Conner Ives' Mode ist extravagant. Bei der Londoner Modewoche Ende Februar zeigte er perlenbesetzte Miniröcke, transparente Abendkleider und lange Mäntel mit Federsaum. Das Kleidungsstück jedoch, das im Gespräch blieb, trug er selbst. Ähnlich wie Alexander McQueen, der für die Verbeugung nach seiner Modenschau 2006 ein "We love you Kate"-T-Shirt trug (kurz zuvor war seine enge Freundin und Supermodel Kate Moss durch offensichtlichen Drogenkonsum in Verruf geraten), entschied auch Ives sich für ein Statement.
Für den kurzen Gruß auf dem Laufsteg hatte der Modedesigner zu braunen Loafers und einer blauen Jeans ein schlichtes weißes Oberteil kombiniert. "Protect the Dolls" lautete der in schwarzer Schrift darauf gedruckte Slogan.
Heute, knapp zwei Monate später, tragen internationale Superstars das viral gegangene Stück. Schauspieler Pedro Pascal feierte in dem T-Shirt seinen 50. Geburtstag und trug es zur Premiere seines neuen Films "Thunderbolts". Sänger Troye Sivan zeigte es prominent während seines Auftritts beim Coachella-Festival. Sängerin Addison Rae trat genauso in dem Shirt auf wie Modedesigner Haider Ackermann. Und auch die Schauspielerinnen Lisa Rinna und Tilda Swinton griffen bei dieser gerade jetzt wichtigen Message zu.
Ives fand sich bei der Vorbereitung seiner Modenschau, wie so viele Kreative, in einem Dilemma wieder. "Du schaust dir all das an, was gerade in der Welt passiert, und gerätst in diesen seltsamen Geisteszustand, in dem du dich fragst: Wie soll ich mit meiner Modekollektion diese Probleme lösen?", erklärte er in einem Interview mit der "Vogue". Eine unmögliche Aufgabe.
Doch als Modedesigner mit großer Sichtbarkeit kann man seinen Teil beitragen und Stellung zu dem beziehen, was rundherum passiert. Ives zeigt durch seine Designs generell seine Sichtweise auf die Welt, verarbeitet darin seine Gedanken und Botschaften und bot auch im Februar eine kurze Ausflucht aus der mit schlechten Nachrichten überladenen Gegenwart.
Sein T-Shirt jedoch ging darüber hinaus. Er entwarf und trug es als klares Zeichen der Solidarität mit der Trans-Community. In einem Moment, in dem die Trump-Regierung gerade dieser schutzbedürftigen Gruppe die Rechte und Unterstützung nimmt, die sie sich in den letzten Jahren erarbeitet hat. Transfrauen werden in der LGBTQAI+-Community liebevoll als dolls bezeichnet: ein Begriff, der auf die Ballroom-Kultur der 1980er-Jahre zurückzuführen ist. Conner Ives setzte so ein unübersehbares Statement, dass es spätestens jetzt an der Zeit ist, sich für die Trans-Gemeinschaft einzusetzen; sie vor den staatlichen Akteuren zu bewahren, die ihr eigentlich Schutz gewähren sollten.
Rechteabbau im Eiltempo
Die US-Regierung hat in den letzten Monaten verkündet, nur noch zwei Geschlechter anzuerkennen: männlich und weiblich. US-Staatsbürger dürfen zudem nicht mehr das von ihnen gewünschte Gender auf ihrem Pass angeben, auch ein X für nichtbinäre Personen ist nicht mehr erlaubt.
Transpersonen wurden aus dem Militärdienst entlassen, sie dürfen nicht mehr die öffentliche Toilette benutzen, die ihrem angepassten Geschlecht entspricht, außerdem sollen Transfrauen in Männergefängnissen untergebracht werden. Doch nicht nur die Vereinigten Staaten streichen der queeren Community im Eiltempo ihre Rechte. Erst vor wenigen Tagen entschied der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, dass die Begriffe "Frau" und "Geschlecht" im Gleichstellungsgesetz von 2010 ausschließlich auf das bei der Geburt zugewiesene biologische sex verweisen. Diese Entscheidung bedeutet, dass Transfrauen – selbst mit einem Gender Recognition Certificate (GRC) – rechtlich nicht als Frauen gelten und somit von geschlechtsspezifischen Schutzmaßnahmen ausgeschlossen werden können.
