Patricia Kamp und die Sammlung Burda

"Es muss auch Reibung geben"

Foto: Philipp Külker
Foto: Philipp Külker

Patricia Kamp und ihr Stiefvater Frieder Burda

Patricia Kamp übernimmt vom Stiefvater Frieder Burda ein großes Erbe – wie führt man so eine Sammlung weiter?

Mit Anfang 30 kaufte Frieder Burda sein erstes Bild: 1968 ließ sich die geschlitzte Leinwand von Lucio Fontana durchaus als Geste des Protestes gegen die Eltern verstehen, die deutsche Expressionisten liebten. Heute umfasst die Sammlung Frieder Burda knapp 1000 Werke und hat in dem Museum in Baden-Baden, das Burdas Namen trägt, eine Heimat gefunden. Seit Anfang des Jahres trägt Frieder Burdas Stieftochter, die Kunsthistorikerin Patricia Kamp, die Verantwortung für die Sammlung Burda. Und zeigt in dem neuen Showroom der Sammlung, der kürzlich in Berlin eröffnete, als erstes die Erbstücke der Gründergeneration: Meisterwerke von Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner oder August Macke.

Frau Kamp, Frieder Burdas eigene Geschichte als Sammler war die einer Abgrenzung von den Eltern. Jetzt übernehmen Sie die Sammlung – und versöhnen als erstes die Gegenwart mit den Ursprüngen der Sammlung. Wie schafft man als Erbe seine eigene Handschrift?
Jeder muss sich von seinen Eltern abgrenzen, um bei sich zu bleiben. Zum Glück teilen Frieder Burda und ich viele Werte, die hinter der Sammlung stehen, ansonsten wäre es problematisch. Gleichzeitig muss jeder auch seine eigene, authentische Stimme finden. Das hat Frieder Burda seinen Eltern gegenüber gemacht, und das ist jetzt auch für mich ein Prozess. Das passiert allerdings nicht von heute auf morgen. Es ist ein Wechselspiel zwischen Abgrenzung und Kontinuität.

Frieder Burda ist Ihr Stiefvater, ist das vielleicht sogar einfacher als wenn er ihr leiblicher Vater wäre?
Es mag einfacher sein, weil ich mich auch mal zurückziehen und Frieder Burdas Lebensgeschichte von außen betrachten kann. Gleichzeitig haben wir ein sehr enges Verhältnis. Er ist für mich wie ein zweiter Vater, gerade weil mein eigener Vater gestorben ist. Wir sind in der Familie sehr eng, feiern alle Familienfeste zusammen, wir sind eine sehr traditionelle Familie, in der es auch mal zur Sache gehen kann. Die Sammlung ist ja auch sehr emotional geladen. Aber das finde ich auch schön, es muss auch mal Reibung geben, alles andere wäre unnatürlich.

Streiten Sie über Kunst?
Was heißt streiten, wir reden miteinander, wir tauschen uns aus. Kunst lädt zum Dialog ein und ist ja gerade deshalb in unserer Gegenwart so wichtig.

Gibt es Bereiche wo Sie ganz unterschiedlicher Auffassung sind?
Wir sprechen viel miteinander und kommen dadurch sehr oft auf einen gleichen Nenner. Ich mag zum Beispiel auch konzeptuelle Kunst und nicht nur rein emotionale Kunst. Wir schätzen, dass wir beide unterschiedliche Meinungen haben und lassen das zu. Es gab oft Situationen, in denen wir jeweils eingesehen haben, dass der andere Recht hat.

Wann wussten Sie, dass Sie die Sammlung übernehmen?
Ich wachse seit 20 Jahren dort hinein und habe mich damit beschäftigt, was es heißt zu sammeln, ein Museum und eine Stiftung aufzubauen. Seit 2009 arbeite ich in der Stiftung mit und habe auch in Baden-Baden bereits Ausstellungen kuratiert. Ich habe mich natürlich ausführlich auch mit der Verantwortung beschäftigt, was es heißt, diese Sammlung zu übernehmen und weiterzuführen. Es gibt nicht viele Beispiele für einen Generationenwechsel im Privatmuseum und ich wollte eine individuelle Lösung finden. Für mich war es wichtig, erst einmal die Werte zu definieren, die der Sammlung zu Grunde liegen. Darauf beruht meine eigene Interpretation dessen, wie man diese Sammlung weiterführen kann.

