Künstler und Fotojournalist

Fotograf Steve Schapiro stirbt mit 87 Jahren

Der preisgekrönte US-Fotograf Steve Schapiro ist tot. Er hat sowohl Momente der Zeitgeschichte festgehalten als auch die Ästhetik der Popwelt geprägt 

1963 traf Steve Schapiro einen jungen Boxer namens Cassius Clay. Zwei Jahre später sollte sich der Sportler weigern, in den Vietnam-Krieg zu ziehen, den "Black Muslims" beitreten und sich fortan Muhammad Ali nennen. Während der Fotosession spielte Schapiro mit dem Boxer Monopoly. Mit nacktem Oberkörper sitzt Clay auf einem Hotelsofa und starrt direkt in die Kamera. Sein weit geöffneter Mund und die ausgestreckten Hände legen den Schluss nahe, dass der Fotograf ihm eine ordentliche Summe Spielgeld schuldet. Schapiro hat später angegeben, die Partie Monopoly verloren zu haben. Im Alter von 87 Jahren starb der Fotokünstler nun in seinem Haus in Chicago an Bauchspeicheldrüsenkrebs, wie seine Sprecherin Heidi Schaeffer am Dienstag mitteilte.

In New York aufgewachsen wurde Schapiro für seinen besonderen Blick auf die Gegenwart berühmt. Er fotografierte vor allem öffentliche Personen von Freiheitskämpfern bis zu Schauspielerinnen. Seit den 1960er-Jahren arbeitete Schapiro eng mit Andy Warhol zusammen und fotografierte ihn und seine Factory-Mitglieder etliche Male.

Für die Zeitschrift "Life" war er 1965 bei zwei Selma-nach-Montgomery-Märschen mit Martin Luther King dabei, die den damaligen Höhepunkt des amerikanischen Civil-Rights-Movement darstellten. Die Ausstrahlung und Würde des großen, 1968 ermordeten Bürgerrechtlers zeigen sich in den zahllosen Aufnahmen ebenso wie die Entschlossenheit und Begeisterung seiner Anhänger.

Schapiros Bilder waren nicht immer schmeichelhaft

Seinen Ruhm festigte Schapiro mit Starporträts aus dem Showgeschäft. Die Bilder fielen nicht immer schmeichelhaft für die Modelle aus. 1976 fotografierte er Ike und Tina Turner in ihrem Zuhause, kurz bevor die Sängerin vor ihrem brutalen Ehemann floh. Das Paar posiert vor einem Gemälde, auf dem die Turners als strahlende Jungvermählte abgebildet sind. Vom gemalten Glück ist beim echten Paar nichts zu spüren. Tina lächelt gezwungen, wie eine Kralle hat sie ihre Hand auf Ikes Gürtelschnalle gelegt. Ihr Noch-Ehemann blickt finster. Hat Ike Turner das Foto autorisiert? Man habe als Modell damals keine Kontrolle über die Bilder gehabt, erzählte Schapiro vor zehn Jahren dem "Tagesspiegel", "Wenn man zugestimmt hatte, sich fotografieren zu lassen, war es das."

Schapiro hat viele Filmstars inszeniert, darunter Barbra Streisand, deren Nase es ihm offenbar besonders angetan hatte, und Woody Allen, von dem es ein lustiges Schapiro-Foto mit einer Hundeleine gibt, an der Allen angeblich eine Ameise Gassi führt. In den 1970ern hat der Fotograf vor allem bei Coppolas "Der Pate" und Scorseses "Taxi Driver" die Dreharbeiten umfassend begleitet. Robert de Niro ist im Army-Kostüm des grimmigen Taxifahrers und Amokläufers Travis Bickle zu sehen, und trotzdem begegnen wir hier dem freundlichen, etwas schüchternen privaten de Niro. Ein spannender Kontrast. "Taxi Driver"-Regisseur Martin Scorsese hält auf einem Schapiro-Foto mit der Rechten eine Pistole hoch, als wollte er in die Zimmerdecke schießen, in seiner Linken baumeln ein paar Weintrauben.

Schapiros Fotografien werden weltweit gezeigt. Nicht nur in Magazinen, wie "Vanity Fair", "Time", "Sports Illustrated" oder "Rolling Stone", sondern auch in Museen und Galerien wie dem Fotografiska Stockholm, dem Metropolitan Museum of Art in New York oder aktuell in den Online-Ausstellungen "David Bowie" und "Muhammad Ali" in der Camera Work Virtual Gallery.

Ein Interview mit Steve Schapiro lesen Sie hier.