Kunstversicherer Dirk Heinrich über Kunstraub

"Das geheime Bunker-Museum gibt es nicht"

Immer mal wieder werden berühmte Bilder von Meistern wie Rubens oder Rembrandt gestohlen. Sammelt da irgendwo ein Krimineller für sein geheimes Bunker-Museum? Ein Experte hat eher andere Erklärungen

Unbekannte haben aus einem Museum in Verona Gemälde im Wert von bis zu 15 Millionen Euro geraubt, darunter Werke von Rubens und Tintoretto. Dirk Heinrich, Direktor für Deutschland und Österreich bei der Kunstversicherung Axa Art, erläutert in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur, was hinter solchen spektakulären Diebstählen stecken könnte.

Was will man mit Bildern von Rubens und Tintoretto? Verkaufen kann man sie nicht, weil sie sofort erkannt würden.
Das ist schwer zu sagen. Es gibt verschiedene Theorien. Zum Beispiel gab es in der Vergangenheit mehrere Fälle, bei denen die Täter nicht wirklich wussten, was sie taten. Es gibt dann zum Beispiel eine Gelegenheit, einen Tipp etwa, und erst nachher überlegen sich die Täter: Was machen wir jetzt damit? Und stellen fest, dass es gar keinen Markt dafür gibt. Das war zum Beispiel vor einigen Jahren bei dem Diebstahl in Rotterdam so, der in der Durchführung sehr professionell war, aber in der Verwertung äußerst unprofessionell.

Aber wie passt das zusammen, diese Raffinesse bei der Durchführung und die fehlende Grundüberlegung, wie man es zu Geld machen soll?
Diebe sind natürlich in der Regel keine Kunstkenner. Sie kennen sich mit Diebstahl und Raub aus, aber eben nicht mit Kunst. Sie denken zum Beispiel, man könnte das über Hehler absetzen wie andere Wertgegenstände.

Was für Theorien gibt es noch?
Immer wieder taucht das Thema Artnapping auf. Erpressung. Aber ob es das wirklich gibt oder nicht, ist umstritten.

Es gibt keine dokumentierten Fälle. Wenn, dann hätte das Museum es für sich behalten.
Genau. Wir - und alle anderen Kunstversicherer, die ich kenne - verweisen auch darauf, dass wir keine Lösegelder zahlen. Deshalb ist es wohl eher eine theoretische Erklärung.

Aber was ist dann die Erklärung? Der südamerikanische Kunstsammler, der in seinem Bunker von gestohlenen Meisterwerken umgeben ist, ist doch wohl ein Mythos, oder?
Das glaube ich auch. Sonst müssten ja irgendwann und irgendwo mal Werke auftauchen. Zum Beispiel wenn so ein Sammler stirbt, dann würde ein Erbe in den Keller gehen, eine Tür öffnen und sehen: Ah, da ist ja ein großes Museum. Aber auch dafür gibt es weltweit kein Beispiel. Insofern würde ich sagen: Das ist eine schöne Geschichte, aber das geheime Bunker-Museum gibt es nicht.

Und was ist damit, dass die Bilder der organisierten Kriminalität als Sicherheit dienen?
Das ist eine weitere Theorie, dass es dort wie Bargeld gehandelt wird, aber eben leichter zu transportieren ist. Relativ wenig Volumen, viel Wert. In Geld bräuchten Sie da viele Taschen.

Der spektakulärste Kunstraub dieser Art war ja der von 1990 im Stewart Gardner Museum in Boston, als Werke von Rembrandt und Vermeer gestohlen wurden. Da liest man immer mal wieder eine kurze Zeitungsnotiz: "...steht kurz vor der Aufklärung", aber dann geschieht doch nichts.
Ja, vor einiger Zeit wurden noch einmal Bilder von Videoaufnahmen vom FBI veröffentlicht, aber die Bilder sind bis heute nicht wieder aufgetaucht. Der Fall ist ein Rätsel.

Wie ist es um die Sicherheit der Museen bestellt?
Ich kann nur für den deutschsprachigen Raum sprechen, und dort sind die Sicherheitsstandards in den vergangenen Jahren immer wieder als gut bewertet worden. Was nicht bedeutet, dass alles hundertprozentig sicher ist. Ein Haus muss auch bereit sein, einen Preis dafür zu zahlen.

Wird das immer teurer? Es heißt ja zum Beispiel, hochkarätige Sonderausstellungen seien immer schwerer zu organisieren, weil die Versicherungsprämien so hoch sind.
Nein, das Umgekehrte ist der Fall. Die Werte werden zwar höher, aber die Prämien sinken, weil es einen sehr harten Wettbewerb gibt.

ZUR PERSON: Dirk Heinrich ist als Managing Director bei der Axa Art Versicherung zuständig für Kunst- und Sammlungsversicherung in Deutschland und Österreich. Mit einem Team aus Kunsthistorikern und erfahrenen Spezialisten betreut er neben Privatkunden Firmensammlungen, Museen, Galerien, Auktionshäuser und Künstler.