Was wünscht sich denn Frieder Burda?
Für ihn ist es sehr wichtig dass die Sammlung lebendig bleibt, dass er sie in Baden-Baden und jetzt auch in Berlin zeigen, damit den Menschen eine Freude machen und sie an die Kunst heranführen kann.

Und was sehen Sie als ihre eigene, besondere Aufgabe?
Die Frage ist, was können wir in der Zukunft unseren Besuchern an Mehrwert mitgeben, in einer Zeit, in der es einen Überfluss von Bildern gibt und Ausstellungen sich verändern müssen. Vermittlung und Museumspädagogik sind für mich wichtige Arbeitsfelder für ein Museum. Ich finde Kommunikation extrem wichtig, in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft. Als ich in Baden-Baden die Ausstellung mit dem französischen Street-Art-Künstler JR gemacht habe, fand ich großartig, wie er es geschafft hat, die unterschiedlichen Generationen dazu zu bewegen, in einen Austausch miteinander zu treten.

Und in welche Richtung entwickelt sich die Sammlung? Was kaufen Sie dazu?
Das ist weitgehend in Bezug zu unseren Ausstellungen. Wir haben Andreas Gursky gekauft und Katharina Grosse, das schließt sich an das Programm des Museums an. Dann werden parallel Künstler über Jahre verfolgt; es geht darum in die Tiefe zu sammeln wie z.B. bei Günther Uecker, von wir kürzlich ein aktuelles Werk erworben haben. Dass man agiert, wie der losgelöste Sammler, der auf eine Messe geht und kauft, was ihm gefällt, das ist selten. Das Sammeln ist strategischer geworden.

Die Eckpfeiler der Sammlung Burda sind Malerei von Pablo Picasso oder Mark Rothko, Gerhard Richter und Sigmar Polke. Eine sehr männliche Sammlung, finden sie nicht?
Ich bin eine Frau, schon aus dem Grund wird es in Baden-Baden in Zukunft auch andere Impulse geben. Gerade in der Kunstwelt ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern, was Gehälter und Preise angeht, fast noch extremer als in der Wirtschaft, das stört mich gewaltig. Wenn ich jetzt mit Ausstellungsprojekten gute Künstlerinnen unterstützen kann, werde ich das tun. Mir geht es prinzipiell jedoch um die Harmonisierung der Geschlechter und das Unterstreichen der Gemeinsamkeit. Gemeinsam sind wir stärker.

Wird es eine Frauenquote geben?
Nein, ich berechne das nicht nach Zahlen. Mich interessiert, was man an der Wurzel dieser Herausforderung ändern kann und die beginnt immer bei einem selbst.

Was war das erste Werk, das Sie für sich selbst gekauft haben?
Ich habe eine sehr schöne Arbeit von Katharina Grosse angekauft, aber das ist noch nicht so lange her. Früher kamen zum Beispiel Arbeiten von Jeppe Hein oder Gregor Hildebrandt. Für mich war es am Anfang gar nicht so wichtig, eine Arbeit zu besitzen. Wichtiger ist, sich erst einmal damit auseinander zu setzen und daran zu wachsen.

Was würden Sie jemandem empfehlen, der sich eine Sammlung aufbauen möchte?
Sich viel anzuschauen. Das ist der erste Schritt. Die Kunstwelt ist heute so groß und komplex, man muss sich erst einmal Zeit lassen, die Sachen auf sich wirken zu lassen, gut zu recherchieren. Wenn man sich einfach reinstürzt und emotional irgendetwas kauft, kann das gut gehen, aber vielleicht wächst man auch schnell wieder raus. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass man sich damit befasst, Gespräche mit Künstlern und Galeristen sucht, und sich erst mal zurecht findet und auch sich selbst besser kennen lernt. Und man braucht viel Neugierde und Aufgeschlossenheit, um Sachen zu entdecken.

Würden Sie jemals ein Museum oder eine Sammlung nach sich selbst benennen?
Nein, ich habe andere Ambitionen. Ich bin überzeugt, dass Kunst die Welt verändern kann, denn sie öffnet unser Bewusstsein und verbindet Menschen. Das ist mir gerade in unserer aktuell sehr angespannten Weltlage sehr wichtig zu unterstützen. Auf der anderen Seite: Frieder Burda hat es für mich ja schon gemacht. Man kann sagen, das streichelt das Ego. Aber es erfordert auch viel Mut zur Verletzlichkeit, wenn man einer Sammlung seinen Namen gibt und sagt: Hierzu stehe ich.