Klima-Aktivistin auf der "Vogue"

Greta und Strengur brechen aus

Greta Thunberg auf dem "Vogue Scandinavia"-Cover 
Foto: Courtesy Condé Nast / via Twitter

Greta Thunberg auf dem "Vogue Scandinavia"-Cover 

Greta Thunberg auf dem "Vogue"-Cover mag zuerst wie ein unauflösbarer Widerspruch erscheinen. Modeindustrie und Kampf für Nachhaltigkeit passen einfach nicht zusammen. Trotzdem weiß die Aktivistin genau, was sie tut

Die Klima-Aktivistin Greta Thunberg kennt man hauptsächlich in einer gelben Regenjacke oder einem lila Anorak, während sie mit ihrem immer gleichen Plakat für das Klima streikt. Doch jetzt sitzt sie plötzlich auf einer Lichtung im Wald, in einem apricotfarbenen Oversize-Trenchcoat, darunter ein grün-gelb gemustertes Kleid. Neben ihr steht ein isländisches Pferd namens Strengur, dem sie sacht über die Nüstern streicht - das alles, für das erste Covershooting der "Vogue Scandinavia", dem neusten Condé Nast-Verlagszuwachs.

Es ist nicht Gretas erstes Mal auf einer "Vogue", 2019 war sie eine unter vielen weiteren Aktivistinnen, die die "Forces For Change"-Issue der britischen Ausgabe zierten. Und doch ist es ein sehr ungewöhnliches Bild, das man kaum glauben mag, da es zwei schier unvereinbare Themengebiete zusammenzwingt: Mode und möglichst kompromisslose Nachhaltigkeit.

Das Problem beschreibt Thunberg selbst in der Caption ihres Instagram-Posts, in dem sie das Pferde-Cover mit ihren 12 Millionen Follower teilte. "Viele tun so, als ob die Modeindustrie beginnen würde, Verantwortung zu übernehmen, weil sie fantastische Summen für Kampagnen ausgibt, mit denen sie sich als 'nachhaltig', 'ethisch', 'grün', 'klimaneutral' und 'fair' darstellt. Aber, damit das klar ist: Das ist fast nie etwas anderes als pures 'Greenwashing'. Du kannst Mode nicht massenhaft nachhaltig produzieren oder konsumieren, so wie die Welt heute gemacht ist. Dies ist einer der vielen Gründen, warum wir einen Systemwechsel brauchen." 

Greta blockiert das Modesystem

Die Modeindustrie lebt davon, dass immer neue Kleidungsstücke so vermarktet werden, dass man sie haben will, nur um sie eine Saison später auszusortieren und dann erneut zuzuschlagen, um modern zu sein, dazuzugehören. Greta blockiert dieses System, sie habe sich seit drei Jahren nichts Neues mehr gekauft, sondern leihe sich höchstens Kleidung von Freunden, erzählt sie "Vogue Scandinavia". Das nagelneue Magazin veröffentlichte am selben Tag der Cover-Enthüllung auch eine Art Manifest auf seiner Website: "Im Einklang mit unserer Ehrfurcht vor der natürlichen Umwelt ist 'Vogue Scandinavia' stolz darauf, dass wir ab dem Tag unserer Einführung als klimaneutral zertifiziert sind."

Ziel sei es, die nachhaltigste Medienorganisation zu werden, die existiert. Dabei geht es vor allem um das Material der Zeitschrift, es sollen zwei Bäume gepflanzt werden für jeden, der für ihre Herstellung gefällt wird. Und trotzdem ist dies ja nur der Umschlag, der das eigentlich Problem auf seinen Seiten verborgen hält: Die immer neu produzierte, um die Welt geschiffte Kleidung. Denn wer schlägt ein Magazin auf, um jedes Mal denselben Anorak zu sehen?

Greta ist eine von vielen Aktivistinnen und Aktivisten, die in den letzten Monaten auf den Titeln von bekannten Modemagazinen zu sehen waren - diese Art "Model" entspricht dem zeitgeistigen Geschmack gerade am meisten. Und doch ist es schwer vorstellbar, dass die 18-Jährige Klimaaktivistin nicht weiß, was sie tut. Sie würde ihr Gesicht nicht für eine Organisation hinhalten, wenn sie sich nicht davon verspräche, durch ihre Präsenz die von ihr gestartete Bewegung "Fridays For Future" unterstützen zu können. "Wenn wir nicht daran glauben würden, dass wir in der Lage sind, etwas zu verändern, würden wir das nicht tun. Wir sind diejenigen, die nicht aufgegeben haben, die noch Hoffnung haben, die noch Optimismus haben," erklärt sie im Interview. Und wenn das bedeutet, sich auf einem Modemagazin zu präsentieren und gleichzeitig dem drumherum gesponnenen System den Kampf anzusagen, dann ist das eben aus ihrer Sicht der richtige Weg.

Beim Trenchcoat wird es interessant 

In einem kurzen, zum Interview gehörigen Video-Clip erzählt Greta, dass ihre ersten Haustiere im Wald gefangene Ameisen waren. Und auf die Frage, mit wem sie gerne mal zu Abendessen würde, antwortet sie: "Ich würde es bevorzugen, allein zu essen, ich mag keinen Smalltalk", während sie sich ein wollenes Cape um die Schultern schlingt. Dies gehört zu einem der Looks, die Thunberg für das Foto-Shooting trug. Als Credit heißt es da: "Diese Kleidungsstücke wurden aus zertifiziert natürlichen Materialien und  'Deadstock' von früheren Kollektionen produziert". Auch der Aprikosen-Trenchcoat wurde aus zwei ausrangierten Mänteln kreiert - und hier wird es interessant.

Wenn dies die Mode ist, die wir auch zukünftig in der Nachhaltigkeits-"Vogue" zu sehen bekommen, dann handelt sie nach ihrem Credo. Wenn eine solch namhafte Publikation den Teufelskreis von saisonalen Kollektionen unterbricht, sie verweigert und stattdessen auf Kleidung zurückgreift, für die keine neuen Ressourcen verwendet wurden, dann wäre sie endlich mal ein Mode-Beispiel, das sich nicht im "Greenwashing" und "Sustainability"-Trend verheddert. Wenn in ihr spannende, kreative, progressive Mode präsentiert wird, abseits der vorgegebenen, gehetzten Trends, würde sie Gretas Ausbruch aus dem System folgen. Das nachhaltigste Kleidungsstück ist jenes, das nie hergestellt wurde. Das zweitnachhaltigste, und das zeigt Greta Thunberg mit ihrem Cover, besteht aus schon vorhandenem Material.