Buch von Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah

Warum ist das alles auf Englisch?

Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah
Foto: Zain Ali

Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah

Im Corona-Lockdown analysierten Moshtari Hilal und Sinthujan Varatharajah auf Instagram gnadenlos die deutsche Kulturbubble. Nun ist eines der Gespräche als Buch erschienen. Es fragt, wer gemeint ist, wenn in Berlin Englisch gesprochen wird

Wenn man sich fragt, warum man in Berliner Cafés oft nur auf Englisch bestellen kann, landet man leicht beim Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn. 2017 beschwerte sich der CDU-Politiker öffentlich darüber, dass man in der immer internationaler werdenden Hauptstadt mit Deutsch nicht mehr weiterkomme. Um "kulturelle Sicherheit" zu gewährleisten, könne und müsse man von jedem Zuwanderer erwarten, die Landessprache zu sprechen.

Wenn die Künstlerin Moshtari Hilal mit Sinthujan Varatharajah (ausgebildet in politischer Geografie) über Englisch in Berlin spricht, wollen die beiden jedoch gerade nicht in spahnschen Sphären landen. Ihnen geht es nicht ums Deutschsprechen als Norm, sondern um die Frage, wer durch die Anglophilie in bestimmten Kreisen einbezogen werden soll und wer ausgeschlossen bleibt.

So bemerken sie beispielsweise, dass es völlig okay zu sein scheint, als expat ohne jegliche Deutschkenntnisse in hippen Läden zu arbeiten, während ihren geflüchteten Eltern der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt verweigert wurde – weil sie die Sprache nicht gut genug beherrschten. Und warum bieten international ambi­tionierte Berliner Kunsthäuser eigentlich so gern Veranstaltungen auf Englisch an, wenn die Menschen in ihrer Nachbar­schaft diese zu einem großen Teil gar nicht verstehen würden?

Globalisierter Diskurs statt Kontext vor der Haustür

Das Gesprächsbuch "Englisch in Berlin" ist aus den Instagram-Livetalks entstanden, die Hilal und Varatharajah während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2021 veranstalteten. Aus dieser "digitalen, dezentralen Talkshow" wurde vor allem die Folge berühmt, in der es um das NS-Erbe im Kunstbetrieb und den Begriff "Menschen mit Nazihintergrund" ging. Bei aller öffentlichen Aufregung um diese Zuspitzung ging unter, wie effektiv die beiden die Debatten um Identitäts­politik umdrehten und den analytischen Blick auf die weiße, deutsche Mehrheits­gesellschaft richteten.

Auch in "Englisch in Berlin" geht es darum, wie es vielen Menschen und Institutionen in der "Kulturbubble" leichter fällt, sich mit globalisierten akademischen Diskursen auseinanderzusetzen, als den eigenen Kontext vor der Haustür zu reflektieren. Dem (passenderweise zweisprachigen) Büchlein merkt man seine Entstehung als mündliche Unterhaltung noch an, was aber gerade den Reiz der Lektüre ausmacht. Man kann zwei klugen Menschen beim Denken folgen, und statt definitiven Antworten bekommt man – wie sagt man so schön – eine ganze Menge food for thought.

Dieser Artikel ist zuerst in Monopol 10/2022 erschienen.