Roman von Daniel Birnbaum

Anschlagspläne, Botschafterinnen, Agenten

Daniel Birnbaum, ehemaliger Direktor des Moderna Museet, heute Direktor von Acute Art und Romanautor
Foto: John Scarisbrick, © Acute Art

Daniel Birnbaum, ehemaliger Direktor des Moderna Museet, heute Direktor von Acute Art und Romanautor

Der ehemalige Museumsdirektor Daniel Birnbaum hat einen Spionage­roman geschrieben, der vom aufregenden Leben seines Großvaters inspiriert ist. Leider reißt "Dr. B." nicht wirklich mit

Am Weihnachtstag des Jahres 2015 holt Daniel Birnbaum, damals Direktor des Moderna Museet in Stockholm, einen ramponierten Karton aus seinem Bücherregal. Darin lagern seit Jahrzehnten unberührt die hinterlassenen Papiere seines Großvaters. Immanuel Birnbaum, ein Journalist jüdischer Herkunft und engagierter Sozialdemokrat, war im Herbst 1939 mit seiner Familie aus Deutschland nach Schweden geflohen, hatte dort kurze Zeit im Gefängnis gesessen und war nach dem Krieg zurückgekehrt. In den 1960ern brachte Birnbaum es bis in die Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung".

Über 30 Jahre nach seinem Tod verliert sich nun sein Enkel in seinen Briefen und findet eine Intrige, ein Spionagedrama wie aus einem Drehbuch, dessen entscheidender Satz mit unsichtbarer Tinte geschrieben wurde – von seinem Großvater. Hat Immanuel Birnbaum mit einem von der Zensur abgefangenen Brief unabsichtlich einen Anschlag auf die schwedischen Erzlieferwege verhindert und so in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs eingegriffen?

Der ehemalige Rektor der Städelschule und heutige Direktor der auf VR spezialisierten Kunstagentur Acute Art hat aus dieser bemerkenswerten Geschichte seinen ersten Roman gemacht und ihn "Dr. B." genannt, nach dem Protagonisten von Stefan Zweigs "Schachnovelle" (und nach seinem Großvater, auch wenn der gar keinen Doktortitel besaß). Stefan Zweig war unter den exilierten Autoren, die vom ebenfalls nach Stockholm geflohenen Gottfried Bermann Fischer verlegt wurden.

Alle Elemente eines historischen Exil- und Spionageromans

Birnbaums Großvater, der Held des Buches, war wiederum Fischers Angestellter, er lektorierte für ihn deutsche Literatur. Stockholm war damals ein einigermaßen sicheres Ausweichquartier. Ins Casablanca des Nordens retteten sich während des Krieges Exilanten wie Peter Weiss, Bertolt Brecht und Helene Weigel, Willy Brandt und Bruno Kreisky. Birnbaums Roman taucht ein in "eine Stadt, die bis vor Kurzem noch peripher schien, nun aber zum Schauplatz wichtiger Entscheidungen wurde. Ja, vielleicht sogar zu dem Ort, an dem in genau diesem Herbst die Zukunft Europas entschieden werden könnte, womöglich sogar im Laufe der nächsten Woche, wenn Immanuel die prekäre Lage, die um die Erztransporte entstanden war, richtig interpretierte."

Anschlagspläne, Botschafterinnen, Agenten, berühmte Schriftsteller, ein Lektor, der in eine Verschwörung verwickelt wird und dafür am Ende sogar ins Gefängnis geht – Daniel Birnbaum hat alle Elemente eines historischen Exil- und Spionageromans beisammen, und er hat einen persönlichen Bezug zum wichtigsten Protagonisten, seinem Großvater. Da kann kaum etwas schiefgehen, könnte man meinen. Doch leider überträgt sich beispielsweise der Taumel des Exils beim Lesen kein bisschen. Die Handlung schält sich zaghaft aus dem Nebel endloser Konversation.

Die Menschen, deren Schicksal doch wirklich dramatisch ist, handeln kaum, sondern reflektieren lieber, was geschehen ist oder noch geschehen wird. Der Ton ist gediegen und floskelhaft. Das ist besonders schade, weil der Roman ja im Verlagsmilieu spielt, unter Sprachartisten. Birnbaums Vermeidungstaktik mag eine gewisse Eleganz haben, für ein wirklich gutes Buch reicht sie nicht aus.