Klassische Weihnachtsdarstellungen wären auch im zweiten Corona-Jahr schwierig: Vater, Mutter, Jesuskind, ok, aber was ist mit den Hirten und Engeln und Königen? Die sollten wegen Omikron-Alarm eigentlich draußen bleiben. Weil das Jahresende auch immer ein bisschen nostalgisch ist, erinnern wir an die "guten alten Zeiten" und zeigen Kunstwerke zu Weihnachten, die sich zufällig an die Kontaktbeschränkungen halten - oder solche Szenen, die mit ihren zahlreichen Protagonisten gerade nicht möglich wären.
Der erste Zeitsprung führt uns ins Jahr 1907. Die Menschenansammlung der fröhlichen Matrosen auf einer Bildpostkarte von 1907 (siehe oben) sieht ganz nach einer Corona-Party aus. Die elf Matrosen scheinen eine gute Zeit zu haben. Sie rauchen Pfeife, trinken Bier und Schnaps und musizieren - möglicherweise singen sie auch! Sieht ziemlich verboten aus, oder zählt ein Schiff als ein Haushalt?
Ganz corona-konform macht es diese Familie 50 Jahre früher. In der Zeit des Biedermeiers (1815-1848) war bürgerliche Spießigkeit en vogue. Das Wohnzimmer wurde zum Lebensmittelpunkt und hübsch eingerichtet, Kaffeekränzchen und Hausmusik bestimmten den Alltag. Das Biedermeier hat in puncto Einrichtung also schon im 19. Jahrhundert Hygge-Standards gesetzt.
Auf der Darstellung eines Weihnachtsabends sind auflagengetreu nur die beiden Eltern mit ihren Kindern, plus eine Magd - also fünf Menschen - zu sehen. Die Illustration zeigt eine Szene aus der Kindergeschichte "Der Nussknacker". Der Text hierzu lautet: "Während der wilde Fritz bereits das Holzpferdchen und seinen neuen Spielzeugsäbel ausprobiert, wird der braven Marie der Nussknacker von ihren Eltern überreicht."
Die biedermeierliche Beschaulichkeit trieb die Menschen im 19. Jahrhundert sogar dazu, Weihnachtsbäume auf Karnevalsumzüge mitzunehmen. Bis vor 200 Jahren wurden die Christbäume eher mit essbaren Dingen - hier zum Beispiel mit Würsten - geschmückt. Die ersten Deko-Glaskugeln wurden in Deutschland wahrscheinlich erst gegen 1848 eingesetzt. Die Illustration stammt aus dem Jahre 1837 - also dem Vormärz - und soll mit Würsten und Bier zeigen, dass die Bequemlichkeit den Menschen wichtiger ist als die Revolution. Außer dem Revolutionsbewusstsein fehlt den Menschen vor allem eins: Abstand. Abgesehen von der illegalen Versammlung trinken die Herren auch in der Öffentlichkeit.
Ganz im Gegenteil zum unrevolutionären Betrinken brachte die Arts and Crafts Gruppe "Suffrage Atelier" zum beginnenden 20. Jahrhundert einige Illustrationen heraus, die die patriarchalische Ungerechtigkeit an Weihnachten anprangerten. Früher durften Jungen zuerst die Geschenke unterm Baum aussuchen und Mädchen mussten nehmen, was übrig war. Die Suffragetten forderten gleiches Recht für alle unterm Christbaum.
Wer weiß, wie der Heilige Nikolaus von Myra, der vor dem Weihnachtsmann die Geschenke brachte, die geschlechtergerechte Verteilung gehandhabt hätte ... Sankt Nikolaus zog meistens zu Pferd von Haus zu Haus und brachte den netten Kindern Süßes und Spielzeug. Die "bösen" Kinder wurden von den "Helfern" des Nikolaus, wie Knecht Ruprecht oder dem Zwarten Piet bestraft. Der Nikolaus war zwar schon am 6. Dezember unterwegs, also kurz nachdem wir zum ersten Mal von Omikron gehört haben, aber er hat sich hoffentlich trotzdem an die Corona-Auflagen gehalten. Auf dieser Darstellung um 1850, verteilt er vorbildlich draußen mit einer Armlänge Abstand und ohne Helfer die Geschenke.
Ganz anders sieht es allerdings beim Weihnachtsmann aus, der ja bei den Kindern gern mal ein paar Kekse nascht oder sich was vorsingen lässt. Die Figur des Weihnachtsmanns entstand in der Zeit des Biedermeiers aus nordischen Erzählungen von Väterchen Frost oder Joulupukki gemischt mit dem Nikolaus. Im roten, von Coca-Cola geschaffenen Look, wie wir ihn kennen, löste er im 20. Jahrhundert den Nikolaus als Geschenkebringer zu großen Teilen ab.
Die WHO gab vergangenes Jahr zum Glück bekannt, dass der Weihnachtsmann (Risikogruppe!) immun gegen Corona ist und deswegen wie gewohnt reisen kann. Aber Gefahren ist Santa je gewögnt, wie dieses Bild von Norman Rockwell beweist.
Eindeutig falsch macht es die Heilige Familie. Abgesehen von der Frage, ob ein Stall als Haushalt zählt, sind auf dem Bild viel zu viele Leute zu sehen.
Ein Krippenspiel wäre dieses Jahr wohl auch weniger schön. Der Künstler Thomas Cooper Gotch wollte in seinem Werk "Alleluia" den Gesang als Form des Gebets darstellen - doch Singen bleibt in Coronazeiten ein Risiko.
Auch wenn das Weihnachtssingen dieses Jahr verhaltener ausfällt, bleiben uns die Popschlager der Saison wohl nicht erspart. Die Gruppe Wham! bedudelt mit ihrem Hit "Last Christmas" seit 1984 jede Weihnachtssaison. Wir alle kennen die Ohrwurmqualität des Liedes zur Genüge, aber das Musikvideo tut auch weh: Eine riesige Gruppe Freunde fährt zusammen über Weihnachten in den Urlaub - vielleicht keine so gute Idee!
Der gute Ebenezer Scrooge erkennt am Ende des Buches "Eine Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens die Schönheit eines guten Heiligabends in Gesellschaft. Dieses Jahr würde Scrooge gut daran tun, wie gewohnt Weihnachten allein zu verbringen und nicht mit der Familie seines Angestellten Bob Cratchit zu feiern. Im Film "A Muppet Christmas Carol" lädt der neue positive Scrooge sich selbst bei Miss Piggy und Kermit alias Mr. und Mrs. Cratchit ein und bringt auch gleich noch eine Menge Leute mit. Dieses Jahr müssten Rizzo, Fozzi Bär und die anderen leider draußen bleiben.
Eine Weihnachtstradition, können wir aber auf jeden Fall weiterführen - den Weihnachtsspaziergang. Die schneeverschneite Landschaft von Takahashi Hiroaki "Snow on Ayase river" lädt sehnsuchtsvoll dazu ein, Weihnachten erneut ganz anders zu begehen. Wer weiß - vielleicht haben wir ja wenigstens eine weiße Weihnacht.
Dies ist die aktualisierte Version eines Textes, der - nach dem Motto "alle Jahre wieder - erstmals Weihnachten 2020 erscheinen ist