Calla Henkel weiß, wie man eine gute Party auf die Beine stellt. 2011 eröffnete die US-amerikanische Künstlerin gemeinsam mit Max Pitegoff in Neukölln die Times Bar, die bald zum Ankerpunkt der Expat-Kunstszene Berlins wurde; nach einiger Zeit in der Theaterwelt verlagerten die beiden ihre inszenatorische Praxis 2019 erneut ins Nachtleben und eröffneten in Schöneberg die Künstlerbar TV.
Nun hat Henkel, die dieses Jahr gemeinsam mit Pitegoff auf der Shortlist für den Preis der Nationalgalerie steht, einen Roman herausgebracht. Es ist das Jahr 2009, und Zoe und Hailey, zwei frisch in Berlin angekommene amerikanische Kunststudentinnen, verwandeln die ausladende Wohnung, die sie von einer exzentrischen Kriminalroman-Autorin mieten, in den aufregendsten Party-Hotspot der Stadt.
Doch obwohl die Vermutung naheliegt und die Kunstwelt-Literatur-Trends der vergangenen Jahre darauf hindeuten: "Other People’s Clothes" ist keine Autofiktion. Zoe ist traumatisiert von dem brutalen und ungeklärten Mord an ihrer besten Kindheitsfreundin, Hailey stürzt sich immer obsessiver in die Suche nach öffentlicher Aufmerksamkeit und scheint bald bereit, jeden Preis dafür zu zahlen. Aus diesen beiden Schicksalen entwickelt sich ein Comedy-Thriller, der virtuos Hoch- und Popkultur miteinander verwebt: Die Flashbacks voll blutüberströmter Körper, flackernder Lichter und dröhnender Geräusche, von denen sie regelmäßig heimgesucht wird, vergleicht Zoe mit einem Rihanna-Musikvideo, die schlaffe Gesichtshaut ihrer Therapeutin erinnert sie an die Maske des Agamemnon.
Zwischen Ingmar Bergman und "Gossip Girl"
Hailey trägt Chanel Mademoiselle, "ein allgegenwärtiger, Windex-artiger Duft mit hoher Popularität bei Zahnhygienikerinnen, Galerieassistentinnen und anderen Frauen mit Nähe zu harmlosen Formen der Macht"; sie verfolgt gebannt den pietätlosen Celebrity-Blog Perez Hilton und die in Italien anbrechende Gerichtsverhandlung gegen die von den Medien als eiskalter Engel gebrandmarkte Studentin Amanda Knox, der vorgeworfen wird, ihre Mitbewohnerin ermordet zu haben.
"Künstlerin zu sein bedeutet, Geschichten zu verkaufen, und Geschichten verkaufen ist Kommerz. Daran ist nichts alternativ", erklärt sie Zoe. Henkel ist es gelungen, eine aktuell aufflammende Nostalgie für den sorglosen Hedonismus der späten 2000er-Jahre zu bedienen und zugleich das kannibalistische aufmerksamkeitsökonomische Mediensystem der Zeit scharf zu kritisieren. Mit ihrer Meta-Erzählung über das Schlüpfen in fremde Gewänder erkundet sie darüber hinaus, irgendwo zwischen Ingmar Bergmans "Persona" und "The Roommate“, mit "Gossip Girl" und Starlet Leighton Meester den dezidiert weiblichen Thriller-Topos der obsessiven Nachahmung und Duplizierung. Ach ja, ihre Partyszenen sind natürlich auch fantastisch.