Mammutschau zur Arte Povera

Giro d’Italia

Zur Eröffnung der Biennale von Venedig im Juni hatte der Kurator des italienischen Pavillons Vittorio Sgarbi noch über die Arte povera und ihre Verfechter hergezogen – und das Rennen um die primitivste Provokation des Kunstsommers souverän gewonnen. Jetzt schlagen die Verfechter der wichtigsten italienischen Kunstströmung der Nachkriegszeit zurück.

Nicht weniger als sechs Institutionen in Turin, Mailand, Rom, Neapel und Bologna werden in diesem Herbst gleichzeitig Ausstellungen zu der Bewegung zeigen, mit der Künstler wie Alighiero Boetti, Jannis Kounellis, Mario Merz oder Michelangelo Pistoletto um das Jahr 1967 herum die internationale Bühne betraten – die Mammutschau ist ein Gemeinschaftsprojekt aus Anlass des 150. Jahrestages der Staatsgründung Italiens.

Gleichzeitig inspiriert und abgestoßen von der amerikanischen Pop-Art, entwickelten die Arte-povera-Künstler damals Installationen und Skulpturen, die dem Konsumismus des Industriezeitalters mithilfe einfacher Materialien eine neue Ästhetik entgegensetzen sollten. Es war der Kritiker Germano Celant, der damals den Begriff der „Arte povera“ für die neue, konzeptuell orientierte Kunstrichtung prägte – und nebenbei ein frühes Musterbeispiel erfolgreichen Marketings für eine Künstlergruppe ablieferte. Er wird auch jetzt alle Ausstellungen kuratieren, jeweils in Zusammenarbeit mit Vertretern der einzelnen Häuser.

Jedes Museum wird einen eigenen thematischen Schwerpunkt setzen. Das Castello di Rivoli in Turin beispielsweise wird unter dem Motto „Arte Povera International“ die Werke der italienischen Künstler mit denen von Zeitgenossen wie Carl Andre, John Baldessari, Rebecca Horn, On Kawara oder auch Andy Warhol konfrontieren und so Fäden des Netzes nachspinnen, das die internationale Avantgarde damals verband.

Andere Häuser werden sich auf unterschiedliche Medien konzentrieren: das Künstlerbuch, Performance, Fotografie und Film.
Es werden also keine Fragen offenbleiben – außer der, die die Kunstszene in Italien seit Langem stellt: Wo lässt die Kulturpolitik unter Silvio Berlusconi eigentlich Raum für eine neue Avantgarde mit der Durchschlagskraft der Arte povera?

Castello di Rivoli, Turin, Triennale di Milano, Galeria nazionale d’arte moderna, Rom, MAXXI, Rom, Museo d’Arte Moderna, Bologna, Museo d’arte contemporanea, Neapel, 9. Oktober bis 19. Februar 2012