Druckgrafik auf der Art Karlsruhe

Einstiegsdroge aus Papier

Die Sonderschau Druckgrafik auf der Art Karlsruhe feiert erschwingliche Editionen

Die Einstiegsdroge ist oft aus Papier. Während Gemälde oder Skulpturen bekannter Künstler für die allermeisten Menschen in finanzieller Ferne liegen, sind günstigere Druckgrafiken eine Möglichkeit, die Großen der Szene mit nach Hause zu nehmen."Wir wollten in den 60er-Jahren mit der Kunst auf die Straße gehen", erinnert sich der Sammler, Galerist und Kunstverleger René Block. "Wir wollten Kunst, in welcher Form auch immer, für jeden Interessenten erschwinglich machen und so den Kunstmarkt demokratisieren." Editionen standen für Block dabei auch für eine Abkehr vom Kult um Unikate – mehr Zugänglichkeit statt exklusiver Aura.

"Für junge Sammler sind Druckgrafiken oft der Anfang", sagt auch C. Sylvia Weber, Direktorin der Sammlung Würth in Künzelsau bei Schwäbisch Hall. "Faszinierend daran ist, dass mehr Menschen gleichzeitig teilhaben können." Auch in der Sammlung des Unternehmers Reinhold Würth spielen Drucke eine wichtige Rolle. Noch bis zum 5. Mai ist im Museum Hirschwirtscheuer in Künzelsau eine Ausstellung über Künstlerbücher zu sehen. "Wir halten Papierarbeiten grundsätzlich für nicht weniger reizvoll", sagt C. Sylvia Weber. "Und es gibt sie, die echten Papierfans."

Für diese Liebhabergruppe sollte auf der Art Karlsruhe die Sonderschau Druckgrafik die erste Anlaufstelle sein. Auf 200 Quadratmetern werden in der Halle 1 Blätter und Multiples in möglichst niedriger Auflage zu sehen und in einer Preisspanne von 250 bis 45 000 Euro zu kaufen sein – Kleingeld in Kunstmarktkategorien. Die Messe hatte alle ausstellenden Galerien aufgefordert, eine Papieredition aus ihrem Programm einzureichen, eine Jury wählte aus den Bewerbungen Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Bridget Riley, Sean Scully, Otto Piene und anderen aus.

"Eine gute Druckgrafik ist nicht nur eine Vervielfältigung eines Unikats", sagt Stephanie Hentschel von der Galerie Schimming. "Sie stimmt ihre Motive auf die Möglichkeiten des Mediums ab." In Karlsruhe bewarb sich die Galerie mit einem Schwarz-Weiß-Druck von Alex Katz, auf dem sein Modell Laura im Profil zu sehen ist und der schwarze Hintergrund so ebenmäßig und bodenlos, wie er gemalt niemals sein könnte. Die Jury der Art Karlsruhe war angetan, Ende Februar wird die Papierarbeit mit einer Auflage von 125 Stück für 3500 Euro zum Verkauf stehen. Im Werk des 91-Jährigen ist die Grafik laut Stephanie Hentschel mehr als ein Nebenprodukt als Verkaufsmaterial. "Alex Katz reproduziert nicht einfach nur seine Gemälde", sagt sie. "Er reflektiert vielmehr seine Motive. Er interessiert sich auch für die verschiedenen Techniken und arbeitet jahrzehntelang mit denselben Druckern zusammen."

Auch die Galerie Nothelfer aus Berlin ist mit einer abstrakten Schwarz-Weiß-Radierung von Eduardo Chillida auf der Sonderschau vertreten. So brutal und massig die Skulpturen des 2002 verstorbenen spanischen Künstlers sind, so filigran und fein gemasert sind seine Papierarbeiten. "Druckgrafik hat für mich in meiner über 40-jährigen Galerietätigkeit immer eine große Rolle gespielt", sagt Galerist Georg Nothelfer. "Die Technik des Drucks schafft ganz andere Möglichkeiten als der Pinsel oder der Stift. Und damit sind Drucke genauso einzigartig, wie es ein Bild oder eine Zeichnung sein kann."

Auf der Art Karlsruhe lässt sich diese weite Welt der Papierarbeiten bequem auf wenigen Quadratmetern durchschlendern – vielleicht liegt dort für manche sogar der Ausgangspunkt für einen langen Sammlerweg. René Block, der selbst seit über 50 Jahren Auflagenkunst produziert, findet, dass sich in Editionen einer Erweiterung des Kanons und der Entwicklung der Kunst insgesamt nachspüren lässt. "Kunst reflektiert doch wie kein anderes Medium die Zeit, in der wir leben", sagt er."Auch in Multiples spiegelt sich die Öffnung des geografischen Horizonts von der Westkunst der 6oer zur globalen Kunstwelt 2019."