Seit dem Moment, in dem Conner Ives' T-Shirt im Scheinwerferlicht stand, war die Nachfrage nach dem simplen, aber bedeutungsschweren Stück Stoff groß. So beschloss der amerikanische Modedesigner, es in Produktion zu geben. Auf seiner Website kann man das T-Shirt für 75 Pfund in den Größen XS bis XXL erwerben. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf wird direkt an Trans Lifeline gespendet, einer von Transpersonen geführte gemeinnützige US-Organisation, die peer support und eine Krisen-Hotline anbietet.
"Das Mindeste, was ich tun kann"
Letztere verbindet Hilfesuchende mit einer breiteren Community und bietet ihnen Unterstützung und Ressourcen. Ein Auftrag, der im politischen Klima unter Trump noch einmal schwieriger geworden ist. "Solche Angebote sind heute wichtiger denn je, angesichts der Feindseligkeit und Unterdrückung, die die US-Regierung Transmenschen inzwischen entgegenbringt. Ich wäre heute ohne die Unterstützung, die ich von den dolls erhalten habe, nicht da, wo ich bin. Das hier ist wirklich das Mindeste, was ich tun kann, um Danke zu sagen", erklärte Ives selbst in einem Post auf Instagram, in dem er die Produktion des gefragten T-Shirts verkündete.
Ives entwarf das T-Shirt in enger Absprache mit dem Transmodel Hunter Pifer, das oft für ihn bei seinen Shows läuft, um den Blickwinkel einer direkt betroffenen Person einzubeziehen. Auch die großen Fashion-Namen Colin Jones und Alex Consani nennt Ives in seiner Danksagung, da die beiden ihm seit seinen Anfängen in der Modebranche unterstützend zur Seite gestanden hätten.
Der prominente Support des "Protect the Dolls"-Shirts verhalf der Organisation Trans Lifeline nicht nur zu einer großen Sichtbarkeit, sondern sorgte auch für eine Spendenwelle außerhalb der Kleidungs-Verkäufe. Zu einem absoluten Trendpiece wurde das Oberteil jedoch durch seine Präsenz und Reichweite auf dem Coachella-Festival in Kalifornien. Der queere Sänger Troye Sivans trug es während seines Auftritts mit Popstar Charlie XCX, und so wurden innerhalb von 24 Stunden 200 Stück verkauft. Laut der "New York Times" hat Ives mit den Entwürfen inzwischen mehr als 250.000 Dollar eingenommen.
Slogan-Shirts als tragbare Politik
Es ist ein einfacher Slogan auf einem simplen T-Shirt. Und doch viel mehr als das. Kleidungsstücke mit Botschaften sind schon seit Jahrzehnten ein beliebtes Werkzeug, um sich durch Mode Gehör zu verschaffen. Erste Modelle kamen in den 1960er-Jahren auf. Modedesignerin Katharine Hamnett machte das T-Shirt in den 1980er-Jahren politisch, trug Aussagen auf ihrem Torso wie "58 % wollen keine Pershing" (ein Hinweis auf den weit verbreiteten Widerstand gegen US-Raketen, die in Großbritannien stationiert werden sollten).
"Slogans wirken auf so vielen verschiedenen Ebenen – sie sind fast schon unterschwellig. Sie sind auch eine Möglichkeit für Menschen, sich mit einer Sache zu identifizieren. Sie sind tribal. Einen zu tragen, ist, als würde man sich selbst brandmarken", erklärte Hamnett gegenüber dem "Guardian". Weniger positionierend, sondern humorvoll sprachen die T-Shirts von Henry Holland in den frühen 2000er-Jahren einzelne Charaktere der Modebranche an. "Cause me pain, Hedi Slimane" oder "Do me daily, Christopher Bailey" gehörten zu den beliebten Aufschriften.
Für Furore sorgte das "We should all be feminists"-Shirt von Maria Grazia Chiuri für Dior. 850 Euro kostet das gute Stück, was für viele seine Aussage ins Gegenteil verkehrte. Hier dürfen also nur Oberklasse-Feministinnen ihren Standpunkt kundtun? Auch unter Conner Ives' Posts über sein Charity-Statement beschweren sich einige User über den Preis von 75 Pfund. Hier aber geht das Geld nicht an ein milliardenschweres Unternehmen, sondern an eine Gruppe in der Gesellschaft, die jede mögliche Unterstützung gebrauchen kann.