David Finchers "Mank"

Nicht ganz kaputt in Hollywood

Amanda Seyfried als Marion Davies und Gary Oldman als Herman Mankiewicz in einer Szene von "Mank"
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Amanda Seyfried als Marion Davies und Gary Oldman als Herman Mankiewicz in einer Szene von "Mank"

Regisseur David Fincher blickt in der Netflix-Produktion "Mank" auf die goldene Ära Hollywoods zurück und erzählt nicht zuletzt von der ungebrochenen Manipulationsmacht der Medien

Als "Citizen Kane" 1941 in die amerikanischen Kinos kam, war der Film ein Flop. Heute ist die verschachtelte Erzählung über den Medientycoon Charles Foster Kane als Spitzenwerk der goldenen Ära Hollywoods anerkannt, sein Regisseur und Titeldarsteller Orson Welles avancierte zur legendären Gestalt. David Fincher hat über die Genese des Klassikers einen Film gemacht, Welles jedoch nur eine Nebenrolle zugedacht. Die Netflix-Produktion "Mank" kreist um Herman J. Mankiewicz, der das Drehbuch zu "Citizen Kane" schrieb, um die Menschen, die sich später eher unfreiwillig in Filmfiguren wiedererkannten und nicht zuletzt um ein Medium mit doppeltem Boden – das Kino selbst.

Mankiewicz, Anfang 40, liegt mit eingegipstem Bein im Bett. Abseits von Los Angeles, auf seiner Ranch am Rand der Mojave-Wüste, diktiert der nach einem Autounfall ramponierte Autor einer Sekretärin das Script für den Debütfilm des 24-jährigen Hollywood-Neulings Welles in die Schreibmaschine. Eine Krankenschwester versorgt den Bettlägerigen heimlich mit Whisky, ab und zu ruft Manks Gattin von der Ostküste an, erst im weiteren Filmverlauf erfährt der Zuschauer, warum man sie "die arme Sara" nennt.

Das Kammerspiel in der Wüstenei mit dem geistreichen Trinker Mank im Mittelpunkt wird um Rückblenden aus den 1930ern angereichert, in denen ein körperlich noch agiler Schriftsteller in Hollywood umherstreift, an Drehbuchsitzungen und Partys teilnimmt und sich mit Studiobossen anlegt. Gary Oldman ist als Mank in seinem Element, hinter dem versoffenen Zyniker lässt der Charakterdarsteller stets den empfindsamen Beobachter und Menschenfreund durchscheinen.

Fesselnd und intelligent

Die Schlüsselfigur für "Citizen Kane", da erzählt Fincher nichts Neues, war der mächtige Verleger William Randolph Hearst. Xanadu, der protzige Rückzugsort des fiktiven Medienunternehmers Kane, entspricht dem nicht weniger überladenen Hearst Castle, das noch heute als kalifornische Touristenattraktion mit Disneyland konkurriert. Während "Citizen Kane" von der Dominanz und zugleich Rätselhaftigkeit der Welles/Kane-Figur lebt, ist der Milliardär Hearst (Charles Dance) in "Mank" bloß eine hagere, graue Randfigur.

Ganz im Gegenteil dazu darf Amanda Seyfried als Schauspielerin und Hearst-Geliebte Marion Davies brillieren. Oberflächlich betrachtet entspricht Marion dem Klischee des vom Geldadel protegierten Starlets. Doch sie entpuppt sich als das Gegenteil des blondierten Dummchens – Mank lernt sie als gewitzte Gesprächspartnerin kennen, man kommt sich näher, eine platonische Liebesgeschichte beginnt. Ausgerechnet Davies wurde nach der "Citizen Kane"-Premiere als reales Vorbild für Charles Foster Kanes Geliebte und zweite Ehefrau erkannt – talentfrei, aber von Kane in eine desaströse Opern-"Karriere" getrieben.

Auf fesselnde wie intelligente Weise fächert "Mank" die komplexen Beziehungen zwischen erlebter Wirklichkeit und Fiktionalisierung anhand eines Hollywoodklassikers und seiner Vorgeschichte auf. Man würde "Citizen Kane" als schillerndem Drama nicht gerecht, wenn man den Film einseitig als Racheakt an einem hybriden Medienmann lesen würde.

In Schwarzweiß, aber ohne Schwarzweiß-Malerei 

Dass Mankiewicz allderdings gute Gründe hatte, Hearst mit fiktionalen Mitteln zu demontieren, zeigt eine im letzten Filmdrittel platzierte Sequenz mit historisch verbrieftem Hintergrund: Bei den kalifornischen Gouverneurswahlen 1934 forderte der sozialistische Schriftsteller Upton Sinclair den Amtsträger Frank Merriam heraus. Sinclair scheiterte, weil Hearst eine vom Filmproduzenten Irving Thalberg mitgetragene Kampagne finanziert hatte. In inszenierten Wochenschaufilmen wurde damals von einer "roten Gefahr" fabuliert. (Wer da heute nicht an Fox News denken muss, hat die Trump-Amtszeit verschlafen.) 

Dass "Mank" zwar (atmosphärisch schön) in Schwarzweiß fotografiert ist, aber das Schwarzweiß-Schema keinesfalls bedient, ist David Fincher hoch anzurechnen. Denn Mankiewicz, das wird am Ende klar, wäre nicht der Zyniker vor dem Herrn, hätte er nicht seine eigene Verstrickung in ein System erkannt, das nicht nur erstklassiges Entertainment und sogar Kunst ermöglicht – sondern eben auch hochgradig manipulativ sein kann.