Ausstellung über Rechtspopulismus

Im Herzen des Meme-Krieges

In Dortmund setzen sich Künstler mit der rechtsextremen Alt-Right-Bewegung auseinander. Die Ausstellung geht dahin, wo es weh tut 

Inke Arns, künstlerische Leiterin des Hartware Medienkunst Vereins, war "selten so nervös vor einer Vernissage". Ein Sicherheitsdienst mischte sich unter die Besucher. Zum Glück blieb er arbeitslos. Doch das Thema der Schau im Dortmunder U – Sitz des Vereins – ist sehr brisant, hat doch der Rechtspopulismus und die damit einhergehende permanente Hassproduktion Konjunktur. Die zwölf Arbeiten von 16 Künstlern aus zwölf Ländern versuchen beim Verstehen von Phänomenen zu helfen. Es gilt immer noch: Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.

Trump und Brexit, Bannon und Breitbart. Der gebildete Bürger neigt dazu, ungläubig den Kopf zu schütteln ob des immensen Erfolgs der offenen Unvernunft. Je nachdem, wo er sich diskursiv befindet, beurteilt er dessen Phänomene als schier böse, blöd oder auch nur als absurd. Die Schau in Dortmund untersucht zumeist bildreich und oft rechercheintensiv die Wurzeln, macht Zusammenhänge sichtbar, erlebbar, erfahrbar. Alt-Right (für: "alternative Rechte") ist ein ziemlich umstrittener Begriff für eine vor allem im Präsidentschaftswahlkampf 2016 medial populär gewordene rechte bis rechtsextreme Gesinnung. Alt-Right-Anhänger hassen ziemlich vieles, zumeist Einwanderung, Multikulturalismus, politische Korrektheit, Feminismus, Juden, Islam oder soziale Gerechtigkeit. Das bevorzugte Medium zur Verbreitung ihrer Ansichten ist das Internet, Foren wie "4chan" und "8chan" oder auch Plattformen wie "Breitbart News", soziale Netzwerke wie Facebook oder Bloggingdienste, etwa Twitter. Längst ist das Phänomen in Europa angekommen.

Bibliothek voller Hassrede

Die Ausstellung begibt sich nun dahin, wo es weh tut. Etwa der Brite Nick Thurston, der für seine "Hate Library" Hass- und Wutreden aus Internet-Foren gesammelt hat, die er in dicken Büchern auf Notenständern im Kreis angeordnet hat. Eine gesamteuropäische multilinguale Gesangsstunde in Sachen Hass könnte sofort beginnen. Lesen auf eigene Gefahr.

Direkt daneben reinszeniert der Schweizer Regisseur Milo Rau und das IIPM (International Institute of Political Murder) die unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgetragene Verteidigungsrede des norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik vor Gericht. Die Zeilen werden in "Breiviks Rede" als Video-Lesung der deutsch-türkischen Schauspielerin Sascha Ö. Soydan vorgetragen. Ihre zurückhaltende, nüchtern-coole Performance fördert die toxische Maskulinität des Textes, wie auch seine Nähe zu rechtsnational etablierten Diskursen schmerzhaft deutlich zu Tage – und setzt sich andererseits selbstbewusst darüber hinweg. Trotzig-intelligentes Doku-Theater zu "Wir sind mehr".  

Eine zentrale Arbeit, die der Besucher als Poster-Ausgabe gratis mitnehmen darf, ist eine bunte und gewaltige Kartografie von aktuellen politischen Memes. "Online Cultural Wars" des Künstlerduos Disnovation.org positioniert hunderte von Memes, Symbolen und Akteuren entlang der Achsen Links-Rechts und Freiheitlich-Autoritär. Über die spekulative Platzierung lässt sich trefflich streiten. In die Bildwelten der nur vermeintlich alternativen Rechten begeben sich auch die Net-Art-Pioniere von Ubermorgen.com mit der immersiven Installation "BREITBART RED“. Der Besucher des Raumes, wie auch die User im Netz, beeinflussen mit der Maus Tonhöhe und Rhythmus der schreienden Bild-und Toncollage. Auf dem Sitzkissen durch den Bilderwahnsinn.

Die Geburt des Trumpismus

Die spektakuläre Zehn-Kanal-Videoinstallation "Steve Bannon: A Propaganda Retrospective (visual ecology)” von Jonas Staal ist das Ergebnis einer Sichtung von Dokumentarfilmen von ebendiesem Bannon. Der ehemalige "Breitbart"-Chef ist als Kampagnenmanager und Berater von Donald Trump zu Berühmtheit gelangt. Staal seziert die Bildsprache des Propagandisten, die, so Bannon, von Michael Moore, Leni Riefenstahl und Sergei Eisenstein beeinflusst sei. Die zehn Bildkanäle ordnen Motive und Metaphern thematisch an, so dass nunmehr für den Betrachter ein übergeordnetes Narrativ sichtbar wird: Bannons Bilder-Welten sind bevölkert von Bedrohungen, Katastrophenszenarien, von Unfällen und Zusammenbrüchen. Sie dienen dazu, eine permanente Krise in einem andauernden Kampf der Zivilisationen zu proklamieren. Klar, dass da nur der Ruf nach Autorität helfen kann. Die Geburt des Trumpismus aus dem Geist der Katastrophe.

Es gibt die Gelegenheit, sich bei weiteren Arbeiten als Betrachter in die Untiefen der Irrationalität zu versteigen. Ob zu Flaggenkult, zur Bewegung der Prepper oder zum Glauben an Saurier aus dem Weltall. Doch dahinter, das machen die Arbeiten deutlich, steckt eine ideologische Guerillataktik, die schlechterdings darauf aus ist, die Aufklärung zu attackieren. Wir müssten lernen, was Memes sind, sollten die Bildrhetorik, die Chiffren lesen lernen, die sich die rechten Vorkämpfer oft aus der linken Gegenkultur geholt haben. Die Ausstellung zeigt grobe Bilder aus fernen Filterblasen. Doch was sich darin abspielt, das sollten wir alle wissen, denn es verändert die Welt.