Ausstellung in Berlin

Daniel Knorr macht die Galerie zum Schmuddelclub

Der Künstler Daniel Knorr sagt, dass es politische Kunst gar nicht gibt. Seine Ausstellung bei Meyer Riegger in Berlin zeigt jedoch einmal mehr, wie sensibel er auf die Welt reagiert 

Natürlich dreht sich nicht alles nur ums Geld. Das Zwischenmenschliche lässt sich nicht ausradieren, und in manch verbiestertem Banker steckt ein klammheimlicher Globalisierungskritiker. Anderseits sind auch die luftigsten Lebenskünstler der Macht des Marktes untertan, zum Beispiel des Kunstmarktes: "Ich lasse die Galerie ein wenig wie einen Schmuddelclub aussehen", sagt Daniel Knorr, der mit seiner Soloschau bei Meyer Riegger den Markt bedient und zugleich Kritik an der Rolle des Künstlers als Warenproduzent einfließen lässt.

Die Fassade der Galerie hat der 1968 in Bukarest geborene Künstler mit Edelstahlblechen verkleidet. Die Flächen wurden mit einem Brenner bearbeitet, wodurch Unebenheiten und farbig flimmernde Muster entstanden sind. Es geht Knorr darum, komplexe Erscheinungen wie Klimawandel oder Migrationsbewegungen in Bildern zu verdichten. Diesen Prozess nennt er "Materialisierung".

Als Knorr 2005 den Rumänischen Pavillon der Venedig-Biennale bespielte, präsentierte er leere Räume. Rumänien war gerade NATO-Mitglied geworden und verhandelte um den Eintritt in die Europäische Union. War die Aktion politisch zu lesen? "Für mich gibt es den Begriff der politischen Kunst gar nicht", sagt Knorr, räumt aber ein: "Wahrnehmung ist Politik", spielt also den Ball zum Betrachter zurück. Als Knorr zur Documenta 2017 weißen Rauch aus dem Kasseler Zwehrenturm aufsteigen ließ, ließ der Kunstnebel ebenso an aktuelle Kriege denken wie an Bücherverbrennungen 1933 am Fridericanium.

Zurück zu Meyer Riegger: die beiden Werkserien, die Knorr in der Galerie zeigt, bilden Geschichte ab. Seit 2013 arbeitet der Künstler an der Serie "Depression Elevations". In verschiedenen Städten hat er Pfützen und andere Unebenheiten oder Schäden von Straßen direkt vor Ort abgenommen, um sie im Abgussverfahren zum Wandrelief umzugestalten und in einem zweiten Schritt das transparente Material mit schrillen bis giftigen Farben einzufärben.

Einerseits schreien diese Artefakte ihren Warencharakter geradezu heraus, andererseits sind die Färbungen sehr persönliche, emotionale Setzungen des Künstlers. Knorr spricht davon, sich selbst "in den Schlaglöchern auszugießen". Die ideale Straße ist von perfekter Textur. Die Vertiefungen im Asphalt sind nicht gewollt, sondern Spuren von Witterung und menschlicher Aktivität – woran Knorr dann künstlerisch anknüpft.

Für die neuen "Depression Elevations" hat er sich Orte des Mauerstreifens in Berlin ausgewählt. An den Reliefs erkennt man das Kopfsteinpflaster, mit dem der Verlauf der Mauer heute noch markiert ist. "An der ehemaligen Grenze materialisiert sich ein Konflikt – oder ein gelöster Konflikt, je nachdem", sagt Knorr, der in seiner Kunst oft wie ein Historiograf agiert. Bekanntes Beispiel: Auf der Documenta 2017 in Athen presste Knorr Fundstücke von Stadt-Erkundungen in Bücher.

Kontrastiv zu den bunten Wandreliefs sind die Skulpturen der Serie "Dip in the Past" ausgestellt, die der Ausstellung auch den Titel gaben. Zu sehen sind zweigeteilte Leitern, im unteren Bereich rostig, im oberen glatt und unbehandelt. Zu diesen einzeln, aber auch in Zweier- bis Fünfergruppen aufgestellten Objekten existiert ein Originalfundstück. Es handelt sich sozusagen um ein Readymade, das mehrfach reproduziert wurde. Mit den Leitern assoziiert man Lebensläufe, Aufbruch, Menschengruppen, die zusammenhalten. Im Fall der solitären, in einer Galerie-Apsis stehenden Leiter deuten sich religiöse Bezüge an. Daniel Knorr mag darauf beharren, dass Kunst per se nicht politisch sein kann. Den Humanismus kann man ihr aber nicht austreiben.