"Man kann nicht für Geld alles machen"

Kunstverein in Dortmund verzichtet aus politischen Gründen auf Werbevermarkter

Werbevermarkter Ströer
Foto: Oliver Berg, dpa

Werbevermarkter Ströer

Der Hartware MedienKunstVerein in Dortmund will seine Ausstellungen in Zukunft nicht mehr vom Anbieter von Außenwerbung Ströer bewerben lassen, nachdem die Kölner Firma eine Kampagne aus dem rechtskonservativen Umfeld verbreitet hat. Wie es dazu kam, erklären die Direktorin Inke Arns und der Kaufmännische Leiter Mathias Meis

Frau Arns, Herr Meis, Sie haben Ende August verkündet, nicht mehr mit dem der Firma Ströer zusammen zu arbeiten, was ist da los?

Mathias Meis: Wir erleben ein gesellschaftliches Klima, das von Spannungen geprägt ist, in dem sich politische Diskussionen zuspitzen und wo sie einen Grad überschreiten und Debatten verleumderisch geführt werden. Die Firma Ströer stellt nicht zum ersten Mal ihre Flächen für politische Kampagnen zur Verfügung, die einen von uns als zulässig erachteten Diskursraum verlassen, die einen politischen Angriff von rechts auf dieses System darstellen. In diesem Zusammenhang haben wir uns dazu entschlossen, dass die Firma Ströer kein Partner ist, mit dem wir weiter zusammenarbeiten möchten. Es gibt bei uns für die Vergabe von Aufträgen in der Regel sozialökologische Kriterien, die man unter dem betriebswirtschaftlichen Begriff der Corporate Social Responsibility zusammenfassen könnte, denen das Unternehmen nicht genügt.

Schon zur Bundestagswahl 2017 hat das Unternehmen eine anonym finanzierten AfD-Wahlkampagne verbreitet. Was werfen Sie der Firma diesmal konkret vor? 

Meis: Bei der sogenannten "GrünerMist"-Kampagne ist der Absender der Botschaften nicht klar ersichtlich. Sie ist ein Angriff, eine Diffamierungskampagne aus dem Hinterhalt gegen demokratische Parteien. Und bei allem Verständnis für die Zuspitzung von Debatten werden Grenzen überschritten, wenn politische Akteure in die Nähe von Terroristen gestellt werden. Zurückzuführen ist die Kampagne auf einen Hamburger Unternehmer, der aus der CSU ausgetreten ist, weil sie ihm zu links ist und sich in AfD-nahen, rechtskonservativen Kreisen bewegt.

Inke Arns: Man kann nicht für Geld alles machen. Wir haben die Freiheit auszuwählen, mit wem wir zusammenarbeiten. Wir würden uns natürlich freuen, wenn viele Leute oder viele andere Institutionen sich daran beteiligen. Wir haben sehr, sehr positive Reaktionen bekommen. Natürlich auch Reaktionen wie: "Ist das jetzt Cancel Culture?" Wir nennen es Vertragsfreiheit.

Was sagt die Firma Ströer? 

Meis: Wir haben ein Schreiben erhalten, welches uns im Grunde darlegt, was auch schon in verschiedenen öffentlichen Stellungnahmen über die Homepage zugänglich ist. Die Firma wünscht sich, dass es engere gesetzliche Rahmenbedingungen gibt, die regulieren, was wann, wie, wo von wem auf den Großflächen veröffentlicht werden darf. Und dass es jetzt einen runden Tisch mit der Politik geben soll. Man kann sich natürlich auf diesen braven Standpunkt zurückziehen. Es wäre aber auch eine Möglichkeit, als Unternehmen eine Entscheidung zugunsten der Demokratie und des politischen Klimas zu treffen und solche Kampagnen zu unterbinden. Dann sollen die potentiellen Auftraggeber eben klagen. Wenn dann in einem demokratischen Rechtsstaat ein Gericht eine Entscheidung fällt, dann fügt man sich. Aber die Firma Ströer verlangt im Grunde genommen, dass ihre wertgebundenen unternehmerischen Entscheidungen durch den Gesetzgeber abgenommen werden. Und das ist für uns nicht akzeptabel. 

Arns: Die Forderung, es müsse enge rechtliche Grenzen für Plakatkampagnen geben, halte ich für keine gute Idee. Ich denke, dass man schon so ein bisschen auf seinen inneren Kompass hören muss. Und wenn man so ein Koordinatensystem nicht hat, dann ist das ein Problem. Es ist jeder Firma freigestellt, Aufträge von jedem Auftraggeber anzunehmen. Aber dann besteht auch für die Kunden und Kundinnen die Möglichkeit zu sagen: Dann arbeiten wir nicht mehr mit dieser Firma zusammen. Zynisch gesagt: Der Markt regelt das.

Was wollen Sie damit erreichen? 

