dinosaurier für den nächsten Kindergeburtstag bei Elon Musk, das wäre doch was. Aber nein, man möchte und sollte das ganze natürlich mit dem nötigen Ernst behandeln. Also kommen wir zur Kunst und lassen kurz die Männer aufmarschieren, die man so kauft.
Der inflationäre Picasso
Mindestens zwei Chagalls kann man erwerben, eine Bleistiftzeichnung von Egon Schiele, viel Miró, Christo, klar. Auch mindestens zwei Yves-Klein-Skulpturen leuchten blau in den Saal. Mehrere Arbeiten von Stephan Balkenhol. Langweilige Warhols. Gerhard Richter. Auguste Rodin. Man Ray, Heinz Mack, Keith Haring. Günther Uecker. Und mit Picassos wird man hier wirklich totgeschmissen. Absurd, wie inflationär so ein Werk erscheinen kann.
Auch Alexander Calder ist vielfach vertreten, meist mit Wandteppichen. Und ja, auch Frauen kann man kaufen. Zumindest ihre Bilder, wie wäre eins von Lotte Laserstein von 1922? Oder eine Skulptur der portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos, die in diesem Jahr Ehrengast der Brafa ist und mehrere ihrer riesigen Skulpturen über die Weggabeln in den Hallen hängen durfte? Sie finde die Messe sehr chic, auch wegen der Verbindung von verschiedenen Epochen. Ihre Installationen wollen Frauen ehren, sagt sie im Interview, sie seien so groß, weil sie so eine Art Wagner sein will. Und dann sagt sie noch: "Beauty brings harmony and harmony brings peace."
Und zeitgenössische Kunst? Ja, auch! Ein Joris Van de Moortel oder Bernard Buffet (gilt der noch als zeitgenössisch?) repräsentieren den vergruselten Geistertrend in der Malerei. Ben Storms Marmor-Kissen steht für aktuelles belgische collectible design, und mit der deutsch-portugiesischen Malerin Melanie Loureiro ist sogar eine Frau vertreten. Neben anderen sisters wie Niki de Saint Phalle, Textilkünstlerin Eva Aeppli oder Bildhauerin Céline Lepage. Aber noch öfter sieht man viele Frauen mit gespreizten Beinen auf den Bildern. Und viele Käuferinnen. Das ist die starke Realität einer Kunstmesse, nicht die müde Utopie einer Biennale.
Anubis und Isis wachen am Bett
Das Beeindruckende an der Brafa ist nicht nur der Teppich, den man wirklich gern hätte, weil er mit gelben Baum-Pilz-Muster bedruckt ist. Auch, dass man sich hier einen ganzen geschmackvollen Haushalt kaufen könnte, überzeugt. Vom Teller bis zur Gabel. Vom Bett bis zur Tapete.
Das Bett wäre dann zum Beispiel ein Ramses-Bett, das 1889 auf der Pariser Weltausstellung gezeigt wurde. Ein Schlafmöbel so groß wie ein Zimmer, an dessen Ecken Anubis und Isis wachen. Es gibt usbekische Seide, finnische Teppiche. Einen Loungechair von Charles van Rijk. Einen ganzen Satz Stühle von Hans J. Wegner. Tische von Gio Ponti oder Jean Prouve.
Man kann theoretisch hier sein ganzes Haus einrichten, zumindest wenn man für einen Kerzenständer 18.000 Euro budgetiert hätte. Apropos Kerzenständer: Künstlerin Joana Vasconcelos erzählte bei einem Interview noch, dass es in China gar keine Kerzenständer gebe. Nicht vorgesehen. Wieder was gelernt, dank der Kunstmesse Brafa, die man, wenn auch leider nicht mit Constant-Permeke-Bild unter dem Arm oder Tobia Scarpas Biagio-Lampe aus erster Edition, so doch als Mehrwissende wieder verlässt.