Judendarstellungen im Prado

In welchen Bildern heutiger Antisemitismus wurzelt

Wie Juden zu Häretikern gestempelt wurden: Der Madrider Prado beleuchtet die dunkle Seite des spätmittelalterlichen Spaniens

1492, im Jahr des Sieges über die maurischen Herrscher auf der iberischen Halbinsel, endet auch die Geschichte der Juden in Spanien. Sie wurden vertrieben und bildeten fortan als sephardische, das heißt spanische Juden einen bedeutenden Teil der Diaspora in Nordeuropa. Diejenigen aber, die blieben, mussten sich der Zwangs-Christianisierung unterwerfen. Es hat ihnen nichts Gutes gebracht. Sie wurden verdächtigt, heimlich dem alten Glauben anzuhängen und gerieten in die Fänge der neu eingeführten Inquisition. Hunderte endeten als Häretiker auf dem Scheiterhaufen.

So hat es der bedeutende spanische Maler Pedro Berruguete um 1495 dargestellt, als Inquisitionsprozess unter Vorsitz des Heiligen Dominikus. Obgleich die Glaubensabtrünnigen nicht ausschließlich als "Conversos", als getaufte Juden zu identifizieren sind, bildeten sie in Spanien die Hauptgruppe der Verfolgten. Die Selbstverständlichkeit der Inquisition und ihrer Todesurteile steht am Ende einer Entwicklung, die gut 200 Jahre zuvor eingesetzt und sich immer weiter radikalisiert hatte, zumal nach den fürchterlichen Pogromen von 1391.

Der Madrider Prado, das Nationalmuseum Spaniens, widmet diesem dunklen Kapitel eine intensive und in der Fülle ihrer Objekte sensationelle Ausstellung. Unter dem Titel "Der verlorene Spiegel. Juden und Conversos im mittelalterlichen Spanien" wird die immer weiter getriebene Diskriminierung der einst auch in den christlichen Territorien hoch angesehenen Juden anhand von Gemälden und illuminierten Handschriften aufgezeigt.

Erst "anders", dann "verstockt"

Juden sind zunächst nur "anders", dann gelten sie als "verstockt", weil sie die christliche Heilslehre nicht annehmen. Sie werden durch entsprechende Kleidervorschriften als "fremd" gekennzeichnet und zunehmend wegen ritueller Vergehen denunziert. Sie werden verfolgt, drangsaliert und vertrieben. Der Zwangstaufe der Dagebliebenen glauben ihre eigenen Urheber nicht. 

Der Verdacht der Häresie, der heimlichen Ablehnung der katholischen Lehre, trifft jeden Konvertiten, und die 1478 institutionalisierte Inquisition in ihrer besonderen Mischung von Glaubensbewahrung und weltlicher Legitimation des durch Eroberungskriege geformten Spaniens liegt drückend auf dem Alltag.

Noch das Hochmittelalter kannte regen künstlerischen Austausch, ablesbar an kostbaren Handschriften etwa der Haggadah. Tafelbilder mit dem "Auszug aus Ägypten" oder "Jesus unter den Schriftgelehrten" erlauben die Darstellung jüdischer Würdenträger im Habit der damaligen Zeit, etwa von Jaume Huguet oder den Gebrüdern Zahortiga, beides um 1470. Doch gibt es früher schon Darstellungen von Schmähungen christlicher Kultbilder oder der Entehrung der Hostie, die man Juden zur Last legte.

"Wie aussagekräftig Bilder benutzt werden können"

Künstlerisch wohl das Hauptwerk der Ausstellung ist eine großformatige Altartafel aus der Werkstatt des am spanischen Hof hochgeschätzten Flamen Jan van Eyck. Der "Brunnen des Lebens" zeigt unter anderem die "Blindheit" der Juden gegenüber dem rechten Glauben in einer ausgefeilten Rhetorik von Bildmotiven, von fratzenhaften Gesichtszügen ebenso wie von auffälliger Kleidung und sinnlosen, weil unlesbaren Schriftrollen.

Der Oberrabbiner im Bild ist buchstäblich blind: Seine Augen sind verbunden, sein Körper wendet sich von besagtem Lebensbrunnen ab und seinen unwissenden Glaubensbrüdern zu. Das um 1440 gemalte Tafelwerk ist malerisch von allerhöchster Qualität und gerade darum ein Beleg für den Eifer, mit denen Juden nicht länger als die älteren Gefährten des göttlichen Bundes geschätzt, sondern als dessen Verleugner geschmäht werden.

"Die Beziehung zwischen christlichen und jüdischen Gemeinschaften im Mittelalter ist eines der Schlüsselthemen der Geschichte unseres Landes", so Prado-Direktor Miguel Falomir zu der gemeinsam mit dem Katalanischen Nationalmuseum in Barcelona organisierten Schau: "Wenn je eine Ausstellung gezeigt hat, wie anschaulich und aussagekräftig Bilder benutzt werden können, dann diese." 

Und zugleich, wie der heutige Antisemitismus in Vorstellungen wurzelt, die vor 500 Jahren zielgerichtet erdichtet und mit aller Macht verbreitet wurden.