Isolations-Kunst

Ich und mein Kokon

Bea Camacho bei ihrer Performance "Efface", 2008
Foto: Bea Camacho

Bea Camacho bei ihrer Performance "Efface", 2008

Die Künsterlin Bea Camacho verpuppt sich, um sich ein Zuhause zu schaffen. Während sie das Ende der Kokon-Phase selbst bestimmt, warten die Menschen auf das Schlüpfen aus der Corona-Isolation

Elf Stunden lang dauerte die Performance von Bea Camacho, in der sich die philippinische Künstlerin komplett in rotes Wollgarn einhäkelte. "Enclosed" nannte sie das auf Video festgehaltene Kunstwerk, es war Teil ihrer Ausstellung "Blind Transmission" im Cultural Center of the Philippines (CPP). Sie trank nichts, ging nicht auf Toilette, häkelte und häkelte, bis sie in einem roten Wollkokon verborgen war.  "Als es vorbei war, war ich so erleichtert und erschöpft, dass ich in dem gehäkelten Kokon für ein paar Minuten eingeschlafen bin. Es war sehr warm und gemütlich und ich habe es tatsächlich geliebt, darin zu sein," sagt die Konzeptkünstlerin über ihre 2004 gezeigte Performance. Das klingt behaglich, wie ein von der Mutter eingewickeltes Baby.

Bea Camacho kommt von den Philippinen, ging sieben Jahre lang in England ins Internat und zog dann in die USA, um an der Harvard Universität zu studieren. "Da ich in so vielen Ländern gelebt habe, musste ich mir immer selbst ein Zuhause schaffen. Die Idee hinter dem Kokon ist, dir deine eigene Umwelt zu formen." Sicherheit und Zuflucht, sind die Themen ihrer Arbeit, aber auch Selbstisolation. Eine dünne Faserschicht trennt sie von dem, was um sie herum passiert. Sie ist zwar geschützt, doch es gelangt auch niemand zu ihr. Sie benutzte ein weiches, intimes Material, beschreibt das Häkeln an sich als meditativ und besinnlich. Der Prozess spiegelt das Gefühl, das uns ein Zuhause im besten Falle gibt. Am Ende der Performance zerstört sie das gerade gefertigte Produkt, kämpft sich ihren Weg wieder heraus. 

Ich bin dann mal weg

Camachos Performance zeigt den Faden als Kunst, Kleidung und Architektur in einem. Sie hat sich zwar eine eigene Zelle gebaut, aber auch einen Schlafsack, einen Ganzkörperanzug für Antisocials. Einen wünschenswerten Rückzugsort für schlimme Tage.

In ihrer Performance von 2008, "Efface",  produziert Camacho nicht nur ein Gehäuse, sondern verschmilzt mit dem Raum, in dem sie sich befindet. Wiederum elf Stunden lang häkelt sie sich in einen weißen Teppich ein, mit weißem Garn. Damit konzentriert sich dieses Werk mehr auf den Raum um den Körper herum, der zu einem wichtigen Part der Performance wird, weil Camacho langsam in der Architektur verschwindet. 

Der Raum um den Körper herum. Er beginnt bei der Kleidungsschicht, die wir tragen, und er endet momentan, der Pandemie geschuldet, bei den meisten an den eigenen vier Wänden. Während Camachos Verpuppung durch ein entschlossenes Reißen jeder Zeit beendet werden kann, können wir gerade unsere Abgeschiedenheit nicht selbstbestimmt aufheben. Unsere Wohnung als Gespinst, in dem wir warten, bis wir wieder raus dürfen. 

Schöner wieder raus

Kokon steht für Transformation. Für einen äußeren Stillstand, während im Inneren eine Metamorphose passiert. Sind wir also danach ganz anders? Das Ende der "Performance des Zuhausebleibens" - wird es der bloße Ausbruch sein, aus dem dösigen Eingesperrtsein? Oder haben wir uns verwandelt, im besten Fall, zum Besseren? Werden wirklich Systeme geändert werden und ein weltweites Umdenken gefordert? Verstehen wir die Pandemie als letzte Warnung und Innehalten oder holt die Wirtschaft tatsächlich alles nach, wie sie so lieb verkündet? 

Der bekannteste Kokonbewohner, die Raupe, denkt vermutlich nicht so viel darüber nach. Während die Puppenphase für manche zwei bis vier Wochen dauert, müssen die Frühlings-Wollafter bis zu sieben Jahre in ihrer Puppe verharren, bevor sie schlüpfen. Am Ende kommt immer ein Schmetterling dabei heraus, das gibt ein wenig Hoffnung auf ein gutes Danach.