Eike Schmidts Absage an Wien

Über der Schwelle

Eike Schmidt sollte kommenden Monat sein Amt als Genraldirektor des Kunsthistorischen Museums in Wien antreten. Jetzt hat er überaschend abgesagt und will stattdessen Leiter der Uffizien bleiben. Ein Kommentar

Seien wir froh, dass dieser Kelch an uns vorübergegangen ist! – so kommentiert eine Online-Userin der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" den überraschenden Rückzug von Eike Schmidt als nächsten Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM). Der designierte Chef gab am Dienstagnachmittag bekannt, dass er nicht, wie vorgesehen, seine Stelle ab November antreten werde.

In Wien zeigt man sich brüskiert: Nicht nur der zuständige österreichische Außenminister Alexander Schallenberg meinte in einer ersten Reaktion, eine solche Vorgehensweise sei "höchst unprofessionell und eigentlich beispiellos", auch bei Vertreterinnen und Vertretern der Kulturszene stößt die Jobquittierung ohne Jobantritt auf Kopfschütteln. Stella Rollig, engagierte Direktorin des Belvederes, neben dem KHM wichtigsten österreichischen Kunstmuseums, gegenüber Monopol: "Die Causa Eike Schmidt erschüttert auf menschlicher Ebene durch den Aspekt der vorsätzlichen Täuschung. Schmidt hat bis zu seiner Absage kühl berechnend ein doppeltes Spiel gespielt. Damit hat er nicht nur ein international renommiertes Museum und dessen Mitarbeiter_innen in Turbulenzen gebracht, sondern seine eigene Glaubwürdigkeit zerstört. Das Kunsthistorische Museum war für uns immer ein zuverlässiger Partner. Nach den jüngsten Entwicklungen stehen die Chancen gut, dass dies auch so bleibt."

"Hier muss bestraft werden"

Und Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen und als frühere Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien eine Kennerin der österreichischen Museumslandschaft, formuliert kantig: "Es war ein Hin- und Her seit Beginn, und jetzt hat er also doch abgesagt. Hier muss jedenfalls bestraft werden, er hat aus meiner Sicht alle angefallen Kosten zu tragen. Ohne Not wurde Schmidt damals von SPÖ-Bundesminister Thomas Drozda als großartige Wahl präsentiert, wollte aber erst in zwei Jahren kommen. Sabine Haag hat sich bereit erklärt, zu überbrücken, um eine deutlich geringere Bezahlung als vorher – dies würden Männer niemals machen, aber die werden ohnehin ohne Zögern verlängert." Diese Vorgehensweise, meint Blimlinger weiter, sei eben auch typisch, und sie nennt mit der Direktorin des Mumoks Wien, Karola Kraus, die vom damaligen Staatssekretär Ostermayer zunächst auch nicht verlängert worden wäre, gleich noch ein weiteres Beispiel. Und fügt polemisch hinzu: "Aber das hat ja alles nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern nur mit Qualität ..."

Was nun ist der Grund für Schmidts Absage? Dass er gerne in Florenz lebt, wo auch seine Familie zu Hause ist, war kein Geheimnis. In Florenz hat man angeblich schon seit einem Jahr darüber gesprochen, dass Eike Schmidt bleibt. Wahrscheinlich ist, dass die neuerliche Bestellung des sozialistischen italienischen Kulturministers Dario Franceschini vor einem Monat nun mit entscheidend war. Denn dieser war es bereits, der Schmidt 2015 zum Uffizien-Direktor ernannte, als Teil einer Offensive, die verkrustete italienische Museumslandschaft zu internationalisieren. Wie es scheint, wird Schmidt nun auf immer ein Deutscher in Italien bleiben, denn für weitere Chefposten an anderen großen Museen hat der 51-Jährige sich so nicht gerade qualifiziert.

Heimliche Freude

Da Schmidt seine vor zwei Jahren erfolgte Bestellung nicht sogleich angetreten hat, wurde die bisherige Direktorin Sabine Haag um zwei Jahre interimistisch verlängert. Dass sie diesen Job mit weniger Gehalt und dennoch viel Engagement ausgeübt hatte, erklärte sie erst unlängst in einem unprätentiösen Gespräch mit Silvie Aigner, der Chefredakteurin des Kunstmagazins "Parnass". Die derzeit in New York weilende Haag soll auf die ihr vor zwei Jahren gestellte Frage, dass die Uffizien eine neue Leitung bräuchten und ob dies für sie eine reizvolle Aufgabe wäre, geantwortet haben: "Wir sind hier am KHM in unserer Museumsarbeit um so viel weiter, dass mich die Uffizien keinesfalls interessieren würden."

Schmidts Leistungsnachweis in den Uffizien wird in Wien also neben der exzellenten Sabine Haag, die das Museum in mehreren Belangen auf internationales Top-Niveau gebracht hatte, nicht so großartig eingestuft: Heimlich ist Wien froh, dass der Kelch in Italien ausgetrunken wird.

Eike Schmidt wird am Donnerstagabend auf der Jahrestagung des österreichischen Kunsthistorikerinnen- und Kunsthistoriker-Verbandes eine Keynote-Lecture halten und anschließend den Medien zur Verfügung stehen. Elisabeth Priedl, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins, sieht das Versäumnis vor allem auch auf Seiten von Österreichs Kulturpolitik: "Das Verhalten ist unentschuldbar, aber es ist auch eine Blamage für die zuständigen Minister", meinte sie auf Anfrage. Denn diese hätten es unterlassen, Schmidt mit einem gültigen Vertrag an seine neue Stelle zu binden. Auf der Facebook-Seite des Vereins jedenfalls wird mit einem Foto von Schmidt geworben. "An der Schwelle" lautet das Jahresthema der Tagung. Nun wird Schmidt seine bislang telefonische Absage auch persönlich in Wien überbringen. Er wird am Freitag Kulturminister Schallenberg zu einem Gespräch treffen. "Über der Schwelle", könnte er diesem dann vermitteln.