Subkultur an der Neuen Nationalgalerie

Die Skater-Szene lässt sich nicht einhegen

Die Neue Nationalgalerie hat zur Art Week die Skate-Kultur gefeiert und plant eine Kunst-Halfpipe. Dabei zeigt sich jedoch ein grundsätzliches Missverständnis. Ein Gastkommentar

Vor der Neuen Natonalgalerie steht eine riesige Rose der Künstlerin Isa Genzken – eingelassen in einen Stein-Sockel, der bitte nicht betreten werden soll. Hinter der Neuen Nationalgalerie hat sich an einem Mittwochabend im September alles versammelt, was im Berghain an der Schlange rechts durchgewunken wird. Wie zur Bestätigung ist auch Türsteher Sven Marquardt unter den ersten Gästen der "Transition".

Bei dem Empfang im Skulpturengarten, organisiert von den Berliner Reference Studios, werden von namhaften Künstlerinnen und Künstlern wie Anne Imhof gestaltete Skateboard-Decks verkauft – die Erlöse kommen inklusiven Projekten für Nachwuchs-Skaterinnen zugute.

Nebenbei soll hier aber auch der Schulterschluss zwischen der Neuen Nationalgalerie und der Skateboard-Kultur groß inszeniert werden. Sogar persönlich gedankt wird Museumsdirektor Klaus Biesenbach auf dem Flyer für die Veranstaltung. Der neue Direktor hatte nach der Wiedereröffnung und einem temporären Skate-Verbot seine Bewunderung für die Subkultur ausgedrückt – "Skaten ist für mich Kunst" – und den Bau einer Halfpipe in einer Ecke der riesigen Terrasse um das Museumsgebäude angekündigt.

Schön räumlich eingegrenzt und ohne Sachbeschädigung

Stand Juli 2023 hat sich das Museum gemeinsam mit einzelnen Skatern bereits für einen Entwurf der koreanischen Künstlerin Koo Jeong A entschieden und wartet nur noch auf das Go des Denkmalschutzes. Als Vorbote dieser großzügigen Öffnung steht auch am Mittwoch ein Hindernis auf dem Platz. Das heißt, im Rücken der Galerie lädt eine Holzkiste mit angeschrägten Seitenwänden die Skater dazu ein, ihre Kunststücke zu vollführen – schön räumlich eingegrenzt und ohne Sachbeschädigung.

Was das Museum dabei trotz aktuellem Fokus auf Performance-Kunst offenbar nicht verstehen will, ist dass Skateboarderinnen und Skateboarder nicht mit ihren Metall- und Plastik-besetzten Sportgeräten über die Granitmauern schrammeln, weil es in Berlin an geeigneten Anlagen fehlt.

Die "NaGa", also die Nationalgalerie, ist nicht nur wegen ihres glatten Bodens und der geschliffenen Granitblöcke so beliebt, nicht wegen der jahrzehntelangen Skate-Geschichte. Die Szene ist hier und nutzt die Fläche, gerade weil sie nicht dafür gemacht ist.

Ausdruck der unbeholfenen S
tiefväterlichkeit

Diese Einstellung zu einem Museumsplatz unter Denkmalschutz kann man als eine künstlerische Ausdrucksform, als kreative Interpretation der Architektur schätzen. Man kann sie politisch aufgeladen als kritische urbane Praxis, deren größte Antithese das Ideal des Ungebrauchten im öffentlichen Raum ist, einordnen. Oder man kann dem Geschrammel als Ausdruck pubertärer Rücksichtslosigkeit mit Sicherheitspersonal begegnen.

Aber man wird diese Praxis weder durch eine Holzkiste noch durch eine Designer-Halfpipe einhegen können. So bleibt die "Transition" ein Gewinn für die Skateboard-Szene, die mit den Erlösen wertvolle Nachwuchs-Projekte unterstützen kann. Doch sie ist zugleich Ausdruck der unbeholfenen Stiefväterlichkeit, in der die Welt der staatlichen Museen den Skaterinnen und Skatern gegenüber verharrt. Vor der Nationalgalerie steht eine riesige Rose auf einem Stein-Sockel, der danach schreit, geskatet zu werden.