Grisebach-Partner Daniel von Schacky

"Wir wollen die zeitgenössische Kunst weiter entwickeln"

Das vergangene Jahr war für den Kunstmarkt durchwachsen, für 2025 sieht Daniel von Schacky vom Auktionshaus Grisebach bereits gute Signale. Ein Gespräch über Trends, den Standort Berlin und gute Vorsätze


Daniel von Schacky, seit zwei Jahren sind Sie Partner bei Grisebach und leiten gemeinsam mit Diandra Donecker das Berliner Auktionshaus. Sie kannten das Haus, Sie waren von 2011 bis 2016 schon einmal Geschäftsführer dort. Ihre Rückkehr nach Berlin machte 2023 den Generationswechsel bei Grisebach komplett. Gibt es etwas, das Sie beim Neuanfang überrascht hat?

Die Grundfesten des Auktionshandels hatten sich nicht geändert. Aber was sich während meiner Abwesenheit entwickelt hat, ist der Bereich des 21. Jahrhunderts. Die Kolleginnen in der Abteilung Zeitgenössische Kunst haben hier einen sehr guten Weg gefunden, das Geschehen in der jüngeren zeitgenössischen Kunst abzubilden, insofern das überhaupt auktionabel ist. 

Warum ist gerade dieser Bereich so delikat? 

Vor allem im angloamerikanischen Raum erlebt man diese Hypes: Kunstwerke, die sechs Monate vorher vielleicht für 50.000 Pfund in einer Galerie gekauft werden, werden dann in Auktionen in New York oder London für 1,5 Millionen Dollar verkauft. So etwas ist für die Künstlerinnen und Künstler schwierig, weil zu viel Erwartung aufgebaut wird. Mit diesen jüngsten "Shooting Stars" gehen wir sehr vorsichtig um. Wir sehen da eine Verantwortung gegenüber unseren Käuferinnen und Käufern und auch gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern. Es gibt ja genug Beispiele von jungen Positionen, die enorm gehyped wurden und es dann sehr schwer hatten, sich in ihrem Werk weiterzuentwickeln und ihren Markt weiterzuführen.

Wie kann man so etwas als Auktionshaus denn bremsen? 

Das muss man sich schon im Vorfeld anschauen. Wenn wir etwas im Katalog haben und sich danach ein Hype entwickelt, dann werden wir das nicht herausnehmen, da muss man auch realistisch sein. Aber generell passiert dieser Hyperloop eher im internationalen Bereich, auch in Asien. Wir jagen so etwas bewusst nicht hinterher. In anderen Märkten wird es mehr geschürt.

2024 war insgesamt für den Kunstmarkt ein schwieriges Jahr. Im internationalen Auktionsgeschäft hat sich das in Umsatzrückgängen bis zu 30 Prozent niedergeschlagen. Auch in Deutschland waren die Ergebnisse sehr gemischt. Welche Gründe sehen Sie dafür?

Im Rückblick sieht man, wie unvorhersehbar Veränderungen des Marktes sein können, wie kurzfristig und wie groß. Im März 2020 hätte niemand gedacht, dass die Pandemie einen Boom im Kunstmarkt auslösen würde. Und dann haben die Galerien wie auch die Auktionshäuser zum Teil Rekordumsätze gemacht. Bei der gegenteiligen Entwicklung danach hat die Wirtschaftslage insgesamt eine große Rolle gespielt, die hohen Zinsen in den USA wirkten bremsend auf den Kunstmarkt, und in Deutschland die generelle wirtschaftliche Entwicklung. Das hatte gerade im Frühjahr des vergangenen Jahres große Auswirkungen. Da gab es eine große Zurückhaltung in allen Käuferschichten und Segmenten. 

Wie viel Psychologie ist da jeweils dabei? 