Meis: Es geht uns darum, ein politisches Zeichen zu setzen, uns auch mit betroffenen politischen Akteuren zu solidarisieren und klar gegen rechtskonservative und rechtsextreme Tendenzen Stellung zu beziehen. Wir wünschen uns, für diese Debatte zu sensibilisieren, zusätzliche Öffentlichkeit zu schaffen, hoffen natürlich, dass möglichst viele Menschen, die unsere Auffassung teilen, sich auch mit der Frage auseinandersetzen und möglicherweise zu einem gleichen Ergebnis kommen und ihre Zusammenarbeit beenden. Und das muss dann natürlich langfristig dazu führen, dass die Firma Ströer ihr Geschäftsmodell überdenkt und sich auch der Frage widmet, wie sie in der Verantwortung stehen.

Was empfehlen Sie als Alternative?

Meis: Man kann sich grundsätzlich darüber unterhalten, wie wirksam diese Art von Großflächen für kommerzielle Werbung, für Konsumgüter und dergleichen sind. Das ist auch eine städtebauliche, raumsoziologische und raumplanerische Frage. Inwiefern ist eine Überfrachtung des öffentlichen Raumes mit Werbung, die dann eben nicht kontrollierbar ist, gewünscht? Das ist eine politische und auch eine gesellschaftliche Debatte. Wir haben für uns entschieden, keinen anderen Anbieter zu suchen, der in einem geringeren Umfang mit vergleichbaren Flächen arbeitet, sondern wir möchten einen Schritt zurücktreten und nicht mehr mit der Gießkanne arbeiten und möglichst breit streuen, sondern wir möchten uns mehr Gedanken darüber machen: Wer sind die Besucher*innen des HMKV? Wo finden wir sie? Und wie können wir sie gezielter und auch in anderen Formaten ansprechen?

Aber auf welches Medium wechselt der HMKV Hartware MedienkunstVerein jetzt?

Arns: Legale, wilde Plakatierung.

Meis: Mit einem externen Experten überarbeiten wir gerade unsere Digitalisierungsstrategie in der Kommunikation und in der Vermittlungsarbeit. Aber wir werden auch dazu übergehen, etwas ursprünglichere und niedrigschwelligere Formate anzugehen. Bauzaun-Plakatierung hat ja einen sehr rauen Charme.

Ist denn der HMKV in sozialen Medien aktiv - Instagram, Facebook?

Meis: Ja, Twitter, Facebook, Instagram. 

Warum nicht mehr mit Ströer zusammen arbeiten, aber mit Facebook und Instagram, wo es von rechten Kampagnen und gesellschaftsspaltenden Falschbehauptungen nur so wimmelt?

Arns: Weil Facebook und auch Instagram Monopolisten in bestimmten Bereichen sind. Es ist leider so. Wir sind uns der Problematik sehr bewusst. Es wäre schön, wenn es anders wäre. 

Meis: Das ist eine digitale Realität, der wir uns stellen müssen. Gleichwohl ist es natürlich ein Thema, das wir seit Jahren auch in unseren Ausstellungen, wie zum Beispiel "Der Alt-Right Komplex" 2019, und in Veranstaltungen kritisch behandeln. Aber natürlich ist es am Ende auch so, dass wir als kleiner Kunstverein nicht von heute auf morgen die Welt verändern können, sondern wir uns punktuell die Stellen suchen müssen, wo wir mit unseren beschränkten Mitteln etwa etwas bewegen können. 

Jetzt könnte man noch sagen: Was kümmert es die Eiche, wenn die Sau sich an ihr schubbert?

Arns: Man kann ja klein anfangen. Steter Tropfen und so weiter. Es geht nicht darum, dass wir Ströer ein riesiges Budget entziehen, sondern es geht um eine Positionierung. Und wenn viele Kleine sich zusammentun, hat man auch einen Effekt. Stellt euch den riesigen Sauhaufen vor, der sich an der Eiche schubbert!

Diese Kampagne könnte auch gegenteilig wirken und Leute an die Wahlurnen treiben, die sagen: "Jetzt erst recht Grün!" Der öffentliche Raum mit Botschaften, die einer anderen Meinung entsprechen, ist vielleicht auch wichtig, um Debatten zu beginnen?

Meis: Zunächst ist wichtig: Uns ging es nicht um die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Das ist keine parteipolitische Stellungnahme. Aber das ist eine berechtigte Frage, die ich persönlich nicht abschließend beantworten kann. Natürlich braucht eine Gesellschaft Räume für Diskussion, für kontroverse Auseinandersetzungen, aber wie und wo die zu definieren und zu schaffen sind, da gibt es viele Möglichkeiten. Das ist aus meiner Sicht kein Argument, für die Notwendigkeit dieser Präsenz von Werbeflächen. 

Arns: Politische Auseinandersetzungen sollte man mit offenem Visier führen.