PONG.Li Studios

Gaming meets Kunst

Wenn Kunstvermittlung digital wird, ist das Studio PONG.Li mit guten Ideen am Start. Ein Besuch in Karlsruhe

Wenn Passanten plötzlich vor dem Karlsruher Schloss stehen bleiben, um mit ihrem Smartphone Figuren über die illuminierte Fassade zu jagen und eine goldene Pyramide zu fangen; wenn Messebesucher die Produktion einer Schokolade am lebensgroßen Touchscreen steuern und zum Finale tatsächlich eine Tafel nach selbst gewählter Rezeptur im Ausgabeschacht entgegennehmen; oder wenn Besucher des Badischen Landesmuseums 1500 Sammlungsobjekten in der interaktiven Expothek so nah kommen wie nie zuvor – dann waren jeweils die PONG.Li Studios am Werk. Seit über 20 Jahren entwickeln die Karlsruher interaktive Installationen, mediale Inszenierungen und digitale Wissensformate, immer mit einem spielerischen Ansatz. Ihr Playground: Showrooms und Museumshallen, Oper und Theater, Industrie und öffentlicher Raum.

Mitbegründer Andreas Siefert kommt aus der Medienkunst. Arbeiten von ihm und seinen Freunden findet man heute in der Sammlung des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM). Gelernt hat er bei zwei Koryphäen ihres Fachs: Medienkünstler Michael Saup, der die Klasse für Digitale Medien an der Hochschule für Gestaltung leitete, und Performancekunst-Ikone Ulay. "Nicht gerade die Bereiche, in denen sich auf dem Kunstmarkt besonders leicht Geld verdienen ließe", sagt Siefert und lacht. Gerade deshalb genoss er bei den Dozenten eine Freiheit, die erfinderisch machte. Und er ergänzt: Wie schon im Studium sei auch jetzt bei PONG.Li alles im Fluss.

So ist aus dem ursprünglichen Künstlerkollektiv irgendwann ein Kreativstudio geworden. Den Namen führt Siefert in neuer Formation fort. Heute arbeitet ein zwölfköpfiges Team an mehreren Projekten parallel – vom Mathematiker bis zur Kulturmanagerin, vom 3-D-Programmierer bis zur Medienkünstlerin. "Wir sind im Grunde alle Generalisten, aber mit jeweils ganz eigenem Schwerpunkt", erklärt Siefert, der studierte Medienkünstler, Geschäftsführer und Kreativdirektor. Obwohl jeder seinen Aufgabenbereich hat, sind Ideen und Kritik auch darüber hinaus erwünscht.

Einmal PING und einmal PONG

Im PONG.Li-Hauptquartier im Karlsruher Westen erinnert heute noch ein Plakatedoppel an Studienzeiten. Einmal PING und einmal PONG, darüber jeweils eine historische Schautafel von Gottfried Wilhelm Leibniz’ binärem Zahlensystem, auf dem alles Digitale fußt. Michael Saup hatte sie an die Tür zweier studentischer Projekträume geklebt, die bald Atelier, Partyzimmer und Installation in Personalunion wurden. Siefert und seine Freunde gingen stets ins "PONG" – die Grundlage fürs spätere Naming war gesetzt.

Was er sich aus der Zeit bewahrt hat, ist nicht zuletzt die Herangehensweise an neue Aufgaben. Die Medienkunst, sagt er, war immer eine Disziplin, die Medien und Techniken neu denkt, ausprobiert und von ihrem ursprünglichen Zweck befreit. Die Definitionen für die eigene Disziplin ergeben sich auch im Agenturalltag oftmals erst ex post. "Irgendwann kommt plötzlich ein Begriff auf für das, was wir tun", sagt Siefert, der die Einordnungsversuche von außen mit schmunzelndem Wohlwollen quittiert. "Ihr nennt das, was wir tun, 'serious gaming'? Okay, dann machen wir eben serious gaming!"

Wobei, manchmal werden PONG.Li auch selbst zu Wortschöpfern. Weil es einfach noch kein Vokabular für das gibt, was man tut. Siehe "Capture the Pyramide", das interaktive Spiel, bei dem das Smartphone zum Controller und die Karlsruher Schlossfassade zum Spielfeld wurden. Das "weltweit wohl erste interaktive Multiplayer-Megapixel-Fassaden-Mapping-Game", wie Siefert erklärt. 2016 wurde die Kombination aus Architekturmapping und interaktivem Spiel mit zwei Designpreisen ausgezeichnet, 2017 folgte ein weiterer.

"Gamification ist endlich angekommen"

"Gamification ist endlich angekommen", freut sich der PONG.Li-Chef. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht noch viel mehr auszuprobieren gäbe. Ihn interessieren Dinge, die bisher nicht in der breiten Masse reproduziert worden sind. Oder zumindest nicht in dieser spezifischen Form. Ein Schreibtisch im PONG.Li-Hauptquartier gibt erste Hinweise. Darauf ein auseinandergebautes Telefon, einzelne Wählscheibe, loser Hörer, Kabel und Steckverbindungen. Eine sensorische Experimentiertafel, mit der das Team ein neues, multimediales Erlebnis entwickelt: einen Museumsthriller, der analoges und digitales Besuchserlebnis zusammenbringt. Zwar halten inzwischen längst virtuelle, App-gesteuerte Vermittlungsformate Einzug in Museen – doch haben die eben nur Auswirkungen auf den virtuellen Raum respektive Bildschirm.

PONG.Li tüftelt an einer Reise durch den Ausstellungsraum, bei dem eine gelöste Aufgabe auf dem Smartphone echte Tresore und neue Rundwege öffnet oder ein reales Telefon klingeln lässt. Oder vice versa. Immer in enger Verknüpfung mit dem Wissen, das zur Anwendung kommen soll: "Man muss sich die Inhalte des Museums also erst einmal im realen Raum aneignen – ohne die geht es nämlich auch virtuell nicht weiter."

Der Kriminalfall, den das Team gerade für ein Ausstellungshaus in Luxemburg entwickelt, soll Ende des Jahres eröffnen. Für ein Museum in Cloppenburg konzipiert man parallel eine Outdoor-Version des genresprengenden Spiels. Aktuell sucht die Kreativagentur weitere early adopter. Zum Abschied hält Andreas Siefert deshalb noch einen Appell bereit. Für jene, die den Spieltrieb mit PONG.Li teilen: "Museen und Ausstellungshäuser, die Lust haben, dieses neue Vermittlungsformat mit uns gemeinsam zu entwickeln, sollen gern auf uns zukommen!"