Enorm viel. Wenn alle um einen herum darüber reden, wie schlecht die Lage ist, dann hält man sich vielleicht auch damit zurück, sich etwas Gutes zu tun, egal wie die eigene wirtschaftliche Situation ist. Das war 2024 oft der Fall. Interessanterweise haben wir dann bei unseren Herbstauktionen sehr gute Ergebnisse gerade am oberen Ende gehabt, mit einer sehr regen Teilnahme von zum Teil sehr wohlhabenden deutschen Kunden. Im mittleren Preisbereich hat man dagegen in deutschen Aktionen gesehen, dass die Zuschlagquoten nicht so hoch wie gewohnt waren. Ob das 2025 besser wird, kann man nur spekulieren. 

Und?

Mein Bauchgefühl sagt ja. Wir haben jetzt schon früh in der Saison sehr interessante Einlieferungen, und die geben am Ende den Ausschlag. Der schwache Euro ist tendenziell auch immer gut für den Kunstmarkt in Deutschland, so ist jetzt plötzlich für die Amerikaner alles zehn Prozent günstiger. 

Wie wichtig sind die US-amerikanischen Kunden generell? 

Der amerikanische Kunstmarkt ist der größte der Welt, und auch die Amerikaner sind ohne Zweifel die größte Käufergruppe auf der Welt. 

Wie können Sie die hier aus Berlin ansprechen?

Wir müssen ja keine 10.000 Leute erreichen. Wir kennen die Sammlerinnen und Sammler, können sie direkt kontaktieren und direkt auf Werke aufmerksam machen, von denen wir meinen, dass sie von Interesse sind. 

Das ist ein sehr individuelles Geschäft. 

Absolut. Gerade, wenn es um die höheren Preisbereiche geht, ist es nach wie vor sehr persönlich und sehr beziehungsorientiert. 

Wissen Sie vor der Auktion, wer ein Werk wahrscheinlich kaufen wird? 

Das nicht. In unserer Herbstauktion haben wir unser Gemälde von Max Beckmann für 5.398.000 Euro an einen Online-Bieter aus Deutschland verkauft, der bis eine Stunde vor der Aktion keinen Hinweis darauf gegeben hat, dass er sich überhaupt für dieses Bild interessiert. Er hat auch noch nie vorher bei uns in dieser Größe gekauft. Er hat dann einfach online mitgeboten. Was in diesem Preisbereich sehr ungewöhnlich ist. Soweit ich weiß, war das der höchste Onlinezuschlag, den es jemals in Deutschland gegeben hat. 

Aber der Käufer bleibt anonym?

Ja. Ich kann Ihnen nur sagen, dass das Selbstbildnis von Max Beckmann, das wir davor, 2022, verkauft haben, an den Sammler Reinhold Würth gegangen ist, zum höchsten Preis, der jemals in einer Auktion in Deutschland erzielt worden ist. Er hat das Bild kurz danach in seinem Museum präsentiert. 

Diskret ist auch der Bereich der Private Sales, der bei Grisebach mehr in den Fokus rückt. Wie funktioniert das? 

Im Prinzip ist das wie Kunsthandel. Manchmal gibt es die Situation, dass ein Kunde zu uns kommt und sagt: Ich möchte dieses Bild verkaufen, aber ich möchte nicht, dass die ganze Welt das weiß. Wir greifen dann auf unsere Kontakte zurück, wir haben rund 40.000 Kunden in der Kartei und wissen auch, wer sich für was interessiert. Und dann sprechen wir sie an. Solche Private Sales sind inzwischen international ein fester Bestandteil des Angebots der Auktionshäuser. Wir haben den Bereich in den letzten Jahren stark ausgebaut – wobei das Hauptgeschäft immer noch die Auktion ist, mit Abstand. 

Seit Anfang 2025 gilt für Kunst der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Macht das für Sie einen Unterschied?

Bei den Galerien mehr als bei den Auktionshäusern. Die meisten unserer Verkäufer sind Privatpersonen aus der EU. Alle diese Personen können mit der sogenannten Margenbesteuerung verkaufen. Es werden nur auf das Aufgeld des Auktionshauses die 19 Prozent erhoben, und das bleibt auch so. Aber wir haben auch immer zehn bis 15 Prozent Einlieferung, die aus welchen Gründen auch immer, vor allem, weil sie aus dem Nicht-EU-Ausland stammen, mit Regelbesteuerung verkauft werden müssen. Und die werden nun günstiger sein, weil sie nun sieben Prozent statt mit 19 Prozent besteuert werden. Nur für die Fotografie gilt das leider nicht. Was sehr bedauerlich ist, weil die Fotografie sowieso als Kunstrichtung keinen leichten Stand hat. 

