Interview mit den Galeristen von RaebervonStenglin

"Die Kunstwelt braucht neue Galerien"

Die Züricher Galerie RaebervonStenglin feiert fünfjähriges Bestehen. Ein Gespräch mit den Betreibern über die Herausforderungen für junge Galerien, die Aufwertung des Schweizer Franken und die jüngsten Kunstmarktfreibeuter

 

Beat Raeber, Matthias von Stenglin, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! Aus welchem Antrieb heraus haben Sie vor fünf Jahren eine eigene Galerie eröffnet?

Matthias von Stenglin: Wir haben uns in Berlin kennengelernt. Wir arbeiteten damals bei den Galerien Neugerriemschneider und Klosterfelde, und unsere ehemaligen Chefs waren auch miteinander befreundet, da läuft man sich irgendwann über den Weg. Wir wollten schon immer unsere eigene Galerie aufmachen. Bei großen Galerien lernt man viel, aber eigene Idee lassen sich nicht immer verwirklichen.
Beat Raeber: Die Wirtschaftskrise war dann der Anlass, um zu starten. Wir haben den Mut gefasst und sind aus Berlin weggegangen und starteten unser eigenes Programm mit ganz jungen Künstlern, die wir selber aufbauen können.
MvS: Es ist immer besser, in der wirtschaftlichen Flaute einzusteigen als auf einem Höhepunkt. Auch in den 90ern haben einige heute erfolgreiche Galerien in der Talsohle angefangen.

Warum haben Sie Ihre Galerie nicht in Berlin aufgemacht?

MvS: Es gab damals schon sehr viele Galerien in der Stadt, auch sehr gute. Aber es gibt wenig Sammler, die vor Ort leben. Zürich hingegen liegt nicht nur ideal in der Mitte Europas, sondern besitzt auch eine für die Größe der Stadt erstaunliche zeitgenössische Szene mit weltweit führenden Galerien und Museen. Dann gab es vier, fünf interessante junge Galerien.
BR: In Zürich kann man wachsen, ohne dass man irgendwo anstößt. Ich bin Schweizer, das hat es auch ein bisschen einfacher gemacht.

Sie sind aus Basel, lag es nicht näher, die Galerie dort zu gründen?

BR: Basel ist keine Galerien-, sondern eine Museenstadt, die einmal im Jahr durch die Art Basel ein Highlight hat.

Der Standort war dann also klar. Kontakte haben Sie sicher von den Galerien mitgebracht, bei denen Sie vorher gearbeitet haben.

MvS: Die Kontakte, die man mitbringt, muss man mit der eigenen Firma neu aufbauen. Man muss sich beweisen.

Etwa durch die Künstler. Wie haben Sie damals Ihr Programm zusammengestellt?

BR: Sehr intuitiv. Karsten Foedinger etwa haben wir im Internet entdeckt. Er studierte damals noch in Karlsruhe. Wir trafen kaum strategische Entscheidung nach dem Muster: „Wir brauchen jetzt Malerei!“ Es ist alles sehr organisch gewachsen. Inhaltlich gab es dann doch Parallelen und ähnliche Ansätze bei den einzelnen Positionen. Es gibt wohl Themen, die uns interessieren.

Wie ist die Rollenaufteilung zwischen Ihnen?

MvS: Es gibt keine stringente Rollenaufteilung. Mit manchen Künstlern, Sammlern und Kuratoren kann der eine besser als der andere. Der eine kümmerte sich mal um das Konzeptuelle, der andere um die Abläufe, aber das ist nicht fix. Das Team ist noch sehr klein, da gibt es viel Austausch.

Kürzlich haben die jeweils von zwei Galeristen geführten Galerien Lüttgenmeijer und Figge von Rosen ihre Trennung bekanntgegeben. Auch die Kunstgeschichte kennt etliche Fälle, in denen Galeristen gemeinsam starten und sich dann trennen. Woran mag das liegen?

MvS: Zwei Galeristen, das sind immer auch zwei Persönlichkeiten mit eigenen Vorstellungen. Wir haben aber eine gute Basis, inhaltlich und vom Geschmack her. Reibung gibt es immer, aber wir brauchen uns gegenseitig.
BR: Es gibt genug Galerien, bei denen es gut funktioniert, meistens, wenn die Galeristen sehr unterschiedlich sind. Differenzen sind auch ein Weg zum Erfolg. Nur so kann man sich ergänzen.

Was war die wichtigste Lektion in den letzten fünf Jahren?

BR: Dass Messen nicht immer einfach sind. Auf den Messen wollen die Leute sexy Namen kaufen, das können wir nicht liefern. Wir stehen für eine andere Inhaltlichkeit.

Sie nehmen dennoch an beeindruckend vielen Messen teil. 2014 waren es sechs Stück.

