Künstler Christo im Interview

"Ich habe noch unendlich viele Ideen"

Foto: dpa
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Christo im Februar 2017 in Berlin

Auf der Expo Chicago präsentierte die Galerie Gmurzynska Arbeiten von Künstlern, die deren künstlerische und intellektuelle Beziehung mit der Metropole am Michigansee widerspiegeln, darunter auch Werke von Christos "Wrapped Museum of Contemporary Art in Chicago (1968-69)". Im Gespräch mit Monopol blickt der Künstler zurück auf das Projekt und spricht über seine Pläne für Abu Dhabi

Christo, das Museum of Contemporary Art in Chicago war das erste Gebäude, dass Sie und Jeanne-Claude in den USA verhüllt haben. Warum Chicago und nicht New York, wo Sie damals lebten?
Die Geschichte ist für mich besonders, die Verbindung nach Chicago entstand über verschiedene Zufälle. Jeanne-Claude und ich sind 1964 nach New York gekommen, am Anfang hatten wir nur ein Touristenvisum und lebten für drei Jahre illegal in den USA. Auf einer Party in New York lernten wir einen Anwalt aus Chicago kennen, Scott Hodes, er hat uns dabei geholfen, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Barnet Hodes, Scotts Vater, war außerdem begeisterter Sammler moderner Kunst und Teil einer Gruppe von Kunstsammlern in Chicago, die an der Gründung des Museum of Contemporary Art in Chicago beteiligt waren. Ein anderer Freund von uns, Jan van der Marck, wurde damals der erste Leiter des Museums. Ich wollte unbedingt ein Projekt in den USA machen, und nachdem wir keine Genehmigung bekommen hatten, das Museum of Contemporary Art in New York zu verhüllen, halfen uns Jan van der Marck und Scott Hodes dabei, das Projekt am Museum of Contemporary Art in Chicago zu verwirklichen.

Erzählen Sie ein bisschen mehr über das Projekt.
Das Museum war gerade erst gegründet worden und befand sich in einem alten fensterlosen Lagerhaus, in dem das Magazin "Playboy" zuvor seinen Hauptbürositz hatte. Ich hatte entschieden, dass wir das Gebäude mit einer schweren dunklen Plane einhüllen. Das Projekt fand im Januar 1969 statt und ich stellte mir vor, dass das dunkle Material einen guten Kontrast bilden könnte zu dem Schnee, den wir uns für die Jahreszeit erhofften. Wir wollten aber auch eine Installation im Museum machen. Anstatt Werke an die Wände zu hängen, haben wir uns entschieden, sie weiß zu streichen und den Boden, die Treppe und einige herumstehende Möbel in eine weiße Malerfolie zu hüllen, die wir uns von den Handwerkern des Museums ausliehen. Die Folie lag locker auf dem Boden und Besucher mussten ihre Schuhe ausziehen, damit sie nicht stolperten. Das war also das ganze Projekt. Ich erinnere mich noch an lustige Geschichten: Eines Abends erwischten die Sicherheitsleute beispielsweise ein junges Paar, das auf der verhüllten Treppe Sex hatte.

Ihre Projekte fordern oft jahrelange Vorbereitungen, eine enorme Logistik und administrative und politische Auseinandersetzungen mit den Kommunen. Sehen die Leute diesen Aufwand?
Das glaube ich schon. Planung und Umsetzung des "Wrapped Museum of Contemporary Art in Chicago" waren im Vergleich zu anderen Projekten relativ kurz und unproblematisch. Man muss sich aber mal vor Augen führen: Jeanne-Claude und ich haben in unserer gemeinsamen Schaffenszeit 23 Projekte umgesetzt und 36 Projekte wurde abgelehnt. Einige wurden zwei oder dreimal abgelehnt und wir haben es immer weiter versucht. So kommen manchmal mehr als 20 Jahre Vorbereitungszeit zustande, in die tausende Leuten involviert sind. In dieser Zeit setzt sich in den Köpfen vieler Menschen bereits eine starke Vorstellung fest. Es gibt ja Zeichnungen und Modelle von den Projekten, bevor sie umgesetzt werden. Alle unsere Projekte müssen durch diese "Software"-Phase, in der die Werke noch nicht physisch existieren, und dann kommt die "Hardware"-Phase, in der die Projekte wirklich mit dem Raum in Berührung kommen, mit der Landschaft, dem Wind oder der Sonne. Beide Phasen machen am Ende das Kunstwerk aus.

Sie werden oft als Verpackungskünstler bezeichnet, aber eigentlich haben Sie schon länger nichts mehr verpackt.
Genau, "The Gates" im New Yorker Central Park waren keine Verpackung, "The Umbrellas" in Japan, der "Running Fence" oder zuletzt die "Floating Piers" auch nicht. Ich arbeite oft mit Stoffen, weil sie den vergänglichen und fragilen Aspekt des Projekts unterstreichen. In kürzester Zeit kann sich das Material verändern oder zerstört werden, wie zum Beispiel bei Nomadenstämmen, die für eine Nacht ihre Zelte aufschlagen und sie am nächsten Tag wieder abreißen. Das Material hat auch einen sehr sinnlichen Aspekt, wenn man es als Erweiterung unserer Haut versteht. Es gibt so viele Assoziationen.

Sie planen derzeit den Bau einer 150 Meter hohe Pyramide aus 400 000 Ölfässern in Abu Dhabi. Das Projekt mit dem Titel "Mastaba" ist seit 1979 in Arbeit. Warum war die Vorbereitungszeit so lang?
Die Skulptur wird größer als die Pyramide von Cheops sein, dafür braucht man natürlich die besten Ingenieure der Welt. Sie soll innerhalb von zehn Tagen und auf eine sehr ungewöhnliche Weise errichtet werden, so wie kein Gebäude der Welt je gebaut wurde. Aber die Höhe und Struktur allein sind nicht das Problem. Die Skulptur soll auf einer Grundfläche von 16 Quadratmetern in Rub al-Khali (arabisch für "Leeres Viertel"), der größten Sandwüste der Welt entstehen und dort bleiben. Es wird zu einem Wahrzeichen wie der Eifelturm. Dies erfordert allerdings, dass noch mehr Entscheidungen getroffen werden müssen als bei anderen Projekten. Beispielsweise muss die dauerhafte Instandhaltung gewährleistet sein.

Im Gegensatz zu den meisten Ihrer Projekte wird die Skulptur also nicht nach einigen Wochen wieder verschwinden.
Ja, aber es ist nicht so, dass die meisten meiner Werke vergänglich sind. Ich habe schon sehr viel früher Skulpturen aus Ölfässern gemacht, eine Version befindet sich beispielsweise im Kröller-Müller Museum in den Niederlanden. Die Zeichnungen zu all unseren Werken, die Stoffe und andere Objekte existieren natürlich weiter und werden zum Teil unserer Sammlung oder der eines Museums. Wenn nichts bleiben würde, hätten wir ja auch kein Geld, unsere Projekte zu finanzieren.

Denken Sie manchmal darüber nach, ob die "Mastaba" das letzte Projekt sein wird, das Sie in Ihrem Leben umsetzen?
Nein! Ich habe noch unendlich viele Ideen, aber über die kann ich noch nicht öffentlich sprechen. Aber Sie werden es bald erfahren!

Mathias Rastorfer (links) von der Galerie Gmurzynska und Christo am Stand der Galerie auf der Expo Chicago

Christo "Museum of Contemporary Art, Chicago – Packed, 10,000 square feet of Tarpaulin and 4000 feet of Manila Rope", 1968

Christo "Wrapped Museum of Contemporary Art – Chicago (Project)", 1969-1981