Im Vergleich zu Großbritannien oder Frankreich ist der deutsche Kunstmarkt insgesamt klein, er hält rund zwei Prozent Anteil am weltweiten Kunstmarkt. Wie kommt das?

Das Positive ist, dass wir in Deutschland einen sehr lebhaften inländischen Markt haben, mit vielen Verkäufern und Käufern. Das ist ein großer Unterschied gegenüber vielen der anderen europäischen Einzelmärkte. Dadurch, dass Deutschland eines der größten Länder in Europa ist, hat es einen lebhaften Konsummarkt. Aber es hat nicht dieselbe Internationalität wie der immer noch wichtigste Handelsplatz London, oder wie Paris, das wegen des Brexits dazukommt. Das liegt auch daran, dass Deutschland nicht so zentralisiert ist. Sie kommen nach Ostwestfalen oder auf die Schwäbische Alb und finden Wahnsinnssammlungen und tolle kleine Museen. Das ist die Stärke unseres Landes, und deswegen haben wir auch so einen lebhaften nationalen Kunstmarkt. Aber der globale Markt wird in Deutschland wahrscheinlich nicht sein Zuhause finden. Hinzu kommen bürokratische Hürden. Generell sind der Kunstmarkt und die Kultur im Bewusstsein von Politik und Verwaltung keine Priorität. In Großbritannien wird das als wichtiger Standortfaktor wahrgenommen. Davon sind wir hier weit entfernt. 

Was man ja auch gerade an den kulturpolitischen Kürzungen in Berlin sehen kann. Tangiert dieser Kahlschlag in der Kulturszene auch ein Haus wie Grisebach? 

Wir sind ja nicht zufällig in Berlin. Als unser Haus 1986 in Berlin gegründet wurde, haben alle gesagt, seid ihr wahnsinnig? Es gibt in Berlin weder Leute, die kaufen, noch solche, die verkaufen, und drumherum ist die DDR. Aber es hat funktioniert. Grisebach hat immer von Berlin profitiert. Es ist wahrscheinlich der einzige Ort in Deutschland, wo alle, ob sie jetzt auf der Schwäbischen Alb oder am Tegernsee oder in Schleswig-Holstein wohnen, mehrmals im Jahr vorbeikommen. Wegen Kongressen, Messen und natürlich dem restlichen Kunst- und Kulturangebot. Wir sind Teil des Gesamtgefüges hier in Berlin, und insoweit betreffen uns diese gravierenden Einschnitte auch. 

Gibt es etwas, das Sie sich für dieses Jahr vorgenommen haben? 

Für mich und für Diandra Donecker, ebenfalls Partnerin bei Grisebach, ist das Thema seit 2023 die Verjüngung in unserem Angebot. Grisebach ist über die Jahrzehnte besonders für klassische Moderne bekannt gewesen, und das bleibt nach wie vor im Fokus. Aber wir wollen auch die zeitgenössische Kunst weiter entwickeln. Ich würde behaupten, dass wir in diesem Bereich unter den Auktionshäusern bereits das beste Angebot haben, das die aktuelle zeitgenössische Kunst in Deutschland und Europa widerspiegelt – soweit das ein Auktionshaus tun kann. Dabei bleiben wir auch bei den Klassikern in der zeitgenössischen Kunst präsent. In der vergangenen Auktion hatten wir Werke von Thomas Schütte, Georg Baselitz, Günther Uecker und Katharina Grosse und all diesen inzwischen großen Namen der klassischen zeitgenössischen Kunst. Das ist etwas, das wir 2025 noch weiter in den Vordergrund stellen werden. Denn dort ist das Interesse der nachwachsenden Käufer und Sammler. 

Und damit sind Sie in Berlin ja auch ganz richtig.

Absolut. Wenn zeitgenössisch, dann Berlin.