BR: Manche Sammler beurteilen eine Galerie nach ihren Messebeteiligungen, sogar, wenn diese Sammler gar nicht zu der Messe gehen. Messen sind Werbung für die Galerie und für die Künstler, auch wenn man erst einmal nichts verkauft. Nach der Messe in Miami folgte eine Ausstellung mit unserem Künstler im Swiss Institute in New York. Das ist schon sehr viel.
MvS: Messen sind Schaufenster in die Welt. Dennoch sind die Galerieausstellungen das Wichtigste. Es ist schwierig geworden, eine Balance zu finden, denn die Messen haben in den vergangenen Jahren sehr an Bedeutung gewonnen.

Fällt es Ihnen nach fünf Jahren leicht, mit Ihren Künstlern zu wachsen?

BR: Wir wollen die Dinge nicht zu hastig angehen.
MvS: Es wird in naher Zukunft keine Dependance in New York geben. Wichtig ist die Konzentration auf das Wesentliche, sonst rennt man nur noch seinen Kosten hinterher. Verkaufen ist ein Teil, aber nicht alles aus unserer Sicht.
BR: Die schönste Bestätigung sind die Museumsausstellungen. Es geht nicht darum, die Künstler auf die Überholspur zu bringen, sondern stetig zu wachsen.

Wie hat sich das Marktumfeld in den letzten fünf Jahren verändert?

BR: Es gibt nach wie vor eine Blase wie vor 2008, doch jetzt bezieht sie sich auf ganz junge Künstler, auf abstrakte Maler.

Haben Sie auch Künstler, die von Art Flippern geliebt werden, von Käufern also, die einen schnellen Profit auf dem Sekundärmarkt suchen?

MvS: Unser Programm ist zu sperrig und zu inhaltlich, um es schnell auf Auktionen zu bringen. Wir vertreten einen interessanten, amerikanischen Maler, Andrew Dadson, der vielleicht in diesen Kreisen mehr gefragt ist, aber gemeinsam mit dessen anderer Galerie achten wir darauf, dass die Preise für seine Werke nicht hochgepusht werden.

Wie können Galeristen das kontrollieren?

BR: Man kann Arbeiten platzieren und steuern, wo man ausstellt und wo nicht.
MvS: Man verkauft lediglich an Sammler, die wirklich interessiert sind an der Arbeit, die sie nicht in zwei Jahren wieder abstoßen.

Nicht immer kann man das erkennen.

MvS: Aber man kann das als grobe Linie nehmen. Man kann auch verhindern, dass Arbeiten preislich in astronomische Höhen schnellen, wenn die Nachfrage extrem groß wird. Doch oft sind Galeristen und Künstler zu gierig und ziehen die Preise zu schnell an. Es ist ein schwieriges Feld. Blasen kommen und gehen, wir machen unsere Arbeit und sind für unsere Künstler da.

Welche weiteren Ziele und Wünsche haben Sie für die Zukunft?

MvS: Wir haben in letzter Zeit neue Künstler dazugewonnen. Es funktioniert sehr gut, und da werden sicher noch ein paar dazu stoßen.

Wie beeinflusst die Aufhebung der Koppelung des Schweizer Franken an den Euro Ihr Geschäft?

MvS: Das war eine ziemliche Überraschung. Als wir angefangen haben, lag der Kurs bei 1,55 Franken zu einem Euro.
BR: Wir haben in den letzten Jahren eine konstante Abwertung des Euros erfahren. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, denn viele unserer Künstler arbeiten entweder in Euro oder US-Dollar.

Die Schweizer Sammler, die über Ihre Galerie Künstler kaufen, die im Euroraum arbeiten, dürften sich freuen.

BR: Für die ist es eine einmalige Gelegenheit. Für die Sammler aus dem Euroraum ändert sich bei den Künstlern aus den Euroraum nichts.

Was geben Sie Leuten auf den Weg, die heute eine Galerie gründen wollen?

MvS: Entscheidend war die Standortfrage für uns. Man sollte ich fragen, wo die besten Möglichkeiten sind, um das auszuführen, was man mit der Galerie erreichen will.
BR: Auf alle Fälle wollen wir auch Kollegen ermutigen. Die Kunstwelt braucht neue Galerien und ambitionierte Galeristen, die neue Positionen entdecken und Künstler unterstützen. Es ist genug Platz. Der Austausch ist wichtig. Wir machen jetzt, nachdem wir auf Messen Stände geteilt haben, eine gemeinsame Ausstellung mit Supportico Lopez zu Henri Chopin.
MvS: Jede Galerie hat ihr eigenes Programm. Es ist unsinnig, da von Konkurrenz zu sprechen.

RaebervonStenglin, Henri Chopin und Gruppenausstellung "5 Years RaebervonStenglin", 6. Februar bis 20. März