Gucci-Schau in der Tate Modern

Da wächst etwas zusammen

Ein Museum will bewahren, die Mode ständig Neues bieten: Trotzdem hat sich Gucci-Designer Sabato De Sarno die Londoner Tate Modern für seine Cruise-Collection-Schau ausgesucht. Dort traf harter Beton auf fließend weiche Entwürfe

Pausen und Leerlauf unerwünscht: Um ihre Klientel zwischen den zweimal jährlich stattfindenden Prêt-à-porter-Shows, den Schauen für Männermode und den Couture- und Brautpräsentationen zu unterhalten, warten einige Modehäuser mit Resort- oder Cruise-Kollektionen auf. Die hier gezeigte Mode soll die gut betuchte Kundschaft für Sommerurlaube oder Ski-Trips ausstatten. Und genau wie später die Käufer, reisen auch die großen Marken oft an ausgewählte Ferien-Ziele, um ihre kostspieligen Kleider zu präsentieren. 

Dieses Jahr zeigt Louis Vuitton in Barcelona, Chanel in Marseille, Max Mara in Venedig. Für Gucci wählte Creative Director Sabato de Sarno London als Veranstaltungsort aus. Dort, im Hotel Savoy, hatte Guccio Gucci als Kofferträger seine Leidenschaft für feine Lederwaren entdeckt und diese Inspiration in Florenz zur Marke geboren

De Sarno ließ, nicht weit entfernt des Hotels, die unterirdischen Tanks der Tate Modern in einen versteckten Großstadtdschungel modifizieren. Als einen "botanischen Wandteppich" beschrieb der Designer das Set-Design. Um die 10.000 Pflanzen verwandelten die vom Architekturbüro Herzog & de Meuron designten Beton-Räumlichkeiten in ein ästhetisch ansprechendes Terrarium, in dem verspiegelte Sitzklötze auf das geladene Publikum warteten. 

Zwischen neuer Schlichtheit und Gucci-Magie

Die hier initiierte Balance zwischen Natur und Kultur, fließend Weichem und statisch Hartem fand sich ähnlich auch in Sabato De Sarnos Cruise-Kollektion wieder. Modernität sollten De Sarno und das Gucci-Rebranding der Marke zurückgeben. Und während die bisher präsentierten Entwürfe vor allem klare und tragbare Silhouetten verband, fand sich in der Resort-Kollektion eine auflebende Balance zwischen der neuen Gucci-Schlichtheit und der bekannten Gucci-Magie, in der die Liebe für alles Florale eine Hauptrolle spielt. 

100 Prozent flache Schuhe, 41 Prozent transparentes Material, 39 Prozent pastellene Sorbet-Farben, 35 Prozent Midi-Röcke und 18 Prozent Denim analysierte die Mode-Suchmaschine "Tagwalk" aus Guccis Cruise-Kollektion heraus. Hellbraune Lederjacken und Bonbon-farbene Schluppenblusen eröffneten die Show, ausgestattet mit einer Neuinterpretation der Blondie Bag, einem Klassiker des Gucciversums der 1970er-Jahre. Dieses Jahrzehnt sollte die Kollektion bestimmen: Boho-Elemente wie weiße Häkelkleider, Gänseblümchen-Muster und breitkrempige Loafer wanderten über den grüngesäumten Laufsteg, daneben karierte Wollmäntel und übergroße Harrington-Jacken, die das London der 1970er-Jahre zitierten. 

Das von De Sarno etablierte "Ancora-Rot" tauchte in ledernen Total-Looks auf, glitzernde Fransen wuchsen zwischen einem weißen Hemd und einer Ovesized-Jeans hervor, Unterwäsche-Details stachen in durchsichtigen Seiden-Kostümen und unter knappen Kleidern heraus. Kurkuma, Senf, Butter und Pfefferminz gepaart mit Rosa, Himmelblau und Flieder wurden von gekreppten, flügelgleichen Maxi-Kleidern abgelöst. Ein elfenhaftes Finale vor De Sarnos Verbeugung. 

Eine eigene Welt betreten

Die 1970er-Jahre dienten auch Alessandro Michele stets als Inspirationsquell. Während der ehemalige Gucci-Creative Director sie in die Extreme trieb, blieb De Sarno seinem zurückhaltenden Ansatz treu und integrierte die Elemente bedacht zwischen seinen sich etablierenden Klassikern, zum Beispiel den Mini-Shorts, die unter langen Jacken und transparenten Röcken hervor blitzten. 

Der Vergleich zu Michele verfolgt De Sarno seit Beginn seines Schaffens für Gucci. Es kann nicht einfach sein, auf jemanden zu folgen, der ein Modehaus so drastisch geprägt hat. Was De Sarno noch fehlt, um die Geister der Vergangenheit leiser werden zu lassen, wäre wohl die spürbare Überzeugung in eine Richtung, die die Marke wieder zu einer eigenen Welt werden lässt und so deutlich von ihren Konkurrenten abgrenzt. Dafür war De Sarnos Resort-Debüt und die Fusion von verträumter Nostalgie und zeitgemäßen Übersetzungen in kunsthaltiger Betonkulisse sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.