Indiana Jones wird 40

Gehört das in ein Museum?

Am 12. Juni 1981 startete mit "Jäger des verlorenen Schatzes" die Kinoreihe um den abenteuerlustigen Archäologen Indiana Jones. 40 Jahre und einige post-koloniale Debatten später schauen wir mit anderen Augen auf die Filme. Doch noch heute faszinieren die Klassiker - und ein fünfter Teil ist in Arbeit

Schmerzhafter Peitschenhieb bei der Wikipedia-Lektüre: Steven Spielberg soll den zweiten Indiana-Jones-Film als den schwächsten bezeichnet haben. Mir ist "Indiana Jones und der Tempel des Todes" der liebste. Ich erkläre später, warum. Zunächst kratze ich das Zitat des Regisseurs aus den Sedimenten des Netzes. "It was too dark, too subterranean, and much too horrific", hat Spielberg 1989 erklärt, "I thought it out-poltered 'Poltergeist'. There’s not an ounce of my own personal feeling in ‘Temple of Doom’." Gegen die persönlichen Gefühle eines Regisseurs ist schwerlich etwas einzuwenden. Aber die Indy-Filme – nicht zu verwechseln mit Indie-Filmen – sind erstens gemeinschaftlich von George Lucas und Spielberg gebackenes Popcorn-Kino und keine Kunstwerke, zweitens sind die Urheber nicht unbedingt ihre besten Interpreten, geschweige denn Richter.

Eine kurze Einführung für Indy-Muffel: Indiana Jones alias Dr. Henry Walton Jones Jr., verkörpert von Harrison Ford, ist ein Archäologieprofessor und Fachmann für okkulte Phänomene, der auf der Suche nach geheimnisvollen Artefakten in Abenteuer verwickelt wird. Auf Expedition stets mit Fedorahut und Peitsche ausgestattet und durch seine panische Angst vor Schlangen gehandicapt, ist die Figur eine Kreuzung aus James Bond, Serial-Abenteurern der 1930er und Harry Steele aus "Secret of the Incas" (1954, gespielt von Charlton Heston). Im non-fiktionalen Leben soll der US-Archäologe Hiram Bingham Pate für Indy gestanden haben, der 1911 die Ruinenstadt Machu Picchu entdeckte.

Für Steele als mediales und Bingham als reales Vorbild spricht auch Peru, das die Schauplätze des Teasers im ersten und des Finales im vierten Teil der bisherigen Indy-Filme (1981, 1984, 1989, 2008) stellt. Peru – oder was sich Hollywood davon vorstellt – rahmt die Tetralogie. Ob aber Dr. Jones und seine jeweilige Gefährtin in Ägypten, Indien oder eben Peru gegen Nazis, Kali-Hohepriester oder – 1957 in "Das Königreich des Kristallschädels" – Kommunisten antritt, um ihnen einen wertvollen Schatz abzujagen: Sowohl die Autoren als auch Produktionsdesigner sind durchweg wenig bemüht um historische Korrektheit. So werden im "Kristallschädel" peruanische Inka-Indianer mit guatemaltekischen Maya-Kriegern verwechselt. Aber das fällt kaum mehr ins Gewicht, wenn am Schluss des Films aus einer Kultstätte in den Anden ein Ufo aufsteigt, deren temporär versteinerte Mannschaft seit Urzeiten der Befreiung harrte. Erich von Däniken hatte sicher seine Freude daran.

