Denkmalstreit

Historiker verteidigt Bismarck: Politisches Kalkül statt Rassismus 

Mit roter Farbe beschmierte Bismarck-Statue im Schleepark in Hamburg-Altona
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Mit roter Farbe beschmierte Bismarck-Statue im Schleepark in Hamburg-Altona

An den Reichsgründer Bismarck erinnern in Hamburg und anderen deutschen Städten zahlreiche Denkmäler. Der Fürst war seit 1871 sehr populär, machte sich aber auch viele Feinde. Ein Farbanschlag in Hamburg wirft die Frage auf: War der erste Reichskanzler ein Rassist?

Angesichts eines Farbanschlags auf ein Bismarck-Denkmal in Hamburg-Altona hat der Historiker Ulrich Lappenküper den ersten deutschen Reichskanzler gegen den Vorwurf des Rassismus verteidigt. Zwar habe der konservative Politiker Polen, Dänen, Elsässer und Lothringer nicht so gemocht, sagte der Vorstand der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh bei Hamburg. "Aber das ist nicht der Punkt. Es geht nicht um Ethnie, sondern um die politische Kraft, die hinter diesen Minderheiten stand", betonte Lappenküper. Bismarck (1815-1898) habe die nationalen Minderheiten als eine Gefahr für das Kaiserreich gesehen. "Es ist also kein Rassismus, sondern ein politisches Kalkül."

Vor wenigen Tagen war ein Standbild Bismarcks im Altonaer Schleepark mit roter Farbe beschmiert worden. Die Staatsschutzabteilung der Polizei nahm Ermittlungen auf. Die Tat wurde von Medien in Zusammenhang mit der Anti-Rassismus-Bewegung gebracht. Bei Demonstrationen dieser Art sind in den USA, Großbritannien und anderen Ländern bereits mehrere Denkmäler historischer Persönlichkeiten beschädigt worden. Hamburgs größtes Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark wird zurzeit saniert und ist nicht zugänglich. Die von dem Bildhauer Adolf Brütt geschaffene Bronzestatue in Altona wurde 1898 eingeweiht und ist Hamburgs ältestes Bismarck-Monument.

Der Kolonialpolitik habe der Reichskanzler bemerkenswert reserviert gegenüber gestanden, betonte Lappenküper. "Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa", sagte Bismarck 1888 dem Journalisten und Afrikareisenden Eugen Wolf.

Dennoch habe er zwischen 1882 und 1885 eine aktive Kolonialpolitik betrieben. Auf der Berliner Kongokonferenz sei es 1884/85 um das Abstecken von Einflusssphären der Kolonialmächte gegangen. Es sei ein Länderschacher über die betroffenen afrikanischen Fürstentümer hinweg gewesen, so wie es im 19. Jahrhundert üblich war, erklärte der Historiker.

Bismarck habe mit der Konferenz aber etwas ganz anderes erreichen wollen: einen Ausgleich mit Frankreich. "Er hat sich dezidiert hinter die französischen Interessen gestellt, um Frankreich von Revanchegelüsten abzulenken", sagte Lappenküper. Im Deutsch-Französischen Krieg von 1871 hatte Frankreich Elsass und Lothringen verloren und musste Deutschland hohe Reparationen zahlen.

Lappenküper warnte davor, historische Personen mit Kategorien von heute zu bewerten. Denkmäler und Straßennamen sollten nicht nur deshalb verändert werden, weil die geehrte Persönlichkeit nicht mehr in unsere Zeit zu passen scheine. "Figuren, die man heute entfernen will, können morgen zu Lichtgestalten werden - und umgekehrt."

Bismarck sei ein Aristokrat und Junker gewesen, aber er habe die seinerzeit modernste Verfassung Europas geschaffen. Das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht für Männer ab 25 Jahren habe es damals in keinem anderen Staat Europas gegeben. Dem aufkommenden Antisemitismus habe Bismarck zu wenig entgegengesetzt, den antisemitischen Hofprediger Adolf Stöcker habe er gewähren lassen, sagte Lappenküper. Aber in seinem engsten Umfeld habe er mit Juden gut zusammengearbeitet und Freundschaften unterhalten, wie etwa zum Bankier Gerson von Bleichröder.