Abgang des Apple-Designers

Jony Ive hat sich seine eigene Sackgasse gebaut

Mit dem Abgang des Apple-Designers Jony Ive endet eine Ära: Die Narrative des Laptops, Smartphones und Tablets sind 2019 auserzählt. Ein Kommentar

Wie langweilig Superlative eigentlich sind. Aber dennoch, Jony Ive ist wohl der bedeutendste Produkt- und Industriedesigner aller Zeiten, der bekannteste Designer der Welt und für viele seit dem Tod von Steve Jobs 2011 auch das Gesicht und Gehirn von Apple – dem wertvollsten Unternehmen des Planeten.

Zwar hat Ive schon immer und redundant den Braun-Designer Dieter Rams als großes Vorbild gehuldigt, und andere mögen einwenden, es gebe ja noch Leute wie Philippe Starck. Aber Rams’ Produkte wurden im Idealfall einige zehntausend Mal hergestellt. Ives Designs wie iPod, iMac, MacBook Air, Apple Watch, iPhone und iPad wurden weit über anderthalb Milliarden Mal verkauft. Ein nicht unwesentlicher Unterschied, vom technologischen und gesellschaftlichen Impact ganz zu schweigen.

Hype um Consumer Electronics geht zu Ende

Jony Ive wird also seine Wirkungsstätte der letzten 20 Jahre Ende 2019 verlassen und dann sein eigenes Unternehmen LoveFrom gründen. Erster Kunde: Apple. Irgendwie same but different. Dass es so kommt, hat sich bereits über längere Zeit abgezeichnet. Ive bezeichnete sich 2015 selber in einem Bericht für den "New Yorker" als "scheu", "zutiefst ermüdet" und "ständig verängstigt". Es kann Fluch und Segen sein, in so einem Unternehmen Orientierung und Lichtgestalt zu sein.

Im selben Jahr noch zog er sich aus dem operativen Geschäft zurück und fungierte von nun an als Chief Design Officer. Dass Ive das Rampenlicht mied, war bekannt. Bei den Keynotes von Apple trat er nie live auf. Stattdessen wurden (später ikonische und oft parodierte) Produktvideos von ihm gedreht, in denen er die Vorzüge seiner neuen Designs mit sonorer Stimme anpries.

Viele Medien titulierten dieser Tage, der Weggang von Jony Ive sei das Ende einer Ära. Was stimmt. Aber es wird weder das Ende von Apple sein, noch das Ende der kreativen Laufbahn von Jony Ive. Wessen Erfolgsgeschichte indes stagniert, ist die der Consumer Electronics und High-Tech-Gadgets. Die Geräte lösen sich immer weiter auf: Software, AI und noch immersivere Ökosysteme sind zunehmend der Zukunftsmarkt, um den in der Beletage des Silicon Valley gerangelt wird.

Keine Quantensprünge mehr

Die Narrative des Laptops, des Smartphones und des Tablets sind 2019 nämlich weitestgehend auserzählt. Smarte Devices sind Alltagswerkzeuge geworden und kaum mehr Fetischprodukte oder Prestigeobjekte wie vor zehn Jahren, als man noch vor Apple Stores zeltete, um als einer der ersten ein neues iPhone zu ergattern.

Apple gilt heute zwar noch immer als Design-Taktgeber für die meisten Computer und Smartphones. Aber der Desktop-Computer iMac beispielsweise hat sich die vergangenen acht Jahre im Design kein bisschen verändert, und die jährlichen "Quantensprünge" bei iPhone und iPad muss man mit der Suchmaschine suchen.

Ive hat sich seine eigene Sackgasse gebaut

Wie soll man auch etwas revolutionieren, wenn es eventuell schon so gut wie perfekt ist? Was, wenn man sich seine eigene Sackgasse gebaut hat? Jony Ive hat sich in Cupertino die vergangenen Jahre intensiver Computer-fernen Themen gewidmet. Er gestaltete maßgeblich den 2017 eröffneten Apple Park, kümmert sich um das Design der Apple Stores, erfand die neue Apple-Systemschrift "San Francisco" und gestaltete zudem das Apple Car und einen Apple-Fernseher, die von Tim Cook allerdings in die Mottenkiste verbannt wurden.

Aber auch mit LoveFrom wird es ja mit Apple die nächsten Jahre weitergehen. Daher erzählt diese Personalie – die Geschichte von der ständigen Reibung eines Lebens zwischen Kunst und Corporate – vielleicht vor allem eines: Was bringt einem der beste Job der Welt, wenn es am Ende doch nur ein Job ist?