Logik ist nicht grade die Stärke von Indy-Filmen

Das wundersame Finale zählt zu den Standards der Reihe. In "Jäger des verlorenen Schatzes" wird anno 1936 die Bundeslade mit Moses' Zehn Geboten geöffnet, was den Nazis und einem korrupten französischen Archäo-Konkurrenten von Indy nicht gut bekommt, in "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" rettet der echte Heilige Gral Jones senior (Sean Connery) das Leben, während das falsche Gralsgefäß den Nazi-Komplizen und Millionär Donovan in Sekunden altern und zerfallen lässt. Raubkunst sind die Artefakte natürlich immer nur für die Bösen. Dr. Jones erkennt am Ende meistens, dass man die zum Vorschein gebrachten Wunderdinge besser an ihrem heiligen Ort belässt. In "Indiana Jones und der Tempel des Todes" ist es für den Helden von vornherein klar, dass die Shankara-Steine in das Dorf seiner Auftraggeber zurückgebracht werden müssen. Und natürlich wird sich der Räuber der Steine, der Hohepriester Mola Ram (Amrish Puri), sich an ihnen tödlich die Finger verbrennen.

Der erste Indy-Film, "Jäger des verlorenen Schatzes", lief am 12. Juni  1981 in den US-Kinos an, ich habe den heutigen Klassiker ein Jahr später im Kino gesehen. Am meisten beeindruckte mich das Schlussbild: Die Kiste mit dem "Schatz", den Dr. Jones am Ende des Abenteuers ins Museum bringen will (Indys bekannteste Catchphrase: "Das gehört in ein Museum!"), landet in einem riesigen Washingtoner Lager, eine Holzkiste unter Tausenden. Das Finale ist an die Schlussfahrt aus "Citizen Kane" (1941) angelehnt – auf das Geheimnis des Millardärs Charles Foster Kane zu. Wer allergisch auf Kino-Plünderei reagiert, sollte das Indy-Franchise gar nicht erst anfassen. Aus der Fahrt auf einen verbrennenden Rodelschlitten in "Citizen Kane" wird bei "Indiana Jones" ein Rückwärtszoom. So viele Kisten. Darunter eine Büchse der Pandora, die hoffentlich niemand mehr öffnet. Der CIA hat die Bundeslade in der Asservatenkammer verschwinden lassen. Warum will Jones das biblische Artefakt im Museum erforschen? Er hat gerade erfahren, wie gefährlich das Objekt ist. Naja, Logik ist eben nicht die Stärke von Indy-Filmen.

Pures Kino

Zurzeit beginnen die Dreharbeiten für einen fünften Indiana-Jones-Film, diesmal unter der Regie von James Mangold. Da Harrison Ford wieder mitspielt und seine Figur bisher mit ihm gealtert ist, müsste die Story in den frühen 1960ern angesiedelt sein. Kuba-Krise, Kalter Krieg – das bewegt sich zeitlich recht nahe an der 007-Serie ("James Bond jagt Dr. No" erschien 1962). Das stört mich ohnehin etwas an dreien der bisherigen Filme: Ihre Struktur ist sehr deutlich am Bond-Schema orientiert: Ein Teaser erzählt eine abgeschlossene Vorab-Geschichte. Indiana Jones und sein ihm körperlich und intellektuell eher unterlegenes "Girl" reisen kreuz und quer über die Landkarte. Jones hat – oder nimmt – sich die Lizenz zum Töten, wie 007, was nicht nur den Oberschurken anbetrifft. Seine Gegenspieler sind oft Idioten. Und im Chauvinismus anderen Kulturen gegenüber kann der amerikanische Wissenschaftler mit dem britischen Geheimagenten ebenso locker mithalten.

Warum ich – trotz rassistischer Untertöne und des ausgeprägten Sexismus – den "Tempel des Todes" dennoch für den besten Beitrag der Serie halte? Der Film hat ein ungeheures Tempo, herrlich absurde Ideen und bewegt sich, statt exotisches Länder-Hopping zu betreiben, konsequent auf einen spezifischen Schauplatz, sozusagen ein Nadelöhr, zu: Die Höhle unter einem Maharadscha-Palast. Da unten hat Steven Spielberg die unglaublichste aller Verfolgungsjagden inszeniert, das Rollercoaster-Rennen auf Bergwerks-Loren. Spielberg mag das im nachhinein zu düster und unwitzig gefunden haben, für mich ist "Tempel des Todes" pures Kino.