Dass sich Kunst- und Musikwelt gegenseitig inspirieren, ist nichts ungewöhnliches. Künstler drehen Videos für Musiker, Popstars treten in Galerien auf, und gerade die Hip-Hop-Kultur lebt von einer schier endlosen Schleife an Verweisen, Samples und Adaptionen. Als jedoch der Rapper und Unternehmer Diddy (bürgerlich Sean Combs, ehemals P. Diddy / Puff Daddy) am vergangenen Wochenende seinen Newskanal "Black News" auf Instagram vorstellte, fühlten sich viele unangenehm deutlich an das Kunstwerk "BLKNWS" von Kahlil Jospeh erinnert, das unter anderem 2019 auf der Biennale in Venedig viel Anerkennung bekam. Joseph hat für die Videoarbeit einen beliebig fortsetzbaren fiktiven Newskanal geschaffen, der aus historischen Aufnahmen, gefundenen Szenen und Kunstwerken besteht und sich speziell an die Black Community richtet. Das Werk soll den oft klischeehaften Darstellungen schwarzer Menschen in den Mainstream-Medien etwas entgegen setzen.
Diddys Konzept ist ein anderes (er will beispielsweise über die Corona-Pandemie informieren, von der Afroamerikaner in den USA besonders stark betroffen sind), doch die Ästhetik seines Trailers und das Konzept der Inhalte "von uns für uns" erinnert viele Protagonisten aus der Kunstwelt frappierend an Kahlil Jospehs Ansatz, an dem er bereits seit mehreren Jahren arbeitet.
Auf Instagram bezeichneten mehrere prominente Persönlichkeiten aus Josephs Umfeld Diddys "Black News" als Plagiat, darunter der Regisseur Barry Jenkins ("Moonlight"), der Fotograf Tyler Mitchell und die Kuratorin Megan Steinman, die zusammen mit Kahlil Joseph das angesehene Underground Museum in Los Angeles leitet. Auch der Künstler und Goldene-Löwen-Gewinner der Biennale Arthur Jafa postete demonstrativ einen Ausschnitt aus "BLKNWS". Der Vorwurf an Diddy lautet, dass er zwar Angebote an die schwarze Community senden wolle, dafür aber die Arbeit eines anderen schwarzen Künstlers missachte und übergehe.
Weder Kahlil Joseph noch Diddys Medienplattform Revolt TV, auf der "Black News" angelaufen ist, haben die Vorwürfe auf Monopol-Anfrage bisher kommentiert. Dafür äußert sich die Kuratorin Helen Molesworth, die mit dem Künstler zusammenarbeitet und selbst einen Auftritt in "BLKNWS" hat. "Es ist sehr unglücklich, dass sich Diddy an einer solchen wissentlichen Missachtung beteiligt", sagt sie gegenüber Monopol. "Kultur ist auf gegenseitiger Achtung, gekennzeichneten Verweisen und Respekt aufgebaut. Langfristig glaube ich aber an Kahlils 'BLKNWS', es kann uns mehr lehren."
An einen Zufall wollen die Kritiker im Umfeld des Underground Museum nicht so recht glauben, auch wenn die Worte "black" und "news" erst einmal allgemein gebräuchliche Begriffe sind. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass der Kunstsammler Diddy noch nie etwas von Kahlil Jospehs Werk gehört habe. Zumal der Künstler gute Verbindungen in die Musikszene habe. Unter anderem drehte er Videos für Kendrick Lamar und Beyoncé.
Über die Plagiatsvorwürfe und die Grauzone zwischen Inspiration und Diebstahl in der Kunst spricht Monopol-Redakteurin Saskia Trebing mit Moderatorin Anja Bolle im Radio bei Detektor FM. Im Beitrag geht es auch um Machtkonstellationen in der Kulturwelt und die Rolle der sozialen Medien, die Ideen-Klau einerseits erleichtern, andererseits aber auch Urheberrechtsverstöße ans Licht bringen und durch die Mobilisierung einer Community auf Plagiate aufmerksam machen können.